Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.
Sie müssen lärmende, wilde, sündliche Vergnügungen
haben, wenn sich ihre Seele laben soll. Und, wenn sie
sie haben, so sind sie doch nicht zufrieden. Betäuben
können diese wohl, aber den Verdruß, das Leere, die Lan-
geweile, den Ekel über sich selber, über seine ganze Lage,
über andre Menschen können sie nicht vertreiben. Glück-
lich ist der, der es durch sich selbst ist, der gern mit sich
umgeht, und in diesem Umgang das Spiel der Men-
schen verschmähen kann, der nicht viel von der Erde
braucht, um sich selber zu ergötzen, der es für ein sehr
ungewisses Gut ansieht, von der Gunst veränderlicher
Menschen abzuhängen. Nur die Erinnerung an ein
schönes tugendhaftes Leben kann uns allein in allen Vor-
fallenheiten des Lebens stärken, trösten, ermuntern. Das
Bewußtseyn, daß man alle Tage an die Ewigkeit denke,
und jeden Tag für die Ewigkeit lebe, sich bewußt seyn,
daß man ein ruhiges von allen Befleckungen und Vor-
würfen reines Gewissen von Jugend auf vor Gott und
Menschen zu erhalten redlich bemüht gewesen, dies allein
giebt dem Geist Ruhe, im Glück Weisheit und Vorsich-
tigkeit, in trüben Tagen Heiterkeit, bey der Undankbar-
keit und Mißkenntniß unsrer Vorzüge Gelassenheit, im
Leiden Geduld, in Krankheiten Unterwerfung, beym Ab-
sterben unsrer besten Freunde Stärke, bey allen Aussich-
ten muthvolles Vertrauen auf Gott, und im Tode Stand-
haftigkeit! aber mit beständiger Bitterkeit füllt die
Gleichgültigkeit gegen die Religion unsre Tage an. Da
leben wir immer ohne den frohen Gedanken der Ewig-
keit, ohne Hoffnung auf Belohnung, und werden viel-
leicht unvermuthet überfallen. Ach, es muß erschrecklich
seyn zu sterben ohne ein christliches Herz! Wenn uns

Gott
F 3

Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.
Sie müſſen lärmende, wilde, ſündliche Vergnügungen
haben, wenn ſich ihre Seele laben ſoll. Und, wenn ſie
ſie haben, ſo ſind ſie doch nicht zufrieden. Betäuben
können dieſe wohl, aber den Verdruß, das Leere, die Lan-
geweile, den Ekel über ſich ſelber, über ſeine ganze Lage,
über andre Menſchen können ſie nicht vertreiben. Glück-
lich iſt der, der es durch ſich ſelbſt iſt, der gern mit ſich
umgeht, und in dieſem Umgang das Spiel der Men-
ſchen verſchmähen kann, der nicht viel von der Erde
braucht, um ſich ſelber zu ergötzen, der es für ein ſehr
ungewiſſes Gut anſieht, von der Gunſt veränderlicher
Menſchen abzuhängen. Nur die Erinnerung an ein
ſchönes tugendhaftes Leben kann uns allein in allen Vor-
fallenheiten des Lebens ſtärken, tröſten, ermuntern. Das
Bewußtſeyn, daß man alle Tage an die Ewigkeit denke,
und jeden Tag für die Ewigkeit lebe, ſich bewußt ſeyn,
daß man ein ruhiges von allen Befleckungen und Vor-
würfen reines Gewiſſen von Jugend auf vor Gott und
Menſchen zu erhalten redlich bemüht geweſen, dies allein
giebt dem Geiſt Ruhe, im Glück Weisheit und Vorſich-
tigkeit, in trüben Tagen Heiterkeit, bey der Undankbar-
keit und Mißkenntniß unſrer Vorzüge Gelaſſenheit, im
Leiden Geduld, in Krankheiten Unterwerfung, beym Ab-
ſterben unſrer beſten Freunde Stärke, bey allen Ausſich-
ten muthvolles Vertrauen auf Gott, und im Tode Stand-
haftigkeit! aber mit beſtändiger Bitterkeit füllt die
Gleichgültigkeit gegen die Religion unſre Tage an. Da
leben wir immer ohne den frohen Gedanken der Ewig-
keit, ohne Hoffnung auf Belohnung, und werden viel-
leicht unvermuthet überfallen. Ach, es muß erſchrecklich
ſeyn zu ſterben ohne ein chriſtliches Herz! Wenn uns

