Sanders, Daniel: Brief an Berthold Auerbach. Altstrelitz, 24. Dezember 1869.Höchst verehrter Freund. Mit Verwunderng und mit aufrichtigem Bedauern ersehe Fabel
Höchst verehrter Freund. Mit Verwunderng und mit aufrichtigem Bedauern ersehe Fabel
<TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="[1r]"/> <body> <div type="letter" n="1"> <opener> <salute>Höchst verehrter Freund.</salute> </opener><lb/> <space dim="vertical"/> <p>Mit Verwunderng und mit aufrichtigem Bedauern ersehe<lb/> ich aus Ihrem Briefe vom 22<supplied>.</supplied> <choice><abbr>dM.</abbr><expan>des Monats</expan></choice>, daß ich Ihnen als ein umge<supplied>-</supplied><lb/> kehrter Bileam erschien, dessen beabsichtigter Segen sich in das Gegentheil<lb/> verwandelt <choice><sic>habe</sic><corr>hat</corr></choice>. Nun will ich Ihnen freilich gern zugestehen, daß<lb/> ich bei knapper Muße und in dem engen Raum einer Feuilleton-<lb/> Besprechung nicht im Stande gewes<del rendition="#ow">s</del>en bin, einem so bedeutsamen<lb/> Werke wie Ihrem letzten Roman<note type="editorial"><bibl>Auerbach, Berthold: Das Landhaus am Rhein. Stuttgart 1869.</bibl><ref target="https://archive.org/details/bub_gb_71g6AAAAcAAJ"> Erster Band online verfügbar: Internet Archive abgerufen am 26.02.2019.</ref></note> nach allen Seiten hin vollgerecht<lb/> zu werden, zumal ich Ihrem Wunsche gemäß auch auf Ihre früheren<lb/> Erzeugnisse Rücksicht zu nehmen gesucht habe. Aber ich sollte doch<lb/> denken, daß ich den Hauptpunkt nachdrücklich und warm genug her-<lb/> vorgehoben habe. Als solcher erscheint mir nämlich, daß Sie in Ihrem<lb/> Werke die höchsten Fragen, welche die heutige Zeit bewegen, zur<lb/> Sprache gebracht und zugleich durch eine glücklich erfundene<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Fabel</fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [[1r]/0001]
Höchst verehrter Freund.
Mit Verwunderng und mit aufrichtigem Bedauern ersehe
ich aus Ihrem Briefe vom 22. dM., daß ich Ihnen als ein umge-
kehrter Bileam erschien, dessen beabsichtigter Segen sich in das Gegentheil
verwandelt hat. Nun will ich Ihnen freilich gern zugestehen, daß
ich bei knapper Muße und in dem engen Raum einer Feuilleton-
Besprechung nicht im Stande gewesen bin, einem so bedeutsamen
Werke wie Ihrem letzten Roman nach allen Seiten hin vollgerecht
zu werden, zumal ich Ihrem Wunsche gemäß auch auf Ihre früheren
Erzeugnisse Rücksicht zu nehmen gesucht habe. Aber ich sollte doch
denken, daß ich den Hauptpunkt nachdrücklich und warm genug her-
vorgehoben habe. Als solcher erscheint mir nämlich, daß Sie in Ihrem
Werke die höchsten Fragen, welche die heutige Zeit bewegen, zur
Sprache gebracht und zugleich durch eine glücklich erfundene
Fabel
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