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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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cke der Pholaden so neben einander geklebt, daß man
sie sehen kan; ein ganzer Ammonit aus Altorf mit al-
len Cellen, und mit Schwefelkies überzogen; das Ge-
biß der Meerigel,
oder Laterna Aristotelis, und es
sieht wirklich wie eine Laterne aus. Der Besitzer hat
von diesem schönen Werke der Natur, das ich, seitdem
ich Bastern gelesen hatte, immer zu sehen wünschte,
grosse und kleine Exemplare. Er hatte auch einige ins
Wasser gelegt, da gingen die fünf Stücke von einander.
Auch läst sich der vordere Zahn auf- und abschieben. Gar
eine künstliche Maschine und ein herrliches Zeugnis von
der Gütigkeit des Schöpfers gegen jeden Wurm in seiner
Schale. Der Anblick machte mir Freude, aber der
grosmüthige Besitzer theilte seinen Vorrath mit mir, und
ich habe daran ein schätzbares Andenken an seine Güte.

Und nun, meine Theureste, verlassen wir Schwa-
ben,
und reisen am Lech nach Bayern. Man sieht in
der Ferne bei heiterm Himmel die Tyroler Gebürge.
Auf den Wiesen machten die Leute das dritte Gras. Ge-
gen Friedberg zu reist man über die schönsten Felder.
In Adelshausen fand ich, daß Metzgersfrauen ihre
Unschlittlichter selber verfertigten, und dabei etwas zu
ersparen glaubten. Auch hat in diesen Gegenden jeder
Bauer eine eigene Fruchtputzmaschine, wodurch ein
Mann mit leichter Mühe in der Scheune den Dünkel zur
Aussaat, und die Gerste zum Bierbrauen von allem Un-
rath säubern kan.

München selbst liegt in einer Ebne, die, wenn sie
immer gebaut worden wäre, sehr fruchtbar seyn müste,
sie hat aber keine besonders schöne Avenue. Im Bau
der Häuser ist nicht viel Geschmack, einige neue Gebäude

ausge-

cke der Pholaden ſo neben einander geklebt, daß man
ſie ſehen kan; ein ganzer Ammonit aus Altorf mit al-
len Cellen, und mit Schwefelkies uͤberzogen; das Ge-
biß der Meerigel,
oder Laterna Ariſtotelis, und es
ſieht wirklich wie eine Laterne aus. Der Beſitzer hat
von dieſem ſchoͤnen Werke der Natur, das ich, ſeitdem
ich Baſtern geleſen hatte, immer zu ſehen wuͤnſchte,
groſſe und kleine Exemplare. Er hatte auch einige ins
Waſſer gelegt, da gingen die fuͤnf Stuͤcke von einander.
Auch laͤſt ſich der vordere Zahn auf- und abſchieben. Gar
eine kuͤnſtliche Maſchine und ein herrliches Zeugnis von
der Guͤtigkeit des Schoͤpfers gegen jeden Wurm in ſeiner
Schale. Der Anblick machte mir Freude, aber der
grosmuͤthige Beſitzer theilte ſeinen Vorrath mit mir, und
ich habe daran ein ſchaͤtzbares Andenken an ſeine Guͤte.

Und nun, meine Theureſte, verlaſſen wir Schwa-
ben,
und reiſen am Lech nach Bayern. Man ſieht in
der Ferne bei heiterm Himmel die Tyroler Gebuͤrge.
Auf den Wieſen machten die Leute das dritte Gras. Ge-
gen Friedberg zu reiſt man uͤber die ſchoͤnſten Felder.
In Adelshauſen fand ich, daß Metzgersfrauen ihre
Unſchlittlichter ſelber verfertigten, und dabei etwas zu
erſparen glaubten. Auch hat in dieſen Gegenden jeder
Bauer eine eigene Fruchtputzmaſchine, wodurch ein
Mann mit leichter Muͤhe in der Scheune den Duͤnkel zur
Ausſaat, und die Gerſte zum Bierbrauen von allem Un-
rath ſaͤubern kan.

Muͤnchen ſelbſt liegt in einer Ebne, die, wenn ſie
immer gebaut worden waͤre, ſehr fruchtbar ſeyn muͤſte,
ſie hat aber keine beſonders ſchoͤne Avenue. Im Bau
der Haͤuſer iſt nicht viel Geſchmack, einige neue Gebaͤude

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[36/0074] cke der Pholaden ſo neben einander geklebt, daß man ſie ſehen kan; ein ganzer Ammonit aus Altorf mit al- len Cellen, und mit Schwefelkies uͤberzogen; das Ge- biß der Meerigel, oder Laterna Ariſtotelis, und es ſieht wirklich wie eine Laterne aus. Der Beſitzer hat von dieſem ſchoͤnen Werke der Natur, das ich, ſeitdem ich Baſtern geleſen hatte, immer zu ſehen wuͤnſchte, groſſe und kleine Exemplare. Er hatte auch einige ins Waſſer gelegt, da gingen die fuͤnf Stuͤcke von einander. Auch laͤſt ſich der vordere Zahn auf- und abſchieben. Gar eine kuͤnſtliche Maſchine und ein herrliches Zeugnis von der Guͤtigkeit des Schoͤpfers gegen jeden Wurm in ſeiner Schale. Der Anblick machte mir Freude, aber der grosmuͤthige Beſitzer theilte ſeinen Vorrath mit mir, und ich habe daran ein ſchaͤtzbares Andenken an ſeine Guͤte. Und nun, meine Theureſte, verlaſſen wir Schwa- ben, und reiſen am Lech nach Bayern. Man ſieht in der Ferne bei heiterm Himmel die Tyroler Gebuͤrge. Auf den Wieſen machten die Leute das dritte Gras. Ge- gen Friedberg zu reiſt man uͤber die ſchoͤnſten Felder. In Adelshauſen fand ich, daß Metzgersfrauen ihre Unſchlittlichter ſelber verfertigten, und dabei etwas zu erſparen glaubten. Auch hat in dieſen Gegenden jeder Bauer eine eigene Fruchtputzmaſchine, wodurch ein Mann mit leichter Muͤhe in der Scheune den Duͤnkel zur Ausſaat, und die Gerſte zum Bierbrauen von allem Un- rath ſaͤubern kan. Muͤnchen ſelbſt liegt in einer Ebne, die, wenn ſie immer gebaut worden waͤre, ſehr fruchtbar ſeyn muͤſte, ſie hat aber keine beſonders ſchoͤne Avenue. Im Bau der Haͤuſer iſt nicht viel Geſchmack, einige neue Gebaͤude ausge-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/74>, abgerufen am 21.11.2024.