mit Stein-Skorpionöl, Theriak, Roßfalben u. dergl. im Lande herumzieht. Unmöglich kan ich Ihnen sagen, was das für eine Figur war. Mehr Pavian, als Mensch! die allerunverständlichste und unangenehmste Sprache, die ungeschliffenste Seele, ein dicker zottichter Körper, halb nackend, mit wilden borstenartigen Haaren besetzt, fast eckelhaft in allen Manieren, blos für Saufen und Schlafen eingenommen, rauh und wüst, wie die Gebir- ge, hinter welchen sein Land liegt. Die Leute trieben auch ihren Spaß mit ihm, und misbrauchten ihn gewal- tig. --
Bei den vielen Bergen dieses Landes ist ein Ueber- fluß von Wasser da. Nach wenigen Stunden kommt man immer wieder an ein andres Flüßchen, und in jedem Orte sind viele Röhrbrunnen, die in der Landwirthschaft gute Dienste thun, und der Fremde hört sie in der Nacht beständig laufen und rauschen. Zuweilen laufen aber auch die kleinsten Wasser schrecklich an. Man findet da- her viele und gute Brücken. Bei Blochingen ist eine schöne bedeckte Brücke, die sehr lang ist, wie ein Haus aussieht, und zu beiden Seiten auf dem festen Lande auf- steht.
Der Nationalkarakter der Schwaben ist gewis gut. Sie sind ehrlich, treu, zuverlässig, willig, mit den feinen Kniffen und Ränken andrer Deutschen wenig bekannt, überall gutmüthig, und dienen gern Jeder- mann. Ich wüßte nichts, das ihnen fehlte, als etwas mehr Thätigkeit und Elastizität. Auf der Strasse thei- len sie jedem Fremden Obst, Nüsse, Trauben mit. Die Mutter schickt den Jungen mit einem Hut voll noch schön- rer Aepfel zurück, wenn er nur einen Kreuzer vom Rei-
senden
mit Stein-Skorpionoͤl, Theriak, Roßfalben u. dergl. im Lande herumzieht. Unmoͤglich kan ich Ihnen ſagen, was das fuͤr eine Figur war. Mehr Pavian, als Menſch! die allerunverſtaͤndlichſte und unangenehmſte Sprache, die ungeſchliffenſte Seele, ein dicker zottichter Koͤrper, halb nackend, mit wilden borſtenartigen Haaren beſetzt, faſt eckelhaft in allen Manieren, blos fuͤr Saufen und Schlafen eingenommen, rauh und wuͤſt, wie die Gebir- ge, hinter welchen ſein Land liegt. Die Leute trieben auch ihren Spaß mit ihm, und misbrauchten ihn gewal- tig. —
Bei den vielen Bergen dieſes Landes iſt ein Ueber- fluß von Waſſer da. Nach wenigen Stunden kommt man immer wieder an ein andres Fluͤßchen, und in jedem Orte ſind viele Roͤhrbrunnen, die in der Landwirthſchaft gute Dienſte thun, und der Fremde hoͤrt ſie in der Nacht beſtaͤndig laufen und rauſchen. Zuweilen laufen aber auch die kleinſten Waſſer ſchrecklich an. Man findet da- her viele und gute Bruͤcken. Bei Blochingen iſt eine ſchoͤne bedeckte Bruͤcke, die ſehr lang iſt, wie ein Haus ausſieht, und zu beiden Seiten auf dem feſten Lande auf- ſteht.
