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Sanders, Daniel: Brief an Adolf Glaßbrenner. Strelitz, 24. Februar 1871.

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Lieber
Bruder
.



Seit längerer Zeit bin ich Dir einen Brief schuldig und bin haupt[-]
sächlich nicht dazu gekommen, ihn Dir zu schreiben, weil ich gern einen inhalts-
vollen schicken wollte und davon durch körperliches Mißbefinden, das
- wie du wohl weißt - oft störender ist als wirkliche Krankheit, und allerlei
störsame Kleinigkeiten und verstimmend Kleinigkeit verhindert wurde.
Länger will ich nun aber doch das Schreiben nicht aufschieben, wenn ich freilich gleich
voraussehe, dass ich dir nun ein Lebenszeichen gebe, nicht einen wirk[-]
lichen Brief schreiben kann; aber lieber will ich doch "Nichts" als "nicht" schrei-
ben.

Augenblicklich beschäftigen uns hier die Wahlen. Ich habe alle
Hände voll zu thun, um die flaue Stimmung der Freisinnigeren anzufachen
und ich weiß doch nicht, ob bei den großen Anstrengungen, welche
die Gegenpartei diesmal macht, und bei dem mächtigen Einfluss, den sie
auf ihre Abhängigen zu üben im Stande ist, Pogge diesmal durch zu brin-
gen sein wird. Doch hoffen wir es. Vorigen Sonntag hatten wir in Neubrandenburg
eine Zusammenkunft, in der es namentlich den Rostocker Freunden darauf
ankam, die hier von liberaler Seite in Aussicht genommene Kandidatur
Drechsler's zu zerschlagen, was ihnen auch gelungen, da Pogge sich
durch die Rücksicht, jeden Parteizwiespalt zu vermeiden hat bewegen
lassen, die erst defintiv abgelehnte Kandidatur doch anzunehmen.
Ich theile Dir vieles mit, nicht als könnten Dich diese mecklenburgischen Einzelheiten

Lieber
Bruder
.



Seit längerer Zeit bin ich Dir einen Brief schuldig und bin haupt[-]
sächlich nicht dazu gekommen, ihn Dir zu schreiben, weil ich gern einen inhalts-
vollen schicken wollte und davon durch körperliches Mißbefinden, das
– wie du wohl weißt – oft störender ist als wirkliche Krankheit, und allerlei
störsame Kleinigkeiten und verstimmend Kleinigkeit verhindert wurde.
Länger will ich nun aber doch das Schreiben nicht aufschieben, wenn ich freilich gleich
voraussehe, dass ich dir nun ein Lebenszeichen gebe, nicht einen wirk[-]
lichen Brief schreiben kann; aber lieber will ich doch „Nichts“ als „nicht“ schrei-
ben.

Augenblicklich beschäftigen uns hier die Wahlen. Ich habe alle
Hände voll zu thun, um die flaue Stimmung der Freisiñigeren anzufachen
und ich weiß doch nicht, ob bei den großen Anstrengungen, welche
die Gegenpartei diesmal macht, und bei dem mächtigen Einfluss, den sie
auf ihre Abhängigen zu üben im Stande ist, Pogge diesmal durch zu brin-
gen sein wird. Doch hoffen wir es. Vorigen Sonntag hatten wir in Neubrandenburg
eine Zusammenkunft, in der es namentlich den Rostocker Freunden darauf
ankam, die hier von liberaler Seite in Aussicht genom̃ene Kandidatur
Drechsler's zu zerschlagen, was ihnen auch gelungen, da Pogge sich
durch die Rücksicht, jeden Parteizwiespalt zu vermeiden hat bewegen
lassen, die erst defintiv abgelehnte Kandidatur doch anzunehmen.
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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Adolf Glaßbrenner. Strelitz, 24. Februar 1871, S. [1r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_glassbrenner_1871/1>, abgerufen am 28.03.2024.