stens 100. Jahre alt wären, das junge Holz habe die Far- be nicht, es wachse auch langsam, in der Jugend flechte man das Kampescheholz als Spaliere in einander; er habe auf Jamaika die jungen Bäume gesehen, womit man zu Sloane's Zeiten angefangen habe, das Holz zu gewinnen, und sie wären noch dünne Reiser gewesen.
Als ich beim Abschied mit ihm über die immer stei- gende Unermeßlichkeit dieses Studiums sprach, versi- cherte er mich, daß er oft im Frühjahr, wenn er wieder zu seinen lieben Pflanzen zurück kehre, manches Gewächs als fremd und unbekannt ansehe. An den Otaheitischen Gewächsen sei die Mannichfaltigkeit der Natur gar un- beschreiblich, wenn man auch nur noch wenige Proben vor sich habe.
Den 4ten Mai.
Diesen Tag brachte ich meistens auf dem Zimmer zu, und studirte die Predigt, die ich hier den Protestan- ten zu Gefallen morgen in der Dänischen Gesandschafts- kirche halten sollte.
Nachmittage machte ich mir Motion und fuhr zu Hrn. von Birkenstock, an welchen ich Empfehlungs- Briese von Madam La Roche aus Speier hatte, traf ihn aber nicht an.
Meine Lektüre zu Hause waren indessen Labats eu- ropäische Reisen, und heute ward ich mit dem 6ten Theil fertig. Der Mann schreibt munter, lebhaft, kan gut beschreiben, fällt auch zuweilen in satyrischen Ton. Um so seltsamer ist es, daß so ein geschenter und weitgereister Mann noch an alle Heiligthümer und Reliquien, die man
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ſtens 100. Jahre alt waͤren, das junge Holz habe die Far- be nicht, es wachſe auch langſam, in der Jugend flechte man das Kampeſcheholz als Spaliere in einander; er habe auf Jamaika die jungen Baͤume geſehen, womit man zu Sloane’s Zeiten angefangen habe, das Holz zu gewinnen, und ſie waͤren noch duͤnne Reiſer geweſen.
Als ich beim Abſchied mit ihm uͤber die immer ſtei- gende Unermeßlichkeit dieſes Studiums ſprach, verſi- cherte er mich, daß er oft im Fruͤhjahr, wenn er wieder zu ſeinen lieben Pflanzen zuruͤck kehre, manches Gewaͤchs als fremd und unbekannt anſehe. An den Otaheitiſchen Gewaͤchſen ſei die Mannichfaltigkeit der Natur gar un- beſchreiblich, wenn man auch nur noch wenige Proben vor ſich habe.
Den 4ten Mai.
Dieſen Tag brachte ich meiſtens auf dem Zimmer zu, und ſtudirte die Predigt, die ich hier den Proteſtan- ten zu Gefallen morgen in der Daͤniſchen Geſandſchafts- kirche halten ſollte.
Nachmittage machte ich mir Motion und fuhr zu Hrn. von Birkenſtock, an welchen ich Empfehlungs- Brieſe von Madam La Roche aus Speier hatte, traf ihn aber nicht an.
Meine Lektuͤre zu Hauſe waren indeſſen Labats eu- ropaͤiſche Reiſen, und heute ward ich mit dem 6ten Theil fertig. Der Mann ſchreibt munter, lebhaft, kan gut beſchreiben, faͤllt auch zuweilen in ſatyriſchen Ton. Um ſo ſeltſamer iſt es, daß ſo ein geſchenter und weitgereiſter Mann noch an alle Heiligthuͤmer und Reliquien, die man
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ſtens 100. Jahre alt waͤren, das junge Holz habe die Far-
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man das Kampeſcheholz als Spaliere in einander; er
habe auf Jamaika die jungen Baͤume geſehen, womit
man zu Sloane’s Zeiten angefangen habe, das Holz
zu gewinnen, und ſie waͤren noch duͤnne Reiſer geweſen.
Als ich beim Abſchied mit ihm uͤber die immer ſtei-
gende Unermeßlichkeit dieſes Studiums ſprach, verſi-
cherte er mich, daß er oft im Fruͤhjahr, wenn er wieder
zu ſeinen lieben Pflanzen zuruͤck kehre, manches Gewaͤchs
als fremd und unbekannt anſehe. An den Otaheitiſchen
Gewaͤchſen ſei die Mannichfaltigkeit der Natur gar un-
beſchreiblich, wenn man auch nur noch wenige Proben
vor ſich habe.
Den 4ten Mai.
Dieſen Tag brachte ich meiſtens auf dem Zimmer
zu, und ſtudirte die Predigt, die ich hier den Proteſtan-
ten zu Gefallen morgen in der Daͤniſchen Geſandſchafts-
kirche halten ſollte.
Nachmittage machte ich mir Motion und fuhr zu
Hrn. von Birkenſtock, an welchen ich Empfehlungs-
Brieſe von Madam La Roche aus Speier hatte, traf
ihn aber nicht an.
Meine Lektuͤre zu Hauſe waren indeſſen Labats eu-
ropaͤiſche Reiſen, und heute ward ich mit dem 6ten Theil
fertig. Der Mann ſchreibt munter, lebhaft, kan gut
beſchreiben, faͤllt auch zuweilen in ſatyriſchen Ton. Um
ſo ſeltſamer iſt es, daß ſo ein geſchenter und weitgereiſter
Mann noch an alle Heiligthuͤmer und Reliquien, die man
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/585>, abgerufen am 27.11.2024.
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