Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült. zur Tugend aufmuntern, gegen den Schmerz waffnen,im Elend besänstigen, die Thränen trocknen, und dem Tod seine Schrecken nehmen kann, als die Religion des Erlösers. Und doch breitet sich jezt Geringschätzung, Verachtung, Jndifferentisterey, und praktischer Un- glaube immer mehr aus, und die gistigen Einflüsse ver- vielfältigen sich immer mehr. Wüßten wir einen andern Weg zur Ruhe und Zufriedenheit, wir würden nicht immer unsre Religion zur Bewunderung aufstellen Wahrlich, die sichtbaren Vortheile, die die Lehrer der. protestantischen Kirche auf Akademien, auf Schulen, und in den Kirchen davon genießen, sind so groß nicht, daß wir jenen Glauben um unsers eigenen Nutzens wil- len nicht fahren lassen könnten*). Aber die Geschichte aller Zeiten und aller Völker hat es gelehrt, die hellsten, die weitsehendsten Köpfe haben es bestätigt, und die Feinde der Religion haben es zum Theil selber nicht läug- nen können, daß die Lehre Jesu Christi die größten, die dauer- *) Die Welt hat jezt an der Geschichte des großen Gottes-
gelehrten, Herrn Semler in Halle, einen traurigen Be- weis, wie wenig oft die größten litterarischen Verdienste von den Zeitgenossen erkannt und geschätzt werden. Ein ganzes Heer von Männern, die alle zusammengenommen vielleicht die Wissenschaft, den Fleiß, die Arbeitsamkeit dieses Mannes nicht haben, hat sich seit vielen Jahren gegen ihn erhoben, und junge Leute von ihm, und seinem Unterricht abzuziehen gesucht, als wenn er ein geschwor- ner Feind des Christenthums wäre! Er, der es doch sei- nen Zuhörern bey aller Gelegenheit mit weit mehr Eiser, Wärme, und Würde predigt, als der große Hausen der Schreyer, und Tadler! Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. zur Tugend aufmuntern, gegen den Schmerz waffnen,im Elend beſänſtigen, die Thränen trocknen, und dem Tod ſeine Schrecken nehmen kann, als die Religion des Erlöſers. Und doch breitet ſich jezt Geringſchätzung, Verachtung, Jndifferentiſterey, und praktiſcher Un- glaube immer mehr aus, und die giſtigen Einflüſſe ver- vielfältigen ſich immer mehr. Wüßten wir einen andern Weg zur Ruhe und Zufriedenheit, wir würden nicht immer unſre Religion zur Bewunderung aufſtellen Wahrlich, die ſichtbaren Vortheile, die die Lehrer der. proteſtantiſchen Kirche auf Akademien, auf Schulen, und in den Kirchen davon genießen, ſind ſo groß nicht, daß wir jenen Glauben um unſers eigenen Nutzens wil- len nicht fahren laſſen könnten*). Aber die Geſchichte aller Zeiten und aller Völker hat es gelehrt, die hellſten, die weitſehendſten Köpfe haben es beſtätigt, und die Feinde der Religion haben es zum Theil ſelber nicht läug- nen können, daß die Lehre Jeſu Chriſti die größten, die dauer- *) Die Welt hat jezt an der Geſchichte des großen Gottes-
gelehrten, Herrn Semler in Halle, einen traurigen Be- weis, wie wenig oft die größten litterariſchen Verdienſte von den Zeitgenoſſen erkannt und geſchätzt werden. Ein ganzes Heer von Männern, die alle zuſammengenommen vielleicht die Wiſſenſchaft, den Fleiß, die Arbeitſamkeit dieſes Mannes nicht haben, hat ſich ſeit vielen Jahren gegen ihn erhoben, und junge Leute von ihm, und ſeinem Unterricht abzuziehen geſucht, als wenn er ein geſchwor- ner Feind des Chriſtenthums wäre! Er, der es doch ſei- nen Zuhörern bey aller Gelegenheit mit weit mehr Eiſer, Wärme, und Würde predigt, als der große Hauſen der Schreyer, und Tadler! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0069" n="63"/><fw place="top" type="header">Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.