Der Nationalkarakter der Schwaben iſt gewis gut. Sie ſind ehrlich, treu, zuverlaͤſſig, willig, mit den feinen Kniffen und Raͤnken andrer Deutſchen wenig bekannt, uͤberall gutmuͤthig, und dienen gern Jeder- mann. Ich wuͤßte nichts, das ihnen fehlte, als etwas mehr Thaͤtigkeit und Elaſtizitaͤt. Auf der Straſſe thei- len ſie jedem Fremden Obſt, Nuͤſſe, Trauben mit. Die Mutter ſchickt den Jungen mit einem Hut voll noch ſchoͤn- rer Aepfel zuruͤck, wenn er nur einen Kreuzer vom Rei-
ſenden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><p><pbfacs="#f0046"n="8"/>
mit Stein-Skorpionoͤl, Theriak, Roßfalben u. dergl.<lb/>
im Lande herumzieht. Unmoͤglich kan ich Ihnen ſagen,<lb/>
was das fuͤr eine Figur war. Mehr Pavian, als Menſch!<lb/>
die allerunverſtaͤndlichſte und unangenehmſte Sprache,<lb/>
die ungeſchliffenſte Seele, ein dicker zottichter Koͤrper,<lb/>
halb nackend, mit wilden borſtenartigen Haaren beſetzt,<lb/>
faſt eckelhaft in allen Manieren, blos fuͤr Saufen und<lb/>
Schlafen eingenommen, rauh und wuͤſt, wie die Gebir-<lb/>
ge, hinter welchen ſein Land liegt. Die Leute trieben<lb/>
auch ihren Spaß mit ihm, und misbrauchten ihn gewal-<lb/>
tig. —</p><lb/><p>Bei den vielen Bergen dieſes Landes iſt ein Ueber-<lb/>
fluß von <hirendition="#fr">Waſſer</hi> da. Nach wenigen Stunden kommt<lb/>
man immer wieder an ein andres Fluͤßchen, und in jedem<lb/>
Orte ſind viele Roͤhrbrunnen, die in der Landwirthſchaft<lb/>
gute Dienſte thun, und der Fremde hoͤrt ſie in der Nacht<lb/>
beſtaͤndig laufen und rauſchen. Zuweilen laufen aber<lb/>
auch die kleinſten Waſſer ſchrecklich an. Man findet da-<lb/>
her viele und gute Bruͤcken. Bei <hirendition="#fr">Blochingen</hi> iſt eine<lb/>ſchoͤne bedeckte Bruͤcke, die ſehr lang iſt, wie ein Haus<lb/>
ausſieht, und zu beiden Seiten auf dem feſten Lande auf-<lb/>ſteht.</p><lb/><p>Der <hirendition="#fr">Nationalkarakter</hi> der Schwaben iſt gewis<lb/>
gut. Sie ſind ehrlich, treu, zuverlaͤſſig, willig, mit<lb/>
den feinen Kniffen und Raͤnken andrer Deutſchen wenig<lb/>
bekannt, uͤberall gutmuͤthig, und dienen gern Jeder-<lb/>
mann. Ich wuͤßte nichts, das ihnen fehlte, als etwas<lb/>
mehr Thaͤtigkeit und Elaſtizitaͤt. Auf der Straſſe thei-<lb/>
len ſie jedem Fremden Obſt, Nuͤſſe, Trauben mit. Die<lb/>
Mutter ſchickt den Jungen mit einem Hut voll noch ſchoͤn-<lb/>
rer Aepfel zuruͤck, wenn er nur einen Kreuzer vom Rei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſenden</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[8/0046]
mit Stein-Skorpionoͤl, Theriak, Roßfalben u. dergl.
im Lande herumzieht. Unmoͤglich kan ich Ihnen ſagen,
was das fuͤr eine Figur war. Mehr Pavian, als Menſch!
die allerunverſtaͤndlichſte und unangenehmſte Sprache,
die ungeſchliffenſte Seele, ein dicker zottichter Koͤrper,
halb nackend, mit wilden borſtenartigen Haaren beſetzt,
faſt eckelhaft in allen Manieren, blos fuͤr Saufen und
Schlafen eingenommen, rauh und wuͤſt, wie die Gebir-
ge, hinter welchen ſein Land liegt. Die Leute trieben
auch ihren Spaß mit ihm, und misbrauchten ihn gewal-
tig. —
Bei den vielen Bergen dieſes Landes iſt ein Ueber-
fluß von Waſſer da. Nach wenigen Stunden kommt
man immer wieder an ein andres Fluͤßchen, und in jedem
Orte ſind viele Roͤhrbrunnen, die in der Landwirthſchaft
gute Dienſte thun, und der Fremde hoͤrt ſie in der Nacht
beſtaͤndig laufen und rauſchen. Zuweilen laufen aber
auch die kleinſten Waſſer ſchrecklich an. Man findet da-
her viele und gute Bruͤcken. Bei Blochingen iſt eine
ſchoͤne bedeckte Bruͤcke, die ſehr lang iſt, wie ein Haus
ausſieht, und zu beiden Seiten auf dem feſten Lande auf-
ſteht.
Der Nationalkarakter der Schwaben iſt gewis
gut. Sie ſind ehrlich, treu, zuverlaͤſſig, willig, mit
den feinen Kniffen und Raͤnken andrer Deutſchen wenig
bekannt, uͤberall gutmuͤthig, und dienen gern Jeder-
mann. Ich wuͤßte nichts, das ihnen fehlte, als etwas
mehr Thaͤtigkeit und Elaſtizitaͤt. Auf der Straſſe thei-
len ſie jedem Fremden Obſt, Nuͤſſe, Trauben mit. Die
Mutter ſchickt den Jungen mit einem Hut voll noch ſchoͤn-
rer Aepfel zuruͤck, wenn er nur einen Kreuzer vom Rei-
ſenden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/46>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.