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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Den 19ten April.

Die Karl Borromäuskirche vor dem Stubenthor,
jenseits dem Wasser, in einer Vorstadt, welche ich heute
auch besah, gehört zu den schönen Kirchen Wiens: es
scheint, die Rotunda in Rom sollte das Modell dazu
seyn. Das Aeussere kündigt mit seinen vielen Seiten-
gebäuden und Säulen eine viel grössere Kirche an, als sie
wirklich inwendig ist. Marmorsäulen, ein prächtiges,
ovales Gewölbe oben, mit schöner Malerei, und auf der
Hauptkuppel noch ein kleines Gewölbe, schöne Tischerar-
beit und dergl. findet man wohl darin, aber doch nicht
den reinen simplen Geschmack, wie in der Kirche zu St.
Blasien
(S. S. 403.).

Drauf ging ich zu Hause die Bibliothek des Hrn.
von Stockmaters durch. Es ist ein guter Anfang in
allen publizistischen Werken darin. Hier in Wien aber
hat der Hr. Besitzer aufgehört zu kaufen, weil er doch
auch keine Zeit mehr hat zu lesen. Denn sonderlich vor
und an Positagen hat so ein Mann, der mehrern Hö-
fen dient, ganz unsäglich viel zu expediren, muß vieles
selber 2-3mal abschreiben, weil ers niemanden anvertrau-
en darf, muß oft Staffetten, Kuriere abschicken, sieht
seine Familie und seine Freunde nicht, als beim Essen,
und ißt oft Nachts um 1, 2. Uhr zu Nacht. *)

Der
*) Der Kaiser ist gegen Hrn. von Stockmaier ungemein
gnädig gesinnt. Wenn dieser Monarch Kuriere an
einen von den Höfen abfertigen läßt, deren Angele-
genheiten Hr. von Stockmaier hier besorgt, so läßt
Er es ihm immer einige Stunden vorher wissen, wenn
er etwan auch was mitzusenden habe.
G g 4
Den 19ten April.

Die Karl Borromaͤuskirche vor dem Stubenthor,
jenſeits dem Waſſer, in einer Vorſtadt, welche ich heute
auch beſah, gehoͤrt zu den ſchoͤnen Kirchen Wiens: es
ſcheint, die Rotunda in Rom ſollte das Modell dazu
ſeyn. Das Aeuſſere kuͤndigt mit ſeinen vielen Seiten-
gebaͤuden und Saͤulen eine viel groͤſſere Kirche an, als ſie
wirklich inwendig iſt. Marmorſaͤulen, ein praͤchtiges,
ovales Gewoͤlbe oben, mit ſchoͤner Malerei, und auf der
Hauptkuppel noch ein kleines Gewoͤlbe, ſchoͤne Tiſcherar-
beit und dergl. findet man wohl darin, aber doch nicht
den reinen ſimplen Geſchmack, wie in der Kirche zu St.
Blaſien
(S. S. 403.).

Drauf ging ich zu Hauſe die Bibliothek des Hrn.
von Stockmaters durch. Es iſt ein guter Anfang in
allen publiziſtiſchen Werken darin. Hier in Wien aber
hat der Hr. Beſitzer aufgehoͤrt zu kaufen, weil er doch
auch keine Zeit mehr hat zu leſen. Denn ſonderlich vor
und an Poſitagen hat ſo ein Mann, der mehrern Hoͤ-
fen dient, ganz unſaͤglich viel zu expediren, muß vieles
ſelber 2-3mal abſchreiben, weil ers niemanden anvertrau-
en darf, muß oft Staffetten, Kuriere abſchicken, ſieht
ſeine Familie und ſeine Freunde nicht, als beim Eſſen,
und ißt oft Nachts um 1, 2. Uhr zu Nacht. *)

Der
*) Der Kaiſer iſt gegen Hrn. von Stockmaier ungemein
gnaͤdig geſinnt. Wenn dieſer Monarch Kuriere an
einen von den Hoͤfen abfertigen laͤßt, deren Angele-
genheiten Hr. von Stockmaier hier beſorgt, ſo laͤßt
Er es ihm immer einige Stunden vorher wiſſen, wenn
er etwan auch was mitzuſenden habe.
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[471/0509] Den 19ten April. Die Karl Borromaͤuskirche vor dem Stubenthor, jenſeits dem Waſſer, in einer Vorſtadt, welche ich heute auch beſah, gehoͤrt zu den ſchoͤnen Kirchen Wiens: es ſcheint, die Rotunda in Rom ſollte das Modell dazu ſeyn. Das Aeuſſere kuͤndigt mit ſeinen vielen Seiten- gebaͤuden und Saͤulen eine viel groͤſſere Kirche an, als ſie wirklich inwendig iſt. Marmorſaͤulen, ein praͤchtiges, ovales Gewoͤlbe oben, mit ſchoͤner Malerei, und auf der Hauptkuppel noch ein kleines Gewoͤlbe, ſchoͤne Tiſcherar- beit und dergl. findet man wohl darin, aber doch nicht den reinen ſimplen Geſchmack, wie in der Kirche zu St. Blaſien (S. S. 403.). Drauf ging ich zu Hauſe die Bibliothek des Hrn. von Stockmaters durch. Es iſt ein guter Anfang in allen publiziſtiſchen Werken darin. Hier in Wien aber hat der Hr. Beſitzer aufgehoͤrt zu kaufen, weil er doch auch keine Zeit mehr hat zu leſen. Denn ſonderlich vor und an Poſitagen hat ſo ein Mann, der mehrern Hoͤ- fen dient, ganz unſaͤglich viel zu expediren, muß vieles ſelber 2-3mal abſchreiben, weil ers niemanden anvertrau- en darf, muß oft Staffetten, Kuriere abſchicken, ſieht ſeine Familie und ſeine Freunde nicht, als beim Eſſen, und ißt oft Nachts um 1, 2. Uhr zu Nacht. *) Der *) Der Kaiſer iſt gegen Hrn. von Stockmaier ungemein gnaͤdig geſinnt. Wenn dieſer Monarch Kuriere an einen von den Hoͤfen abfertigen laͤßt, deren Angele- genheiten Hr. von Stockmaier hier beſorgt, ſo laͤßt Er es ihm immer einige Stunden vorher wiſſen, wenn er etwan auch was mitzuſenden habe. G g 4

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/509>, abgerufen am 24.11.2024.