Sanders, Daniel: Brief an Adele Glaßbrenner. Altstrelitz, 24. September 1890Meine verehrte, liebe, gute Freundin, Wir haben lange einander nicht geschrieben. Täuscht mich mein Gedächtnis nicht, so war die Reihe des Schreibens an Ihnen; aber sicher weiß ich, daß vorigen Winter unser gemeinsamer Freund Richard Schmidt-Cabanis in meinem Auftrage bei Ihnen war, um sich nach Ihrem Ergehen zu erkundigen und Ihnen die herzlichsten und innigsten Grüße von der "Strelitzer Glaßbrennerei" zu überbringen und daß wir in seiner Antwort einen Brief von Ihnen in sichere Aussicht stellten. Wir haben darauf bisher mit sehnsüchtigem Verlangen gewartet, doch immer vergebens. Es soll das kein Vorwurf für Sie sein; da ich weiß aus eigener Erfahrung, wie leicht man, trotz lebhaftesten Gedenkens und trotz des bestens Vorsatzes zu schreiben, doch das Schreiben von ei- nem Tage zum andern aufschieben und schließlich unterlassen kann, weil es an einem besondern Anstoß fehlt, so daß man sich, weil man eben nichts Besonderes zu schreiben hat, miht "Gedankenbriefen" - so nenne ich die ungeschrieben gebliebenen - begnügt. Lassen Sie mich offen gestehen, daß auch ich vielleicht nicht zu diesem Briefe oder
Meine verehrte, liebe, gute Freundin, Wir haben lange einander nicht geschrieben. Täuscht mich mein Gedächtnis nicht, so war die Reihe des Schreibens an Ihnen; aber sicher weiß ich, daß vorigen Winter unser gemeinsamer Freund Richard Schmidt-Cabanis in meinem Auftrage bei Ihnen war, um sich nach Ihrem Ergehen zu erkundigen und Ihnen die herzlichsten und iñigsten Grüße von der „Strelitzer Glaßbreñerei“ zu überbringen und daß wir in seiner Antwort einen Brief von Ihnen in sichere Aussicht stellten. Wir haben darauf bisher mit sehnsüchtigem Verlangen gewartet, doch im̃er vergebens. Es soll das kein Vorwurf für Sie sein; da ich weiß aus eigener Erfahrung, wie leicht man, trotz lebhaftesten Gedenkens und trotz des bestens Vorsatzes zu schreiben, doch das Schreiben von ei- nem Tage zum andern aufschieben und schließlich unterlassen kann, weil es an einem besondern Anstoß fehlt, so daß man sich, weil man eben nichts Besonderes zu schreiben hat, miht „Gedankenbriefen“ – so neñe ich die ungeschrieben gebliebenen – begnügt. Lassen Sie mich offen gestehen, daß auch ich vielleicht nicht zu diesem Briefe oder
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Meine verehrte, liebe, gute Freundin, Wir haben lange einander nicht geschrieben. Täuscht mich mein Gedächtnis nicht, so war die Reihe des Schreibens an Ihnen; aber sicher weiß ich, daß vorigen Winter unser gemeinsamer Freund Richard Schmidt-Cabanis in meinem Auftrage bei Ihnen war, um sich nach Ihrem Ergehen zu erkundigen und Ihnen die herzlichsten und iñigsten Grüße von der „Strelitzer Glaßbreñerei“ zu überbringen und daß wir in seiner Antwort einen Brief von Ihnen in sichere Aussicht stellten. Wir haben darauf bisher mit sehnsüchtigem Verlangen gewartet, doch im̃er vergebens. Es soll das kein Vorwurf für Sie sein; da ich weiß aus eigener Erfahrung, wie leicht man, trotz lebhaftesten Gedenkens und trotz des bestens Vorsatzes zu schreiben, doch das Schreiben von ei- nem Tage zum andern aufschieben und schließlich unterlassen kann, weil es an einem besondern Anstoß fehlt, so daß man sich, weil man eben nichts Besonderes zu schreiben hat, mit „Gedankenbriefen“ – so neñe ich die ungeschrieben gebliebenen – begnügt. Lassen Sie mich offen gestehen, daß auch ich vielleicht nicht zu diesem Briefe
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