Sanders, Daniel: Brief an Adele Glaßbrenner. Warnemünde, im August 1849.Warnemünde den ten August 1849. Man soll Gespenster nicht heraufbeschwören, Zu leicht nur werden unsern Ruf sie stören. So haben wir mit unbedachtem Worte Gelockt herauf sie aus der dunkeln Pforte. Zumal ein Kobold friedlich mir gesonnen, Hat also schlimmen Spuck für mich ersonnen. Von meiner unbedachten Red erwecket Hat er sich in ein Wort von mir verstecket Und hat's entstellt, gekränkt Dich und verstimmt, Daß Du, die huldvoll Schöne, bist ergrimmet, Daß Du umsonst mit Deines Geistes Leuchte Gesucht die guten Laune, die verscheuchte. - Und was die gute Laune Dir verscheuchte Umgaukelte mein Aug', das thränenfeuchte, Ein bös Gespenst, und wankte nicht von hinnen Und ließ mich Ruhe nicht die Nacht gewinnen. Statt Schlummer - Kummer auf dem Augenliede, Vielfach gesuchet, floh mich Ruh' und Friede. Wie könnte Ruh' auch in die Brust wohl kommen, Aus der Du ein gespenstisch Wort vernommen?! Das Dir die Laune hat gestört, der Süßen, Wie ließe sich solch schlimmes Wort je büßen?! Ich weiß zu gut: solch frevelhaft Erkühnen, - Durch Reu und Buße nicht ist es zu sühnen. Denn wie die alten weisen Dichter sagen: "Hätt'st Du dich tausend Fehler anzuklagen, Mit einer Blume nur zu schlagen. Ein Frauenbild nicht sollst Du wagen!" - Mein einziger Trost nur ist, daß Du erkennst, Daß ich es nicht war, sondern ein Gespenst: Denn ich, wie könnt' ich jemals etwas denken, Ein holdes Frauenbild, wie Dich zu kränken?! [NL Glaßbrenner S 326] Warnemünde den ⎡ten August 1849. Man soll Gespenster nicht heraufbeschwören, Zu leicht nur werden unsern Ruf sie stören. So haben wir mit unbedachtem Worte Gelockt herauf sie aus der dunkeln Pforte. Zumal ein Kobold friedlich mir gesoñen, Hat also schlim̃en Spuck für mich ersonnen. Von meiner unbedachten Red erwecket Hat er sich in ein Wort von mir verstecket Und hat‘s entstellt, gekränkt Dich und verstim̃t, Daß Du, die huldvoll Schöne, bist ergrimmet, Daß Du umsonst mit Deines Geistes Leuchte Gesucht die guten Laune, die verscheuchte. – Und was die gute Laune Dir verscheuchte Umgaukelte mein Aug‘, das thränenfeuchte, Ein bös Gespenst, und wankte nicht von hiñen Und ließ mich Ruhe nicht die Nacht gewiñen. Statt Schlummer – Kummer auf dem Augenliede, Vielfach gesuchet, floh mich Ruh‘ und Friede. Wie könnte Ruh‘ auch in die Brust wohl kom̃en, Aus der Du ein gespenstisch Wort vernom̃en?! Das Dir die Laune hat gestört, der Süßen, Wie ließe sich solch schlim̃es Wort je büßen?! Ich weiß zu gut: solch frevelhaft Erkühnen, – Durch Reu und Buße nicht ist es zu sühnen. Denn wie die alten weisen Dichter sagen: „Hätt‘st Du dich tausend Fehler anzuklagen, Mit einer Blume nur zu schlagen. Ein Frauenbild nicht sollst Du wagen!“ – Mein einziger Trost nur ist, daß Du erkennst, Daß ich es nicht war, sondern ein Gespenst: Denn ich, wie könnt‘ ich jemals etwas denken, Ein holdes Frauenbild, wie Dich zu kränken?! [NL Glaßbrenner S 326] <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0001" n="[1r]"/> <div type="letter" n="1"> <dateline> <hi rendition="#right"><placeName ref="http://www.geonames.org/2814055">Warnemünde</placeName> den <metamark><space dim="vertical" unit="chars" quantity="2"/></metamark><hi rendition="#sup">ten</hi> August 1849.</hi> </dateline><lb/> <space dim="vertical"/><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Man soll Gespenster nicht heraufbeschwören,</l><lb/> <l>Zu leicht nur werden unsern Ruf sie stören.</l><lb/> <l>So haben wir mit unbedachtem Worte</l><lb/> <l>Gelockt herauf sie aus der dunkeln Pforte.</l><lb/> <l>Zumal ein Kobold friedlich mir gesoñen,</l><lb/> <l>Hat also schlim̃en Spuck für mich ersonnen.