Mann. Man hat oben auf dem Kranze eine unver- gleichliche Aussicht nach den Tyroler Gebürgen, nach Dillingen, Donauwerth. Man sieht die eisernen Stangen, an welchen im Fall einer Feuersnoth grosse La- ternen nach der Stadt, wo der Brand entstanden ist, ausgehangen werden. Im Anfange dieses Jahrhun- derts hatten die Franzosen oben auf dem Kranze des Thurms ein Wachfeuer angemacht. Da ging einer von den Wächtern, Namens Rumey, herab zu seiner Obrig- keit, und fragte an, ob er nicht einen Franzosen nach dem andern beim Kopfe nehmen, und herabstürzen dürfe? Sehen Sie die Vaterlandsliebe, den Muth, und die ed- le Dreistigkeit dieses ehrlichen Schwaben. Es verdroß ihn, daß so ein altes ansehnliches Gebäude, die Zierde seiner Stadt, an der man 111. Jahre gebaut hatte, durch den Muthwillen der Franzosen in Brand gerathen sollte. Wegen der Feuersgefahr sind oben 36. Wasserkessel, die aber durch die Länge der Zeit ganz ausdünsten. Im Glockenhause hängen Glocken von 75. und andre von 85. Zentnern. Die eisernen Schwengel verwittern und schillern ab, aber nicht die bronzenen Glocken selber. An den steinernen Pfosten sieht man Spuren von der fürch- terlichen Gewalt, womit der Blitz in der Neujahrsnacht 1779. hier in der Nachbarschaft eines eisernen Gitters herablief, so wie man sie auch unten in der Kirche am Fusse der Orgel sehen kan. Und doch gibt es noch im- mer Leute, die, wenn sie den sichtbaren Nutzen der Ablei- ter rühmen hören, den albernen Einfall wiederkäuen: Man soll der Vorsehung Gottes nicht vorgreifen. Gra- de als wenn wir armen Sterblichen durch unsere Gewit- terstangen die tausendfachen Kräfte der Natur so bändi- gen könnten, daß uns Gott mit aller seiner Macht, nicht
mehr
Mann. Man hat oben auf dem Kranze eine unver- gleichliche Ausſicht nach den Tyroler Gebuͤrgen, nach Dillingen, Donauwerth. Man ſieht die eiſernen Stangen, an welchen im Fall einer Feuersnoth groſſe La- ternen nach der Stadt, wo der Brand entſtanden iſt, ausgehangen werden. Im Anfange dieſes Jahrhun- derts hatten die Franzoſen oben auf dem Kranze des Thurms ein Wachfeuer angemacht. Da ging einer von den Waͤchtern, Namens Rumey, herab zu ſeiner Obrig- keit, und fragte an, ob er nicht einen Franzoſen nach dem andern beim Kopfe nehmen, und herabſtuͤrzen duͤrfe? Sehen Sie die Vaterlandsliebe, den Muth, und die ed- le Dreiſtigkeit dieſes ehrlichen Schwaben. Es verdroß ihn, daß ſo ein altes anſehnliches Gebaͤude, die Zierde ſeiner Stadt, an der man 111. Jahre gebaut hatte, durch den Muthwillen der Franzoſen in Brand gerathen ſollte. Wegen der Feuersgefahr ſind oben 36. Waſſerkeſſel, die aber durch die Laͤnge der Zeit ganz ausduͤnſten. Im Glockenhauſe haͤngen Glocken von 75. und andre von 85. Zentnern. Die eiſernen Schwengel verwittern und ſchillern ab, aber nicht die bronzenen Glocken ſelber. An den ſteinernen Pfoſten ſieht man Spuren von der fuͤrch- terlichen Gewalt, womit der Blitz in der Neujahrsnacht 1779. hier in der Nachbarſchaft eines eiſernen Gitters herablief, ſo wie man ſie auch unten in der Kirche am Fuſſe der Orgel ſehen kan. Und doch gibt es noch im- mer Leute, die, wenn ſie den ſichtbaren Nutzen der Ablei- ter ruͤhmen hoͤren, den albernen Einfall wiederkaͤuen: Man ſoll der Vorſehung Gottes nicht vorgreifen. Gra- de als wenn wir armen Sterblichen durch unſere Gewit- terſtangen die tauſendfachen Kraͤfte der Natur ſo baͤndi- gen koͤnnten, daß uns Gott mit aller ſeiner Macht, nicht
mehr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><p><pbfacs="#f0052"n="14"/>
Mann. Man hat oben auf dem Kranze eine unver-<lb/>
gleichliche Ausſicht nach den <hirendition="#fr">Tyrol</hi>er Gebuͤrgen, nach<lb/><hirendition="#fr">Dillingen, Donauwerth.</hi> Man ſieht die eiſernen<lb/>
