Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sanders, Daniel: Brief an Wilhelm Scherer. Altstrelitz, 13. Mai 1876.

Bild:
erste Seite
Höchst geehrter Herr Professor.


Meine Aufsätze in Nr. 16. und 18 der "Gegenwart" Ihnen zuzusenden habe
ich für überflüssig erachtet, da Ihnen dieselben jedenfalls auch ohnehin
zu Gesicht gekommen sein werden. Dagegen erlaube ich mir, Sie auf
No 20 der "Blätter für litterarische Unterhaltung" aufmerksam zu machen,
da ich nicht weiß, ob Ihnen ohnedies mein Aufsatz bekannt werden
würde. Leider habe ich keinen Abdruck, den ich Ihnen zusenden könnte.

Daß der Unterrichtsminister sich die Mehrheitsbeschlüsse unserer
Versammlung nicht angeeignet hat, scheint namentlich unseren Kollege
Duden aus dem Häuschen gebracht zu haben. Seine "Zukunftsortho-
graphie" wird hoffentlich von Ihrer Seite der verdienten Abfer-
tigung nicht entgehen. Sollte der Mann wirklich keine Ahnung davon
haben, daß das deutsche Volk in seiner Gesammtheit eine Berechti-
gung hat, sich nicht durch die Mehrheitsbeschlüsse unserer Versammlung
vergewaltigen zu lassen? Sollte er wirklich nicht einsehen, daß selbst
von seinem einseitigen phonetischen Standpunkt aus eine Schreibweise wie
zb. Fals statt Fahls eine Verschlechterung statt eine Verbesserung der
Orthographie ist und daß man sogenannte Erleichterungen für die
Schreibenden doch nimmermehr durch Erschwerungen für die Lesenden - sowohl
in Bezug auf die Aussprache wie auf das Verständnis - verkaufen darf?
Über die Art und Weise, womit er die Frage der Rechtschreibung
auf das Gebiet der politischen Parteien hinüberzuschieben sucht, will ich
Nichts sagen. Sie ist gar zu plump.


Ich
Höchst geehrter Herr Professor.


Meine Aufsätze in Nr. 16. und 18 der „Gegenwart“ Ihnen zuzusenden habe
ich für überflüssig erachtet, da Ihnen dieselben jedenfalls auch ohnehin
zu Gesicht gekom̃en sein werden. Dagegen erlaube ich mir, Sie auf
No 20 der „Blätter für litterarische Unterhaltung“ aufmerksam zu machen,
da ich nicht weiß, ob Ihnen ohnedies mein Aufsatz bekañt werden
würde. Leider habe ich keinen Abdruck, den ich Ihnen zusenden könnte.

Daß der Unterrichtsminister sich die Mehrheitsbeschlüsse unserer
Versam̃lung nicht angeeignet hat, scheint namentlich unseren Kollege
Duden aus dem Häuschen gebracht zu haben. Seine „Zukunftsortho-
graphie“ wird hoffentlich von Ihrer Seite der verdienten Abfer-
tigung nicht entgehen. Sollte der Mañ wirklich keine Ahnung davon
haben, daß das deutsche Volk in seiner Gesam̃theit eine Berechti-
gung hat, sich nicht durch die Mehrheitsbeschlüsse unserer Versam̃lung
vergewaltigen zu lassen? Sollte er wirklich nicht einsehen, daß selbst
von seinem einseitigen phonetischen Standpunkt aus eine Schreibweise wie
zb. Fals statt Fahls eine Verschlechterung statt eine Verbesserung der
Orthographie ist und daß man sogenañte Erleichterungen für die
Schreibenden doch nim̃ermehr durch Erschwerungen für die Lesenden – sowohl
in Bezug auf die Aussprache wie auf das Verständnis – verkaufen darf?
Über die Art und Weise, womit er die Frage der Rechtschreibung
auf das Gebiet der politischen Parteien hinüberzuschieben sucht, will ich
Nichts sagen. Sie ist gar zu plump.


Ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0001" n="[1r]"/>
      <div type="letter" n="1">
        <opener rendition="#et">
          <salute>Höchst geehrter Herr Professor.</salute>
        </opener><lb/>
        <space dim="vertical"/>
        <p>   Meine Aufsätze in <hi rendition="#aq">Nr. 16.</hi> <choice><abbr>u</abbr><expan>und</expan></choice> <hi rendition="#aq">18</hi> der &#x201E;<bibl>Gegenwart</bibl>&#x201C; Ihnen zuzusenden habe<lb/>
ich für überflüssig erachtet, da Ihnen dieselben jedenfalls auch ohnehin<lb/>
zu Gesicht gekom&#x0303;en sein werden. Dagegen erlaube ich mir, Sie auf<lb/><hi rendition="#aq">No 20</hi> der &#x201E;<bibl>Blätter für litterarische Unterhaltung</bibl>&#x201C; aufmerksam zu machen,<lb/>
da ich nicht weiß, ob Ihnen ohnedies mein Aufsatz bekan&#x0303;t werden<lb/>
würde. Leider habe ich keinen Abdruck, den ich Ihnen zusenden könnte.</p><lb/>
        <p> Daß der <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116314338">Unterrichtsminister</persName> sich die Mehrheitsbeschlüsse unserer<lb/>
Versam&#x0303;lung nicht angeeignet hat, scheint namentlich unseren Kollege<lb/><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118527754">Duden</persName></hi> aus dem Häuschen gebracht zu haben. Seine &#x201E;Zukunftsortho-<lb/>
graphie&#x201C; wird hoffentlich von Ihrer Seite der verdienten Abfer-<lb/>
tigung nicht entgehen. Sollte der Man&#x0303; wirklich keine Ahnung davon<lb/>
haben, daß das deutsche Volk in seiner Gesam&#x0303;theit eine Berechti-<lb/>
gung hat, sich nicht durch die Mehrheitsbeschlüsse unserer Versam&#x0303;lung<lb/>
vergewaltigen zu lassen? Sollte er wirklich nicht einsehen, daß selbst<lb/>
von seinem einseitigen phonetischen Standpunkt aus eine Schreibweise wie<lb/>
zb. <hi rendition="#u">Fals</hi> statt <hi rendition="#u">Fahls</hi> eine Verschlechterung statt eine Verbesserung der<lb/>
Orthographie ist und daß man sogenan&#x0303;te Erleichterungen für die<lb/><unclear reason="illegible" cert="high">Schreibenden</unclear> doch nim&#x0303;ermehr durch Erschwerungen für die Lesenden &#x2013; sowohl<lb/>
in Bezug auf die Aussprache wie auf das Verständnis &#x2013; verkaufen darf?<lb/>
Über die Art und Weise, womit er die Frage der Rechtschreibung<lb/>
auf das Gebiet der politischen Parteien hinüberzuschieben sucht, will ich<lb/>
Nichts sagen. Sie ist gar zu plump.<lb/></p>
        <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1r]/0001] Höchst geehrter Herr Professor. Meine Aufsätze in Nr. 16. u 18 der „Gegenwart“ Ihnen zuzusenden habe ich für überflüssig erachtet, da Ihnen dieselben jedenfalls auch ohnehin zu Gesicht gekom̃en sein werden. Dagegen erlaube ich mir, Sie auf No 20 der „Blätter für litterarische Unterhaltung“ aufmerksam zu machen, da ich nicht weiß, ob Ihnen ohnedies mein Aufsatz bekañt werden würde. Leider habe ich keinen Abdruck, den ich Ihnen zusenden könnte. Daß der Unterrichtsminister sich die Mehrheitsbeschlüsse unserer Versam̃lung nicht angeeignet hat, scheint namentlich unseren Kollege Duden aus dem Häuschen gebracht zu haben. Seine „Zukunftsortho- graphie“ wird hoffentlich von Ihrer Seite der verdienten Abfer- tigung nicht entgehen. Sollte der Mañ wirklich keine Ahnung davon haben, daß das deutsche Volk in seiner Gesam̃theit eine Berechti- gung hat, sich nicht durch die Mehrheitsbeschlüsse unserer Versam̃lung vergewaltigen zu lassen? Sollte er wirklich nicht einsehen, daß selbst von seinem einseitigen phonetischen Standpunkt aus eine Schreibweise wie zb. Fals statt Fahls eine Verschlechterung statt eine Verbesserung der Orthographie ist und daß man sogenañte Erleichterungen für die Schreibenden doch nim̃ermehr durch Erschwerungen für die Lesenden – sowohl in Bezug auf die Aussprache wie auf das Verständnis – verkaufen darf? Über die Art und Weise, womit er die Frage der Rechtschreibung auf das Gebiet der politischen Parteien hinüberzuschieben sucht, will ich Nichts sagen. Sie ist gar zu plump. Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sebastian Göttel: Herausgeber.
Sebastian Göttel: Transkription und TEI-Textannotation.
Christian Thomas: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition. (2017-11-06T15:02:54Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Abweichend davon wurden langes s (ſ) als 's', I/J als Lautwert und Vokale mit übergestelltem e als ä/ö/ü transkribiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_scherer5_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_scherer5_1876/1
Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Wilhelm Scherer. Altstrelitz, 13. Mai 1876, S. [1r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_scherer5_1876/1>, abgerufen am 21.11.2024.