Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschenliebe des Erlösers.
tes nichts gelte, als der Glaube, der durch Liebe
thätig sey,
(K. 5, 6.) und ist nicht alles, was die sanfte
Seele des Johannes, des Apostels der Liebe, den Chri-
sten hinterlassen hat, eine einzige Empfehlung dieser wich-
tigen Tugend? Meine Liebsten, sagt er, (1 Joh. 3, 18. 19.)
laßt uns uns lieben, aber nicht nur mit Worten,
oder mit der Zunge, sondern mit der That und
Wahrheit. Daran erkennen wir, ob wir aus
der Wahrheit,
d. h. ob wir ächte Schüler und Nach-
folger Jesu Christi sind, und können unser Herz vor
ihm stillen.
Merket auf diese beyden Zusätze. Der
Apostel beschreibt in wenigen Worten die Vortheile einer
liebreichen Seele. Der Christ, dem dies heilige Feuer
in der Brust lodert, hat daran den stärksten Beweis, daß
Wahrheit, Tugend und Rechtschaffenheit, wie sie
Jesus Christus hatte,
(Ephes. 4, 21.) durch die
Gnade Gottes in seinem Herzen gewirkt worden ist. Er
hat zugleich eine unerschöpfliche Quelle der Ruhe und
des Trostes. Wir können unser Herz vor ihm stil-
len.
O du liebenswürdiger Gesandter unsers liebevol-
len Erlösers! wie würdest du die Welt ansehen, wenn du
jezt vom Grabe wiederkommen, und durch unsre Städte
wandeln könntest! Was würdest du zu denen sagen, die
das Gute, das andre, die schon vollendet und dafür
belohnt sind, gestiftet haben, gern wieder umstoßen und
vernichten wollen? Was zu denen, die mit kalter Gleich-
gültigkeit andre neben sich schwitzen, arbeiten, seufzen
und weinen lassen, ohne zu fragen, ob sie auch Erleich-
terung, Verbesserung und Unterstützung brauchen? Was
zu denen, die bey der Austheilung ihrer Wohlthaten nicht
auf ihre Schuldigkeit, nicht auf die billigen und gerech-

ten

Menſchenliebe des Erlöſers.
tes nichts gelte, als der Glaube, der durch Liebe
thätig ſey,
(K. 5, 6.) und iſt nicht alles, was die ſanfte
Seele des Johannes, des Apoſtels der Liebe, den Chri-
ſten hinterlaſſen hat, eine einzige Empfehlung dieſer wich-
tigen Tugend? Meine Liebſten, ſagt er, (1 Joh. 3, 18. 19.)
laßt uns uns lieben, aber nicht nur mit Worten,
oder mit der Zunge, ſondern mit der That und
Wahrheit. Daran erkennen wir, ob wir aus
der Wahrheit,
d. h. ob wir ächte Schüler und Nach-
folger Jeſu Chriſti ſind, und können unſer Herz vor
ihm ſtillen.
Merket auf dieſe beyden Zuſätze. Der
Apoſtel beſchreibt in wenigen Worten die Vortheile einer
liebreichen Seele. Der Chriſt, dem dies heilige Feuer
in der Bruſt lodert, hat daran den ſtärkſten Beweis, daß
Wahrheit, Tugend und Rechtſchaffenheit, wie ſie
Jeſus Chriſtus hatte,
(Epheſ. 4, 21.) durch die
Gnade Gottes in ſeinem Herzen gewirkt worden iſt. Er
hat zugleich eine unerſchöpfliche Quelle der Ruhe und
des Troſtes. Wir können unſer Herz vor ihm ſtil-
len.
O du liebenswürdiger Geſandter unſers liebevol-
len Erlöſers! wie würdeſt du die Welt anſehen, wenn du
jezt vom Grabe wiederkommen, und durch unſre Städte
wandeln könnteſt! Was würdeſt du zu denen ſagen, die
das Gute, das andre, die ſchon vollendet und dafür
belohnt ſind, geſtiftet haben, gern wieder umſtoßen und
vernichten wollen? Was zu denen, die mit kalter Gleich-
gültigkeit andre neben ſich ſchwitzen, arbeiten, ſeufzen
und weinen laſſen, ohne zu fragen, ob ſie auch Erleich-
terung, Verbeſſerung und Unterſtützung brauchen? Was
zu denen, die bey der Austheilung ihrer Wohlthaten nicht
auf ihre Schuldigkeit, nicht auf die billigen und gerech-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="144"/><fw place="top" type="header">Men&#x017F;chenliebe des Erlö&#x017F;ers.</fw><lb/><hi rendition="#fr">tes nichts gelte, als der Glaube, der durch Liebe<lb/>
thätig &#x017F;ey,</hi> (K. 5, 6.) und i&#x017F;t nicht alles, was die &#x017F;anfte<lb/>
Seele des <hi rendition="#fr">Johannes,</hi> des Apo&#x017F;tels der Liebe, den Chri-<lb/>
&#x017F;ten hinterla&#x017F;&#x017F;en hat, eine einzige Empfehlung die&#x017F;er wich-<lb/>