Gott
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="85"/><fw place="top" type="header">Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.</fw><lb/>
Sie mü&#x017F;&#x017F;en lärmende, wilde, &#x017F;ündliche Vergnügungen<lb/>
haben, wenn &#x017F;ich ihre Seele laben &#x017F;oll. Und, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ie haben, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie doch nicht zufrieden. Betäuben<lb/>
können die&#x017F;e wohl, aber den Verdruß, das Leere, die Lan-<lb/>
geweile, den Ekel über &#x017F;ich &#x017F;elber, über &#x017F;eine ganze Lage,<lb/>
über andre Men&#x017F;chen können &#x017F;ie nicht vertreiben. Glück-<lb/>
lich i&#x017F;t der, der es durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, der gern mit &#x017F;ich<lb/>
umgeht, und in die&#x017F;em Umgang das Spiel der Men-<lb/>
&#x017F;chen ver&#x017F;chmähen kann, der nicht viel von der Erde<lb/>
braucht, um &#x017F;ich &#x017F;elber zu ergötzen, der es für ein &#x017F;ehr<lb/>
ungewi&#x017F;&#x017F;es Gut an&#x017F;ieht, von der Gun&#x017F;t veränderlicher<lb/>
Men&#x017F;chen abzuhängen. Nur die Erinnerung an ein<lb/>
&#x017F;chönes tugendhaftes Leben kann uns allein in allen Vor-<lb/>
fallenheiten des Lebens &#x017F;tärken, trö&#x017F;ten, ermuntern. Das<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn, daß man alle Tage an die Ewigkeit denke,<lb/>
und jeden Tag für die Ewigkeit lebe, &#x017F;ich bewußt &#x017F;eyn,<lb/>
daß man ein ruhiges von allen Befleckungen und Vor-<lb/>
würfen reines Gewi&#x017F;&#x017F;en von Jugend auf vor Gott und<lb/>
Men&#x017F;chen zu erhalten redlich bemüht gewe&#x017F;en, dies allein<lb/>
giebt dem Gei&#x017F;t Ruhe, im Glück Weisheit und Vor&#x017F;ich-<lb/>
tigkeit, in trüben Tagen Heiterkeit, bey der Undankbar-<lb/>
keit und Mißkenntniß un&#x017F;rer Vorzüge Gela&#x017F;&#x017F;enheit, im<lb/>
Leiden Geduld, in Krankheiten Unterwerfung, beym Ab-<lb/>
&#x017F;terben un&#x017F;rer be&#x017F;ten Freunde Stärke, bey allen Aus&#x017F;ich-<lb/>
ten muthvolles Vertrauen auf Gott, und im Tode Stand-<lb/>
haftigkeit! aber mit be&#x017F;tändiger Bitterkeit füllt die<lb/>
Gleichgültigkeit gegen die Religion un&#x017F;re Tage an. Da<lb/>
leben wir immer ohne den frohen Gedanken der Ewig-<lb/>
keit, ohne Hoffnung auf Belohnung, und werden viel-<lb/>
leicht unvermuthet überfallen. Ach, es muß er&#x017F;chrecklich<lb/>
&#x017F;eyn zu &#x017F;terben ohne ein chri&#x017F;tliches Herz! Wenn uns<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Gott</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] Ueble Folgen der Gleichgültigkeit. Sie müſſen lärmende, wilde, ſündliche Vergnügungen haben, wenn ſich ihre Seele laben ſoll. Und, wenn ſie ſie haben, ſo ſind ſie doch nicht zufrieden. Betäuben können dieſe wohl, aber den Verdruß, das Leere, die Lan- geweile, den Ekel über ſich ſelber, über ſeine ganze Lage, über andre Menſchen können ſie nicht vertreiben. Glück- lich iſt der, der es durch ſich ſelbſt iſt, der gern mit ſich umgeht, und in dieſem Umgang das Spiel der Men- ſchen verſchmähen kann, der nicht viel von der Erde braucht, um ſich ſelber zu ergötzen, der es für ein ſehr ungewiſſes Gut anſieht, von der Gunſt veränderlicher Menſchen abzuhängen. Nur die Erinnerung an ein ſchönes tugendhaftes Leben kann uns allein in allen Vor- fallenheiten des Lebens ſtärken, tröſten, ermuntern. Das Bewußtſeyn, daß man alle Tage an die Ewigkeit denke, und jeden Tag für die Ewigkeit lebe, ſich bewußt ſeyn, daß man ein ruhiges von allen Befleckungen und Vor- würfen reines Gewiſſen von Jugend auf vor Gott und Menſchen zu erhalten redlich bemüht geweſen, dies allein giebt dem Geiſt Ruhe, im Glück Weisheit und Vorſich- tigkeit, in trüben Tagen Heiterkeit, bey der Undankbar- keit und Mißkenntniß unſrer Vorzüge Gelaſſenheit, im Leiden Geduld, in Krankheiten Unterwerfung, beym Ab- ſterben unſrer beſten Freunde Stärke, bey allen Ausſich- ten muthvolles Vertrauen auf Gott, und im Tode Stand- haftigkeit! aber mit beſtändiger Bitterkeit füllt die Gleichgültigkeit gegen die Religion unſre Tage an. Da leben wir immer ohne den frohen Gedanken der Ewig- keit, ohne Hoffnung auf Belohnung, und werden viel- leicht unvermuthet überfallen. Ach, es muß erſchrecklich ſeyn zu ſterben ohne ein chriſtliches Herz! Wenn uns Gott F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/91
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/91>, abgerufen am 21.11.2024.