vor ihm auf die Knie nieder, und immer bot er sein Zei- chen des Kreuzes zu beiden Seiten an. Ich war indes- sen durch Hrn. von Heyfeld den italiänischen Prälaten bekannt worden, die wunderten sich über den Protestan- ten, wurden höflich, und führten mich hinauf in des Pabsts Zimmer. Als er kaum sich ein wenig erholt hat- te, öfnete man die Fenster am Balkon wieder, und leg- te ihm auf die eiserne Gallerie da, wo er sich festhält, ein rothes scharlachenes Tuch hin. Unten standen wohl 6000. Menschen. Der Pabst ging dann hinaus, und benedizirte. Hinter ihm standen die italiänischen Bischöf- fe, Hayfeld und ich: die Katholicken knieten alle. Als er seine Gestikulation gemacht hatte, kam er zurück, gab uns noch einen besondern Segen, und ging dann in sein Zimmer. Das Volk unten kniete auf und über einan- der, und was konnte ich für Freude haben, als ich so weit umher eine ganze Schaar blinder Brüder, eine Menge kniendes Volk sah, das den sterblichen Menschen mit lautem Geschrei für die lateinischen Worte dankte, die es nicht gehört hatte! -- Der Aberglaube geht so weit, daß man dem Pabst, indem er geht, nach dem Zipfel seines Kleids greift, und den Saum seiner Schlep- pe mit Andacht küßt. Ach, er ist nicht Dein Statthal- ter, grosser und liebenswürdiger Erlöser! Du stiegest nie in die Höhe und liessest Dich sehen, um bewundert zu werden! Du wandeltest selber unter dem Volke, gingst in ihre Hütten, halfst wirklichen Bedürfnissen ab, und ver- langtest nicht Ehre und Anbetung von Menschen, die noch nicht Erkenntnis von Gott und seinen Anstalten hatten!
Hierauf machte ich dem Herrn General von Frise meine Aufwartung. Er ist ein Protestant und von
Colberg
vor ihm auf die Knie nieder, und immer bot er ſein Zei- chen des Kreuzes zu beiden Seiten an. Ich war indeſ- ſen durch Hrn. von Heyfeld den italiaͤniſchen Praͤlaten bekannt worden, die wunderten ſich uͤber den Proteſtan- ten, wurden hoͤflich, und fuͤhrten mich hinauf in des Pabſts Zimmer. Als er kaum ſich ein wenig erholt hat- te, oͤfnete man die Fenſter am Balkon wieder, und leg- te ihm auf die eiſerne Gallerie da, wo er ſich feſthaͤlt, ein rothes ſcharlachenes Tuch hin. Unten ſtanden wohl 6000. Menſchen. Der Pabſt ging dann hinaus, und benedizirte. Hinter ihm ſtanden die italiaͤniſchen Biſchoͤf- fe, Hayfeld und ich: die Katholicken knieten alle. Als er ſeine Geſtikulation gemacht hatte, kam er zuruͤck, gab uns noch einen beſondern Segen, und ging dann in ſein Zimmer. Das Volk unten kniete auf und uͤber einan- der, und was konnte ich fuͤr Freude haben, als ich ſo weit umher eine ganze Schaar blinder Bruͤder, eine Menge kniendes Volk ſah, das den ſterblichen Menſchen mit lautem Geſchrei fuͤr die lateiniſchen Worte dankte, die es nicht gehoͤrt hatte! — Der Aberglaube geht ſo weit, daß man dem Pabſt, indem er geht, nach dem Zipfel ſeines Kleids greift, und den Saum ſeiner Schlep- pe mit Andacht kuͤßt. Ach, er iſt nicht Dein Statthal- ter, groſſer und liebenswuͤrdiger Erloͤſer! Du ſtiegeſt nie in die Hoͤhe und lieſſeſt Dich ſehen, um bewundert zu werden! Du wandelteſt ſelber unter dem Volke, gingſt in ihre Huͤtten, halfſt wirklichen Beduͤrfniſſen ab, und ver- langteſt nicht Ehre und Anbetung von Menſchen, die noch nicht Erkenntnis von Gott und ſeinen Anſtalten hatten!
Hierauf machte ich dem Herrn General von Friſe meine Aufwartung. Er iſt ein Proteſtant und von
Colberg
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bekannt worden, die wunderten ſich uͤber den Proteſtan-
ten, wurden hoͤflich, und fuͤhrten mich hinauf in des
Pabſts Zimmer. Als er kaum ſich ein wenig erholt hat-
te, oͤfnete man die Fenſter am Balkon wieder, und leg-
te ihm auf die eiſerne Gallerie da, wo er ſich feſthaͤlt,
ein rothes ſcharlachenes Tuch hin. Unten ſtanden wohl
6000. Menſchen. Der Pabſt ging dann hinaus, und
benedizirte. Hinter ihm ſtanden die italiaͤniſchen Biſchoͤf-
fe, Hayfeld und ich: die Katholicken knieten alle. Als
er ſeine Geſtikulation gemacht hatte, kam er zuruͤck, gab
uns noch einen beſondern Segen, und ging dann in ſein
Zimmer. Das Volk unten kniete auf und uͤber einan-
der, und was konnte ich fuͤr Freude haben, als ich ſo
weit umher eine ganze Schaar blinder Bruͤder, eine
Menge kniendes Volk ſah, das den ſterblichen Menſchen
mit lautem Geſchrei fuͤr die lateiniſchen Worte dankte,
die es nicht gehoͤrt hatte! — Der Aberglaube geht ſo
weit, daß man dem Pabſt, indem er geht, nach dem
Zipfel ſeines Kleids greift, und den Saum ſeiner Schlep-
pe mit Andacht kuͤßt. Ach, er iſt nicht Dein Statthal-
ter, groſſer und liebenswuͤrdiger Erloͤſer! Du ſtiegeſt nie
in die Hoͤhe und lieſſeſt Dich ſehen, um bewundert zu
werden! Du wandelteſt ſelber unter dem Volke, gingſt in
ihre Huͤtten, halfſt wirklichen Beduͤrfniſſen ab, und ver-
langteſt nicht Ehre und Anbetung von Menſchen, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/518>, abgerufen am 24.11.2024.
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