den Vorwurf, daß sie ungesellig wären, und es ist wahr, sie halten nicht einmahl unter sich selber Gesellschaften. Der niedre Theil der Bürgerschaft aber kommt unfehlbar alle Abende im Bierhause zusammen, wo beim Toback manche Stunde verplaudert wird. Man hat zum An- zünden der Pfeifen in diesen, so wie in vielen andern Ge- genden, dünne lange, vermuthlich mit einem Ziehmesser abgezogene lange Späne von Tannenholz, die leicht Feuer fangen. Alle Pfeifen aus Thon muß man aus Holland, oder von Kölln kommen lassen, daher raucht man meist aus hölzernen oder hornenen Pfeifen. Un- glaublich ist die Menge des Biers, aber man hat es auch sehr gut. Am öffentlichen Unterrichte fehlt es in Augspurg nicht. In den 6. Kirchen, die den Prote- stanten gehören, wird an jedem Sonntage 15. mahl und in der Woche 28. mahl gepredigt! Wenn wird man doch einmahl den wichtigen Schaden einsehen, den das tägli- che und überflüssige Predigen auf die Prediger, auf die Zuhörer, und auf den Vortrag selber nothwendig haben muß? Artig ist es, daß das Allmosen beim Eingang und Ausgang der Kirche in den Klingelbeutel gesammelt, und die Unruhe, die dadurch entsteht, während der Predigt vermieden wird. Freilich kan auf diese Art der, welcher sonst nichts geben würde, aber doch aus Schande gibt, weil er in einer Reihe andrer sitzt, die auf ihn schauen, durch- kommen, ohne daß sein Geiz durch eine andre Leidenschaft überwunden wird. Allein ganz überflüssig, dünkt mir, ist der Meßner, oder Küster auf der Kanzel hinter dem Prediger. Dieser Mann geht auch schwarzgekleidet sorg- fältig mit, macht die Thüre auf, setzt sich oben hin, und servirt den Prediger ordentlich, nimmt die Bücher weg, gibt andre her, macht sich ein unnöthiges Geschäft, oder
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den Vorwurf, daß ſie ungeſellig waͤren, und es iſt wahr, ſie halten nicht einmahl unter ſich ſelber Geſellſchaften. Der niedre Theil der Buͤrgerſchaft aber kommt unfehlbar alle Abende im Bierhauſe zuſammen, wo beim Toback manche Stunde verplaudert wird. Man hat zum An- zuͤnden der Pfeifen in dieſen, ſo wie in vielen andern Ge- genden, duͤnne lange, vermuthlich mit einem Ziehmeſſer abgezogene lange Spaͤne von Tannenholz, die leicht Feuer fangen. Alle Pfeifen aus Thon muß man aus Holland, oder von Koͤlln kommen laſſen, daher raucht man meiſt aus hoͤlzernen oder hornenen Pfeifen. Un- glaublich iſt die Menge des Biers, aber man hat es auch ſehr gut. Am oͤffentlichen Unterrichte fehlt es in Augſpurg nicht. In den 6. Kirchen, die den Prote- ſtanten gehoͤren, wird an jedem Sonntage 15. mahl und in der Woche 28. mahl gepredigt! Wenn wird man doch einmahl den wichtigen Schaden einſehen, den das taͤgli- che und uͤberfluͤſſige Predigen auf die Prediger, auf die Zuhoͤrer, und auf den Vortrag ſelber nothwendig haben muß? Artig iſt es, daß das Allmoſen beim Eingang und Ausgang der Kirche in den Klingelbeutel geſammelt, und die Unruhe, die dadurch entſteht, waͤhrend der Predigt vermieden wird. Freilich kan auf dieſe Art der, welcher ſonſt nichts geben wuͤrde, aber doch aus Schande gibt, weil er in einer Reihe andrer ſitzt, die auf ihn ſchauen, durch- kommen, ohne daß ſein Geiz durch eine andre Leidenſchaft uͤberwunden wird. Allein ganz uͤberfluͤſſig, duͤnkt mir, iſt der Meßner, oder Kuͤſter auf der Kanzel hinter dem Prediger. Dieſer Mann geht auch ſchwarzgekleidet ſorg- faͤltig mit, macht die Thuͤre auf, ſetzt ſich oben hin, und ſervirt den Prediger ordentlich, nimmt die Buͤcher weg, gibt andre her, macht ſich ein unnoͤthiges Geſchaͤft, oder
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den Vorwurf, daß ſie ungeſellig waͤren, und es iſt wahr,
ſie halten nicht einmahl unter ſich ſelber Geſellſchaften.
Der niedre Theil der Buͤrgerſchaft aber kommt unfehlbar
alle Abende im Bierhauſe zuſammen, wo beim Toback
manche Stunde verplaudert wird. Man hat zum An-
zuͤnden der Pfeifen in dieſen, ſo wie in vielen andern Ge-
genden, duͤnne lange, vermuthlich mit einem Ziehmeſſer
abgezogene lange Spaͤne von Tannenholz, die leicht
Feuer fangen. Alle Pfeifen aus Thon muß man aus
Holland, oder von Koͤlln kommen laſſen, daher raucht
man meiſt aus hoͤlzernen oder hornenen Pfeifen. Un-
glaublich iſt die Menge des Biers, aber man hat es
auch ſehr gut. Am oͤffentlichen Unterrichte fehlt es in
Augſpurg nicht. In den 6. Kirchen, die den Prote-
ſtanten gehoͤren, wird an jedem Sonntage 15. mahl und
in der Woche 28. mahl gepredigt! Wenn wird man doch
einmahl den wichtigen Schaden einſehen, den das taͤgli-
che und uͤberfluͤſſige Predigen auf die Prediger, auf die
Zuhoͤrer, und auf den Vortrag ſelber nothwendig haben
muß? Artig iſt es, daß das Allmoſen beim Eingang und
Ausgang der Kirche in den Klingelbeutel geſammelt, und
die Unruhe, die dadurch entſteht, waͤhrend der Predigt
vermieden wird. Freilich kan auf dieſe Art der, welcher ſonſt
nichts geben wuͤrde, aber doch aus Schande gibt, weil er
in einer Reihe andrer ſitzt, die auf ihn ſchauen, durch-
kommen, ohne daß ſein Geiz durch eine andre Leidenſchaft
uͤberwunden wird. Allein ganz uͤberfluͤſſig, duͤnkt mir,
iſt der Meßner, oder Kuͤſter auf der Kanzel hinter dem
Prediger. Dieſer Mann geht auch ſchwarzgekleidet ſorg-
faͤltig mit, macht die Thuͤre auf, ſetzt ſich oben hin, und
ſervirt den Prediger ordentlich, nimmt die Buͤcher weg,
gibt andre her, macht ſich ein unnoͤthiges Geſchaͤft, oder
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/60>, abgerufen am 21.11.2024.
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