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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Frömmigkeit des Erlösers.
wird uns richten an jenem Tage, alle Menschen sind
nichts vor ihm, sein ist, was unter allen Himmeln ist,
Tod und Gericht entreißt uns seinem Gebiet nicht, unsre
vermoderte Knochen werden einst seine Stimme hören,
in den Wolken wird, wer weiß, wie bald? sein Richter-
stuhl gebaut werden, fühlen soll es alsdann das rasende
Geschöpf, das sich von ihm losreißt, in Ewigkeit, daß
er kein Gott ist, dem gottlos Wesen gefällt.
(Ps.
5, 1.) Nennts also nun selber, wie ihr wollt, Weisheit
oder Thorheit, Weltklugheit oder Unbesonnenheit, wagt
es im sinnlichen Taumel der Leidenschaften mit dem Ge-
danken aus der Welt zu gehen, daß ihr die Schuld auf
ihn werfen, und ihm Vorwürfe machen wollt. Unsre
ganze Natur empört sich dagegen, keine Sprache ist stark
genug, den Unverstand zu schildern, der doch leider! so
viele Menschen verblendet hat, daß sie dem Mittler nicht
zu Fuß fallen, den ihnen Gott gegeben hat. Konnte
Jesus Christus nachdrücklicher und kraftvoller, konnte er
liebreicher reden? Aber wir sehen immer nur auf Men-
schen und nicht auf das, was das klare Wort Gottes
jedem unter uns sagt. Wir übersehen die Gebote Jesu
Christi, und richten uns nach Brauch und Mode. Wenn
ein Lieblingsschriftsteller unsers Jahrhunderts, der keinen
andern Zweck hat, als seinen Witz schimmern zu lassen,
und der jezt am Himmel hinaufgehoben, und nach weni-
gen Jahren nicht mehr gelesen wird, unsre heilige Reli-
gion mit jedem andern falschen und lächerlichen Gewebe
in eine Classe setzt, als wenn gesunde Wahrheit und Af-
terweisheit Wassertropfen, oder Ringe in Einen Model
gegossen wären, die man nicht von einander unterscheiden
könnte, so stirbt auf einmal alle Liebe und Hochachtung

für

Frömmigkeit des Erlöſers.
wird uns richten an jenem Tage, alle Menſchen ſind
nichts vor ihm, ſein iſt, was unter allen Himmeln iſt,
Tod und Gericht entreißt uns ſeinem Gebiet nicht, unſre
vermoderte Knochen werden einſt ſeine Stimme hören,
in den Wolken wird, wer weiß, wie bald? ſein Richter-
ſtuhl gebaut werden, fühlen ſoll es alsdann das raſende
Geſchöpf, das ſich von ihm losreißt, in Ewigkeit, daß
er kein Gott iſt, dem gottlos Weſen gefällt.
(Pſ.
5, 1.) Nennts alſo nun ſelber, wie ihr wollt, Weisheit
oder Thorheit, Weltklugheit oder Unbeſonnenheit, wagt
es im ſinnlichen Taumel der Leidenſchaften mit dem Ge-
danken aus der Welt zu gehen, daß ihr die Schuld auf
ihn werfen, und ihm Vorwürfe machen wollt. Unſre
ganze Natur empört ſich dagegen, keine Sprache iſt ſtark
genug, den Unverſtand zu ſchildern, der doch leider! ſo
viele Menſchen verblendet hat, daß ſie dem Mittler nicht
zu Fuß fallen, den ihnen Gott gegeben hat. Konnte
Jeſus Chriſtus nachdrücklicher und kraftvoller, konnte er
liebreicher reden? Aber wir ſehen immer nur auf Men-
ſchen und nicht auf das, was das klare Wort Gottes
jedem unter uns ſagt. Wir überſehen die Gebote Jeſu
Chriſti, und richten uns nach Brauch und Mode. Wenn
ein Lieblingsſchriftſteller unſers Jahrhunderts, der keinen
andern Zweck hat, als ſeinen Witz ſchimmern zu laſſen,
und der jezt am Himmel hinaufgehoben, und nach weni-
gen Jahren nicht mehr geleſen wird, unſre heilige Reli-
gion mit jedem andern falſchen und lächerlichen Gewebe
in eine Claſſe ſetzt, als wenn geſunde Wahrheit und Af-
terweisheit Waſſertropfen, oder Ringe in Einen Model
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könnte, ſo ſtirbt auf einmal alle Liebe und Hochachtung

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[120/0126] Frömmigkeit des Erlöſers. wird uns richten an jenem Tage, alle Menſchen ſind nichts vor ihm, ſein iſt, was unter allen Himmeln iſt, Tod und Gericht entreißt uns ſeinem Gebiet nicht, unſre vermoderte Knochen werden einſt ſeine Stimme hören, in den Wolken wird, wer weiß, wie bald? ſein Richter- ſtuhl gebaut werden, fühlen ſoll es alsdann das raſende Geſchöpf, das ſich von ihm losreißt, in Ewigkeit, daß er kein Gott iſt, dem gottlos Weſen gefällt. (Pſ. 5, 1.) Nennts alſo nun ſelber, wie ihr wollt, Weisheit oder Thorheit, Weltklugheit oder Unbeſonnenheit, wagt es im ſinnlichen Taumel der Leidenſchaften mit dem Ge- danken aus der Welt zu gehen, daß ihr die Schuld auf ihn werfen, und ihm Vorwürfe machen wollt. Unſre ganze Natur empört ſich dagegen, keine Sprache iſt ſtark genug, den Unverſtand zu ſchildern, der doch leider! ſo viele Menſchen verblendet hat, daß ſie dem Mittler nicht zu Fuß fallen, den ihnen Gott gegeben hat. Konnte Jeſus Chriſtus nachdrücklicher und kraftvoller, konnte er liebreicher reden? Aber wir ſehen immer nur auf Men- ſchen und nicht auf das, was das klare Wort Gottes jedem unter uns ſagt. Wir überſehen die Gebote Jeſu Chriſti, und richten uns nach Brauch und Mode. Wenn ein Lieblingsſchriftſteller unſers Jahrhunderts, der keinen andern Zweck hat, als ſeinen Witz ſchimmern zu laſſen, und der jezt am Himmel hinaufgehoben, und nach weni- gen Jahren nicht mehr geleſen wird, unſre heilige Reli- gion mit jedem andern falſchen und lächerlichen Gewebe in eine Claſſe ſetzt, als wenn geſunde Wahrheit und Af- terweisheit Waſſertropfen, oder Ringe in Einen Model gegoſſen wären, die man nicht von einander unterſcheiden könnte, ſo ſtirbt auf einmal alle Liebe und Hochachtung für

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/126>, abgerufen am 21.11.2024.