mancher, der die Karten zum Lombre hergibt, täglich einnimmt.
Den 30sten April.
Den Vormittag brachte ich in der
Leonischen Dratzugfabrik in einer Vorstadt von Wien zu. Sie hat einige Privilegien, und wird mit Recht für so schön gehalten, daß sie der Kaiser selbst dem Grosfürsten und der Grosfürstin von Rußland zeigte. Ehemals gehörte sie einem Kaufmann Sonnenleitner, der jetzt ein alter Mann ist. Unter ihm gerieth sie aber in Verfall, und stand lange unter Administration. Viel- leicht würden die Administratoren sie zuletzt selbst an sich gerissen haben, hätte sich der Eigenthümer nicht an Hrn. Wucherer gewendet, der eben damahls etwas Eigenes anfangen wollte. Bis in Junius steht sie nun Ein Jahr unter dessen Aufsicht, beschäftigt ungefähr 250. Menschen, und scheint bei dieser Veränderung gewonnen zu haben. Das Kupfer zum Drat kommt aus Steiermark, Un- garisches können sie nicht brauchen. Jährlich braucht man 350-400. Zentner davon. Es wird mit Holz- kohlen in Passauer dreieckigten Tiegeln geschmolzen, wozu der Thon bereits aus einer gewaltigen Tiefe der Erde heraufgebracht wird. Ich sah Masseln giessen. Ein halber Zentner Kupfer gibt 2. Masseln, und je- de gibt unter dem Hammer 3. Stangen, oder Stücke. Diese Stücke sind zapfenförmig, hinten dicker als vor- ne, etwa 21/2. Spannen lang, und etwa 11/2. Zoll im Durch- messer. Die meisten von diesen Stücken werden zu Silberdrat bestimmt. Dieses Silber, womit sie über- zogen werden, ist feines Marksilber, und kommt von
Nürn-
Zweiter Theil. L l
mancher, der die Karten zum Lombre hergibt, taͤglich einnimmt.
Den 30ſten April.
Den Vormittag brachte ich in der
Leoniſchen Dratzugfabrik in einer Vorſtadt von Wien zu. Sie hat einige Privilegien, und wird mit Recht fuͤr ſo ſchoͤn gehalten, daß ſie der Kaiſer ſelbſt dem Grosfuͤrſten und der Grosfuͤrſtin von Rußland zeigte. Ehemals gehoͤrte ſie einem Kaufmann Sonnenleitner, der jetzt ein alter Mann iſt. Unter ihm gerieth ſie aber in Verfall, und ſtand lange unter Adminiſtration. Viel- leicht wuͤrden die Adminiſtratoren ſie zuletzt ſelbſt an ſich geriſſen haben, haͤtte ſich der Eigenthuͤmer nicht an Hrn. Wucherer gewendet, der eben damahls etwas Eigenes anfangen wollte. Bis in Junius ſteht ſie nun Ein Jahr unter deſſen Aufſicht, beſchaͤftigt ungefaͤhr 250. Menſchen, und ſcheint bei dieſer Veraͤnderung gewonnen zu haben. Das Kupfer zum Drat kommt aus Steiermark, Un- gariſches koͤnnen ſie nicht brauchen. Jaͤhrlich braucht man 350-400. Zentner davon. Es wird mit Holz- kohlen in Paſſauer dreieckigten Tiegeln geſchmolzen, wozu der Thon bereits aus einer gewaltigen Tiefe der Erde heraufgebracht wird. Ich ſah Maſſeln gieſſen. Ein halber Zentner Kupfer gibt 2. Maſſeln, und je- de gibt unter dem Hammer 3. Stangen, oder Stuͤcke. Dieſe Stuͤcke ſind zapfenfoͤrmig, hinten dicker als vor- ne, etwa 2½. Spannen lang, und etwa 1½. Zoll im Durch- meſſer. Die meiſten von dieſen Stuͤcken werden zu Silberdrat beſtimmt. Dieſes Silber, womit ſie uͤber- zogen werden, iſt feines Markſilber, und kommt von
Nuͤrn-
Zweiter Theil. L l
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mancher, der die Karten zum Lombre hergibt, taͤglich
einnimmt.
Den 30ſten April.
Den Vormittag brachte ich in der
Leoniſchen Dratzugfabrik in einer Vorſtadt von
Wien zu. Sie hat einige Privilegien, und wird mit
Recht fuͤr ſo ſchoͤn gehalten, daß ſie der Kaiſer ſelbſt dem
Grosfuͤrſten und der Grosfuͤrſtin von Rußland zeigte.
Ehemals gehoͤrte ſie einem Kaufmann Sonnenleitner,
der jetzt ein alter Mann iſt. Unter ihm gerieth ſie aber
in Verfall, und ſtand lange unter Adminiſtration. Viel-
leicht wuͤrden die Adminiſtratoren ſie zuletzt ſelbſt an ſich
geriſſen haben, haͤtte ſich der Eigenthuͤmer nicht an Hrn.
Wucherer gewendet, der eben damahls etwas Eigenes
anfangen wollte. Bis in Junius ſteht ſie nun Ein Jahr
unter deſſen Aufſicht, beſchaͤftigt ungefaͤhr 250. Menſchen,
und ſcheint bei dieſer Veraͤnderung gewonnen zu haben.
Das Kupfer zum Drat kommt aus Steiermark, Un-
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man 350-400. Zentner davon. Es wird mit Holz-
kohlen in Paſſauer dreieckigten Tiegeln geſchmolzen,
wozu der Thon bereits aus einer gewaltigen Tiefe der
Erde heraufgebracht wird. Ich ſah Maſſeln gieſſen.
Ein halber Zentner Kupfer gibt 2. Maſſeln, und je-
de gibt unter dem Hammer 3. Stangen, oder Stuͤcke.
Dieſe Stuͤcke ſind zapfenfoͤrmig, hinten dicker als vor-
ne, etwa 2½. Spannen lang, und etwa 1½. Zoll im Durch-
meſſer. Die meiſten von dieſen Stuͤcken werden zu
Silberdrat beſtimmt. Dieſes Silber, womit ſie uͤber-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/567>, abgerufen am 25.11.2024.
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