tigen Tugend? <hi rendition="#fr">Meine Lieb&#x017F;ten,</hi> &#x017F;agt er, (1 Joh. 3, 18. 19.)<lb/><hi rendition="#fr">laßt uns uns lieben, aber nicht nur mit Worten,<lb/>
oder mit der Zunge, &#x017F;ondern mit der That und<lb/>
Wahrheit. Daran erkennen wir, ob wir aus<lb/>
der Wahrheit,</hi> d. h. ob wir ächte Schüler und <hi rendition="#fr">Nach-<lb/>
folger Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti &#x017F;ind, und können un&#x017F;er Herz vor<lb/>
ihm &#x017F;tillen.</hi> Merket auf die&#x017F;e beyden Zu&#x017F;ätze. Der<lb/>
Apo&#x017F;tel be&#x017F;chreibt in wenigen Worten die Vortheile einer<lb/>
liebreichen Seele. Der Chri&#x017F;t, dem dies heilige Feuer<lb/>
in der Bru&#x017F;t lodert, hat daran den &#x017F;tärk&#x017F;ten Beweis, daß<lb/><hi rendition="#fr">Wahrheit,</hi> Tugend und <hi rendition="#fr">Recht&#x017F;chaffenheit, wie &#x017F;ie<lb/>
Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus hatte,</hi> (Ephe&#x017F;. 4, 21.) durch die<lb/>
Gnade Gottes in &#x017F;einem Herzen gewirkt worden i&#x017F;t. Er<lb/>
hat zugleich eine uner&#x017F;chöpfliche Quelle der Ruhe und<lb/>
des Tro&#x017F;tes. <hi rendition="#fr">Wir können un&#x017F;er Herz vor ihm &#x017F;til-<lb/>
len.</hi> O du liebenswürdiger Ge&#x017F;andter un&#x017F;ers liebevol-<lb/>
len Erlö&#x017F;ers! wie würde&#x017F;t du die Welt an&#x017F;ehen, wenn du<lb/>
jezt vom Grabe wiederkommen, und durch un&#x017F;re Städte<lb/>
wandeln könnte&#x017F;t! Was würde&#x017F;t du zu denen &#x017F;agen, die<lb/>
das Gute, das andre, die &#x017F;chon vollendet und dafür<lb/>
belohnt &#x017F;ind, ge&#x017F;tiftet haben, gern wieder um&#x017F;toßen und<lb/>
vernichten wollen? Was zu denen, die mit kalter Gleich-<lb/>
gültigkeit andre neben &#x017F;ich &#x017F;chwitzen, arbeiten, &#x017F;eufzen<lb/>
und weinen la&#x017F;&#x017F;en, ohne zu fragen, ob &#x017F;ie auch Erleich-<lb/>
terung, Verbe&#x017F;&#x017F;erung und Unter&#x017F;tützung brauchen? Was<lb/>
zu denen, die bey der Austheilung ihrer Wohlthaten nicht<lb/>
auf ihre Schuldigkeit, nicht auf die billigen und gerech-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0150] Menſchenliebe des Erlöſers. tes nichts gelte, als der Glaube, der durch Liebe thätig ſey, (K. 5, 6.) und iſt nicht alles, was die ſanfte Seele des Johannes, des Apoſtels der Liebe, den Chri- ſten hinterlaſſen hat, eine einzige Empfehlung dieſer wich- tigen Tugend? Meine Liebſten, ſagt er, (1 Joh. 3, 18. 19.) laßt uns uns lieben, aber nicht nur mit Worten, oder mit der Zunge, ſondern mit der That und Wahrheit. Daran erkennen wir, ob wir aus der Wahrheit, d. h. ob wir ächte Schüler und Nach- folger Jeſu Chriſti ſind, und können unſer Herz vor ihm ſtillen. Merket auf dieſe beyden Zuſätze. Der Apoſtel beſchreibt in wenigen Worten die Vortheile einer liebreichen Seele. Der Chriſt, dem dies heilige Feuer in der Bruſt lodert, hat daran den ſtärkſten Beweis, daß Wahrheit, Tugend und Rechtſchaffenheit, wie ſie Jeſus Chriſtus hatte, (Epheſ. 4, 21.) durch die Gnade Gottes in ſeinem Herzen gewirkt worden iſt. Er hat zugleich eine unerſchöpfliche Quelle der Ruhe und des Troſtes. Wir können unſer Herz vor ihm ſtil- len. O du liebenswürdiger Geſandter unſers liebevol- len Erlöſers! wie würdeſt du die Welt anſehen, wenn du jezt vom Grabe wiederkommen, und durch unſre Städte wandeln könnteſt! Was würdeſt du zu denen ſagen, die das Gute, das andre, die ſchon vollendet und dafür belohnt ſind, geſtiftet haben, gern wieder umſtoßen und vernichten wollen? Was zu denen, die mit kalter Gleich- gültigkeit andre neben ſich ſchwitzen, arbeiten, ſeufzen und weinen laſſen, ohne zu fragen, ob ſie auch Erleich- terung, Verbeſſerung und Unterſtützung brauchen? Was zu denen, die bey der Austheilung ihrer Wohlthaten nicht auf ihre Schuldigkeit, nicht auf die billigen und gerech- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/150
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/150>, abgerufen am 21.11.2024.