</fw><lb/> zur Tugend aufmuntern, gegen den Schmerz waffnen,<lb/> im Elend beſänſtigen, die Thränen trocknen, und dem<lb/> Tod ſeine Schrecken nehmen kann, als die Religion des<lb/> Erlöſers. Und doch breitet ſich jezt Geringſchätzung,<lb/> Verachtung, Jndifferentiſterey, und praktiſcher Un-<lb/> glaube immer mehr aus, und die giſtigen Einflüſſe ver-<lb/> vielfältigen ſich immer mehr. Wüßten wir einen andern<lb/> Weg zur Ruhe und Zufriedenheit, wir würden nicht<lb/> immer unſre Religion zur Bewunderung aufſtellen<lb/> Wahrlich, die ſichtbaren Vortheile, die die Lehrer der.<lb/> proteſtantiſchen Kirche auf Akademien, auf Schulen,<lb/> und in den Kirchen davon genießen, ſind ſo groß nicht,<lb/> daß wir jenen Glauben um unſers eigenen Nutzens wil-<lb/> len nicht fahren laſſen könnten<note place="foot" n="*)">Die Welt hat jezt an der Geſchichte des großen Gottes-<lb/> gelehrten, Herrn <hi rendition="#fr">Semler</hi> in Halle, einen traurigen Be-<lb/> weis, wie wenig oft die größten litterariſchen Verdienſte<lb/> von den Zeitgenoſſen erkannt und geſchätzt werden. Ein<lb/> ganzes Heer von Männern, die alle zuſammengenommen<lb/> vielleicht die Wiſſenſchaft, den Fleiß, die Arbeitſamkeit<lb/> dieſes Mannes nicht haben, hat ſich ſeit vielen Jahren<lb/> gegen ihn erhoben, und junge Leute von ihm, und ſeinem<lb/> Unterricht abzuziehen geſucht, als wenn er ein geſchwor-<lb/> ner Feind des Chriſtenthums wäre! Er, der es doch ſei-<lb/> nen Zuhörern bey aller Gelegenheit mit weit mehr Eiſer,<lb/> Wärme, und Würde predigt, als der große Hauſen der<lb/> Schreyer, und Tadler!</note>. Aber die Geſchichte<lb/> aller Zeiten und aller Völker hat es gelehrt, die hellſten,<lb/> die weitſehendſten Köpfe haben es beſtätigt, und die<lb/> Feinde der Religion haben es zum Theil ſelber nicht läug-<lb/> nen können, daß die Lehre Jeſu Chriſti die größten, die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dauer-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0069]
Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.
zur Tugend aufmuntern, gegen den Schmerz waffnen,
im Elend beſänſtigen, die Thränen trocknen, und dem
Tod ſeine Schrecken nehmen kann, als die Religion des
Erlöſers. Und doch breitet ſich jezt Geringſchätzung,
Verachtung, Jndifferentiſterey, und praktiſcher Un-
glaube immer mehr aus, und die giſtigen Einflüſſe ver-
vielfältigen ſich immer mehr. Wüßten wir einen andern
Weg zur Ruhe und Zufriedenheit, wir würden nicht
immer unſre Religion zur Bewunderung aufſtellen
Wahrlich, die ſichtbaren Vortheile, die die Lehrer der.
proteſtantiſchen Kirche auf Akademien, auf Schulen,
und in den Kirchen davon genießen, ſind ſo groß nicht,
daß wir jenen Glauben um unſers eigenen Nutzens wil-
len nicht fahren laſſen könnten *). Aber die Geſchichte
aller Zeiten und aller Völker hat es gelehrt, die hellſten,
die weitſehendſten Köpfe haben es beſtätigt, und die
Feinde der Religion haben es zum Theil ſelber nicht läug-
nen können, daß die Lehre Jeſu Chriſti die größten, die
dauer-
*) Die Welt hat jezt an der Geſchichte des großen Gottes-
gelehrten, Herrn Semler in Halle, einen traurigen Be-
weis, wie wenig oft die größten litterariſchen Verdienſte
von den Zeitgenoſſen erkannt und geſchätzt werden. Ein
ganzes Heer von Männern, die alle zuſammengenommen
vielleicht die Wiſſenſchaft, den Fleiß, die Arbeitſamkeit
dieſes Mannes nicht haben, hat ſich ſeit vielen Jahren
gegen ihn erhoben, und junge Leute von ihm, und ſeinem
Unterricht abzuziehen geſucht, als wenn er ein geſchwor-
ner Feind des Chriſtenthums wäre! Er, der es doch ſei-
nen Zuhörern bey aller Gelegenheit mit weit mehr Eiſer,
Wärme, und Würde predigt, als der große Hauſen der
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