Sanders, Daniel: Brief an Unbekannt. Altstrelitz, 27. Juni 1891.Höchst verehrter Herr, Freilich hätte ich nicht erst heute durch die Zeitung daran gemahnt Höchst verehrter Herr, Freilich hätte ich nicht erst heute durch die Zeitung daran gemahnt <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1r"/> <body> <div type="letter" n="1"> <opener> <salute>Höchst verehrter Herr,</salute> </opener><lb/> <space dim="vertical"/> <p>Freilich hätte ich nicht erst heute durch die Zeitung daran gemahnt<lb/> werden sollen, daß Sie gestern Ihren sechzigsten Geburtstag gefeiert;<lb/> aber ich kann die Thatsache doch einmal nicht ungeschehen machen;<lb/> und vielleicht entschuldigt mich, das ich mich durchaus nicht rechtfer-<lb/> tigen kann und will, bei Ihnen, der sich mir seit langer, langer<lb/> Zeit von den Tagen des „Bazar“<note type="editorial"><bibl>Der Bazar. Illustrirte Damen-Zeitung. Herausgegeben von Bazar-A.G. Berlin 1855-1937.</bibl></note> und des „Salon“<note type="editorial"><bibl>Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft. Herausgegeben von Ernst Dohm und Julius Rodenberg, Franz Hirsch, Hermann Tischler und Albert Henry Payne. Berlin 1867-1890.</bibl></note> her im̃er als ein so<lb/> gütig, nachsichtig und liebevoll Urtheilender bewiesen und dieser sei-<lb/> ner Gesiñung auch noch bei meinem Eintritt in die Siebziger so herzlichen<lb/> und erfreulichen Ausdruck gegeben, – vielleicht, sage ich, entschuldigt mich<lb/> gerade bei Ihnen außer dem rückhaltslosen Geständnis: <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="lat">Pater peccavi!</foreign></hi><lb/> meine Arbeitslast, die fast an Überbürdung grenzt. Die Gegenwart und<lb/> ihre Arbeit nim̃t mich Tag für Tag so in Anspruch, daß ich bei dem besten<lb/> Willen der Vergangenheit und der Zukunft nicht voll gerecht werden<lb/> kann und so manchen werthen und theuren Gedächtnistag versäumt habe und<lb/> – voraussichtlich auch noch künftig versäumen werde, auf gütige und nach-<lb/> sichtige Berücksichtigung der Umstände rechnend.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1r/0001]
Höchst verehrter Herr,
Freilich hätte ich nicht erst heute durch die Zeitung daran gemahnt
werden sollen, daß Sie gestern Ihren sechzigsten Geburtstag gefeiert;
aber ich kann die Thatsache doch einmal nicht ungeschehen machen;
und vielleicht entschuldigt mich, das ich mich durchaus nicht rechtfer-
tigen kann und will, bei Ihnen, der sich mir seit langer, langer
Zeit von den Tagen des „Bazar“ und des „Salon“ her im̃er als ein so
gütig, nachsichtig und liebevoll Urtheilender bewiesen und dieser sei-
ner Gesiñung auch noch bei meinem Eintritt in die Siebziger so herzlichen
und erfreulichen Ausdruck gegeben, – vielleicht, sage ich, entschuldigt mich
gerade bei Ihnen außer dem rückhaltslosen Geständnis: Pater peccavi!
meine Arbeitslast, die fast an Überbürdung grenzt. Die Gegenwart und
ihre Arbeit nim̃t mich Tag für Tag so in Anspruch, daß ich bei dem besten
Willen der Vergangenheit und der Zukunft nicht voll gerecht werden
kann und so manchen werthen und theuren Gedächtnistag versäumt habe und
– voraussichtlich auch noch künftig versäumen werde, auf gütige und nach-
sichtige Berücksichtigung der Umstände rechnend.
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Zitationshilfe: | Sanders, Daniel: Brief an Unbekannt. Altstrelitz, 27. Juni 1891, S. 1r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_unbekannt_1891/1>, abgerufen am 16.07.2024. |