Stangen, an welchen im Fall einer Feuersnoth groſſe La-<lb/>
ternen nach der Stadt, wo der Brand entſtanden iſt,<lb/>
ausgehangen werden. Im Anfange dieſes Jahrhun-<lb/>
derts hatten die Franzoſen oben auf dem Kranze des<lb/>
Thurms ein Wachfeuer angemacht. Da ging einer von<lb/>
den Waͤchtern, Namens <hirendition="#fr">Rumey,</hi> herab zu ſeiner Obrig-<lb/>
keit, und fragte an, ob er nicht einen Franzoſen nach dem<lb/>
andern beim Kopfe nehmen, und herabſtuͤrzen duͤrfe?<lb/>
Sehen Sie die Vaterlandsliebe, den Muth, und die ed-<lb/>
le Dreiſtigkeit dieſes ehrlichen Schwaben. Es verdroß<lb/>
ihn, daß ſo ein altes anſehnliches Gebaͤude, die Zierde<lb/>ſeiner Stadt, an der man 111. Jahre gebaut hatte, durch<lb/>
den Muthwillen der Franzoſen in Brand gerathen ſollte.<lb/>
Wegen der Feuersgefahr ſind oben 36. Waſſerkeſſel, die<lb/>
aber durch die Laͤnge der Zeit ganz ausduͤnſten. Im<lb/>
Glockenhauſe haͤngen Glocken von 75. und andre von 85.<lb/>
Zentnern. Die eiſernen Schwengel verwittern und<lb/>ſchillern ab, aber nicht die bronzenen Glocken ſelber. An<lb/>
den ſteinernen Pfoſten ſieht man Spuren von der fuͤrch-<lb/>
terlichen Gewalt, womit der Blitz in der Neujahrsnacht<lb/>
1779. hier in der Nachbarſchaft eines eiſernen Gitters<lb/>
herablief, ſo wie man ſie auch unten in der Kirche am<lb/>
Fuſſe der Orgel ſehen kan. Und doch gibt es noch im-<lb/>
mer Leute, die, wenn ſie den ſichtbaren Nutzen der Ablei-<lb/>
ter ruͤhmen hoͤren, den albernen Einfall wiederkaͤuen:<lb/>
Man ſoll der Vorſehung Gottes nicht vorgreifen. Gra-<lb/>
de als wenn wir armen Sterblichen durch unſere Gewit-<lb/>
terſtangen die tauſendfachen Kraͤfte der Natur ſo baͤndi-<lb/>
gen koͤnnten, daß uns Gott mit aller ſeiner Macht, nicht<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mehr</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0052]
Mann. Man hat oben auf dem Kranze eine unver-
gleichliche Ausſicht nach den Tyroler Gebuͤrgen, nach
Dillingen, Donauwerth. Man ſieht die eiſernen
Stangen, an welchen im Fall einer Feuersnoth groſſe La-
ternen nach der Stadt, wo der Brand entſtanden iſt,
ausgehangen werden. Im Anfange dieſes Jahrhun-
derts hatten die Franzoſen oben auf dem Kranze des
Thurms ein Wachfeuer angemacht. Da ging einer von
den Waͤchtern, Namens Rumey, herab zu ſeiner Obrig-
keit, und fragte an, ob er nicht einen Franzoſen nach dem
andern beim Kopfe nehmen, und herabſtuͤrzen duͤrfe?
Sehen Sie die Vaterlandsliebe, den Muth, und die ed-
le Dreiſtigkeit dieſes ehrlichen Schwaben. Es verdroß
ihn, daß ſo ein altes anſehnliches Gebaͤude, die Zierde
ſeiner Stadt, an der man 111. Jahre gebaut hatte, durch
den Muthwillen der Franzoſen in Brand gerathen ſollte.
Wegen der Feuersgefahr ſind oben 36. Waſſerkeſſel, die
aber durch die Laͤnge der Zeit ganz ausduͤnſten. Im
Glockenhauſe haͤngen Glocken von 75. und andre von 85.
Zentnern. Die eiſernen Schwengel verwittern und
ſchillern ab, aber nicht die bronzenen Glocken ſelber. An
den ſteinernen Pfoſten ſieht man Spuren von der fuͤrch-
terlichen Gewalt, womit der Blitz in der Neujahrsnacht
1779. hier in der Nachbarſchaft eines eiſernen Gitters
herablief, ſo wie man ſie auch unten in der Kirche am
Fuſſe der Orgel ſehen kan. Und doch gibt es noch im-
mer Leute, die, wenn ſie den ſichtbaren Nutzen der Ablei-
ter ruͤhmen hoͤren, den albernen Einfall wiederkaͤuen:
Man ſoll der Vorſehung Gottes nicht vorgreifen. Gra-
de als wenn wir armen Sterblichen durch unſere Gewit-
terſtangen die tauſendfachen Kraͤfte der Natur ſo baͤndi-
gen koͤnnten, daß uns Gott mit aller ſeiner Macht, nicht
mehr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/52>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.