äußersten Rand der Welt seine Hand bieten wird? Ach, erhalt in der schwellenden Brust diese heilige Ahndung, diese Hoffnung zu dir, und erfülle sie bald.
Gott! die Erde ist wonnevoll und schön, aber mein Vaterland ist sie nicht. Sterbliche sind meine Brüder, aber der Geist, der Hauch von dir, fliegt der Unsterb- lichkeit entgegen.
Milder und unerschöpflicher Gott! laß niemand un- ter uns deine Wohlthaten verkennen, oder verachten. Be- wahre uns vor dem Undank, und dem Mißbrauch, der gen Himmel schreyt. Laß auch niemanden unter uns im Jammer versinken, und an deiner Fürsorge zweifeln. Baue du selber deine Stadt unter uns; unsre Väter sind Menschen, wie wir, und geben uns doch gute Gaben -- Du, unser wahrer, ewiger Vater, gieb uns die beste Gabe, schenk uns Weisheit zum Leben, und Kraft zum Sterben.
Vor dir, o Gott, und sonst nirgends freut sich meine Seele. Zu dir steigt der verborgenste Gedanke meines Herzens hinauf, deine Güte begleitet mich durch das Le- ben, meine Tage sind in deiner Hand, du hauchst den Odem in die Brust, du nimmst ihn weg, und russt mich zum Grabe, deinen Sohn und mit ihm alle Rechte des Himmels schenkest du mir -- ach, lehre mich selber das Loblied, das dir gefallen kann.
Als dein Sohn zu deinem liebenden Vater hingehen sollte, sprach er voll Ruhe und Freude: Jch fahre auf zu meinem Gott, und zu eurem Gott, zu meinem Vater, und zu eurem Vater -- O du Gott, voll Barmherzig- keit und Gnade! laß es mir einfallen, wenn die Natur den Tod stärker, als sonst merkt, wenn das schon taubge-
wordene
Unterredungen mit Gott.
äußerſten Rand der Welt ſeine Hand bieten wird? Ach, erhalt in der ſchwellenden Bruſt dieſe heilige Ahndung, dieſe Hoffnung zu dir, und erfülle ſie bald.
Gott! die Erde iſt wonnevoll und ſchön, aber mein Vaterland iſt ſie nicht. Sterbliche ſind meine Brüder, aber der Geiſt, der Hauch von dir, fliegt der Unſterb- lichkeit entgegen.
Milder und unerſchöpflicher Gott! laß niemand un- ter uns deine Wohlthaten verkennen, oder verachten. Be- wahre uns vor dem Undank, und dem Mißbrauch, der gen Himmel ſchreyt. Laß auch niemanden unter uns im Jammer verſinken, und an deiner Fürſorge zweifeln. Baue du ſelber deine Stadt unter uns; unſre Väter ſind Menſchen, wie wir, und geben uns doch gute Gaben — Du, unſer wahrer, ewiger Vater, gieb uns die beſte Gabe, ſchenk uns Weisheit zum Leben, und Kraft zum Sterben.
Vor dir, o Gott, und ſonſt nirgends freut ſich meine Seele. Zu dir ſteigt der verborgenſte Gedanke meines Herzens hinauf, deine Güte begleitet mich durch das Le- ben, meine Tage ſind in deiner Hand, du hauchſt den Odem in die Bruſt, du nimmſt ihn weg, und ruſſt mich zum Grabe, deinen Sohn und mit ihm alle Rechte des Himmels ſchenkeſt du mir — ach, lehre mich ſelber das Loblied, das dir gefallen kann.
Als dein Sohn zu deinem liebenden Vater hingehen ſollte, ſprach er voll Ruhe und Freude: Jch fahre auf zu meinem Gott, und zu eurem Gott, zu meinem Vater, und zu eurem Vater — O du Gott, voll Barmherzig- keit und Gnade! laß es mir einfallen, wenn die Natur den Tod ſtärker, als ſonſt merkt, wenn das ſchon taubge-
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Unterredungen mit Gott.
äußerſten Rand der Welt ſeine Hand bieten wird? Ach,
erhalt in der ſchwellenden Bruſt dieſe heilige Ahndung,
dieſe Hoffnung zu dir, und erfülle ſie bald.
Gott! die Erde iſt wonnevoll und ſchön, aber mein
Vaterland iſt ſie nicht. Sterbliche ſind meine Brüder,
aber der Geiſt, der Hauch von dir, fliegt der Unſterb-
lichkeit entgegen.
Milder und unerſchöpflicher Gott! laß niemand un-
ter uns deine Wohlthaten verkennen, oder verachten. Be-
wahre uns vor dem Undank, und dem Mißbrauch, der
gen Himmel ſchreyt. Laß auch niemanden unter uns im
Jammer verſinken, und an deiner Fürſorge zweifeln.
Baue du ſelber deine Stadt unter uns; unſre Väter ſind
Menſchen, wie wir, und geben uns doch gute Gaben —
Du, unſer wahrer, ewiger Vater, gieb uns die beſte Gabe,
ſchenk uns Weisheit zum Leben, und Kraft zum Sterben.
Vor dir, o Gott, und ſonſt nirgends freut ſich meine
Seele. Zu dir ſteigt der verborgenſte Gedanke meines
Herzens hinauf, deine Güte begleitet mich durch das Le-
ben, meine Tage ſind in deiner Hand, du hauchſt den
Odem in die Bruſt, du nimmſt ihn weg, und ruſſt mich
zum Grabe, deinen Sohn und mit ihm alle Rechte des
Himmels ſchenkeſt du mir — ach, lehre mich ſelber das
Loblied, das dir gefallen kann.
Als dein Sohn zu deinem liebenden Vater hingehen
ſollte, ſprach er voll Ruhe und Freude: Jch fahre auf zu
meinem Gott, und zu eurem Gott, zu meinem Vater,
und zu eurem Vater — O du Gott, voll Barmherzig-
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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/48>, abgerufen am 15.06.2024.
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