Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Von der wahren Größe Jesu Christi. des andern Verlust, genug erlangen kann. Der Dich-ter klagt mit Recht über sein verblendetes Geschlecht: "Stets liegt uns mehr daran, uns glänzend, als glück- &q;lich zu machen." Erhebt euch also über die gewöhnliche Art zu urthei- walt.
Von der wahren Größe Jeſu Chriſti. des andern Verluſt, genug erlangen kann. Der Dich-ter klagt mit Recht über ſein verblendetes Geſchlecht: „Stets liegt uns mehr daran, uns glänzend, als glück- &q;lich zu machen.“ Erhebt euch alſo über die gewöhnliche Art zu urthei- walt.
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Von der wahren Größe Jeſu Chriſti.
des andern Verluſt, genug erlangen kann. Der Dich-
ter klagt mit Recht über ſein verblendetes Geſchlecht:
„Stets liegt uns mehr daran, uns glänzend, als glück-
&q;lich zu machen.“
Erhebt euch alſo über die gewöhnliche Art zu urthei-
len. Sehet mehr auf die Geſinnung, mit der Jeſus
in der Welt herumgieng, als auf die Pracht, mit der er
hätte erſcheinen ſollen. Sehet mehr auf ſein Betragen
gegen Gott, als auf den Spott, der ihn begleitete. Unſer
Erlöſer war zwar im niedrigen Stande, aber in ſeinem
ganzen Betragen war nichts Verächtliches. Er hatte
keine weiche Lebensart, weil er meiſtens auf dem Land
lebte, wo man damals der Natur mehr, als jezt, folgte.
Er kleidete ſich als ein Lehrer; aber jedermann ſah, daß
er dadurch nicht glänzen, andre neben ſich nicht beſchä-
men, nicht verdunkeln wollte. Er genoß die einfachſten,
die natürlichſten Speiſen, die Land und Jahrszeit brach-
ten; aber er floh nicht nur jede Schwelgerey und Un-
mäßigkeit, er duldete auch die Verſchwendung nicht,
lebte mäßig und ſparſam. Wenn man gar zu klein von
ihm dachte, wenn man bey den vielen falſchen Urtheilen,
die er immer über ſich ergehen laſſen mußte, beynahe nicht
wußte, was man von ihm denken ſollte; wenn ſeine höchſte
Klugheit glaubte, daß die Beſtätigung ſeiner Würde ein
Wunder fordere, und daß alle Umſtände dazu günſtig
ſeyen; wenn ſelber ſeine Jünger irre und ungewiß wur-
den; wenn durch ſeine Langmuth und Sanftmuth der
Frevel der Läſtrer gereizt, und die Zunge ſeiner Feinde
ganz unbändig wurde: dann ſetzte er ſich ſchnell auf den
Thron der Natur, und herrſchte mit unumſchränkter Ge-
walt.
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