</l><lb/> <l>Von meiner unbedachten Red erwecket</l><lb/> <l>Hat er sich in ein Wort von mir verstecket</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und hat‘s entstellt, gekränkt Dich und verstim̃t,</l><lb/> <l>Daß Du, die huldvoll Schöne, bist ergrimmet,</l><lb/> <l>Daß Du umsonst mit Deines Geistes Leuchte</l><lb/> <l>Gesucht die guten Laune, die verscheuchte. –</l><lb/> <l>Und was die gute Laune Dir verscheuchte</l><lb/> <l>Umgaukelte mein Aug‘, das thränenfeuchte,</l><lb/> <l>Ein bös Gespenst, und wankte nicht von hiñen</l><lb/> <l>Und ließ mich Ruhe nicht die Nacht gewiñen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Statt Schlummer – Kummer auf dem Augenliede,</l><lb/> <l>Vielfach gesuchet, floh mich Ruh‘ und Friede.</l><lb/> <l>Wie könnte Ruh‘ auch in die Brust wohl kom̃en,</l><lb/> <l>Aus der Du ein gespenstisch Wort vernom̃en?!</l><lb/> <l>Das Dir die Laune hat gestört, der Süßen,</l><lb/> <l>Wie ließe sich solch schlim̃es Wort je büßen?!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ich weiß zu gut: solch frevelhaft Erkühnen, –</l><lb/> <l>Durch Reu und Buße nicht ist es zu sühnen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Denn wie die alten weisen Dichter sagen:</l><lb/> <l>„Hätt‘st Du dich tausend Fehler anzuklagen,</l><lb/> <l>Mit einer Blume nur zu schlagen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ein Frauenbild nicht sollst Du wagen!“ –</l><lb/> <l>Mein einziger Trost nur ist, daß Du erkennst,</l><lb/> <l>Daß ich es nicht war, sondern ein Gespenst:</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Denn ich, wie könnt‘ ich jemals etwas denken,</l><lb/> <l>Ein holdes Frauenbild, wie Dich zu kränken?!</l> </lg> </lg><lb/> <closer rendition="#et"> <salute>Zur Eriñerung an <placeName>Warnemünde</placeName><lb/> und den „am 29ten angekom̃enen“<lb/></salute> <signed> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119242044">Daniel Sanders</persName> </signed><lb/> </closer> <space dim="vertical"/> <note place="mBottom">[NL Glaßbrenner S 326]</note> </div> </body> </text> </TEI> [[1r]/0001]
Warnemünde den ten August 1849.
Man soll Gespenster nicht heraufbeschwören,
Zu leicht nur werden unsern Ruf sie stören.
So haben wir mit unbedachtem Worte
Gelockt herauf sie aus der dunkeln Pforte.
Zumal ein Kobold friedlich mir gesoñen,
Hat also schlim̃en Spuck für mich ersonnen.
Von meiner unbedachten Red erwecket
Hat er sich in ein Wort von mir verstecket
Und hat‘s entstellt, gekränkt Dich und verstim̃t,
Daß Du, die huldvoll Schöne, bist ergrimmet,
Daß Du umsonst mit Deines Geistes Leuchte
Gesucht die guten Laune, die verscheuchte. –
Und was die gute Laune Dir verscheuchte
Umgaukelte mein Aug‘, das thränenfeuchte,
Ein bös Gespenst, und wankte nicht von hiñen
Und ließ mich Ruhe nicht die Nacht gewiñen.
Statt Schlummer – Kummer auf dem Augenliede,
Vielfach gesuchet, floh mich Ruh‘ und Friede.
Wie könnte Ruh‘ auch in die Brust wohl kom̃en,
Aus der Du ein gespenstisch Wort vernom̃en?!
Das Dir die Laune hat gestört, der Süßen,
Wie ließe sich solch schlim̃es Wort je büßen?!
Ich weiß zu gut: solch frevelhaft Erkühnen, –
Durch Reu und Buße nicht ist es zu sühnen.
Denn wie die alten weisen Dichter sagen:
„Hätt‘st Du dich tausend Fehler anzuklagen,
Mit einer Blume nur zu schlagen.
Ein Frauenbild nicht sollst Du wagen!“ –
Mein einziger Trost nur ist, daß Du erkennst,
Daß ich es nicht war, sondern ein Gespenst:
Denn ich, wie könnt‘ ich jemals etwas denken,
Ein holdes Frauenbild, wie Dich zu kränken?!
Zur Eriñerung an Warnemünde
und den „am 29ten angekom̃enen“
Daniel Sanders
[NL Glaßbrenner S 326]
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(2017-11-07T14:03:54Z)
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