Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Mal mir deutlich erkennbar durch ernsten Willen
errungene Fortschritt kam mir auch ferner für mein
ganzes Leben zu Gute. Ich hatte zum ersten Mal
nicht bloß begriffen, sondern auch an mir selbst er-
probt, dass der Mensch, was er seinen Fähigkeiten
gemäß ernstlich will, auch wirklich kann und wie viel
ein solcher ernstlicher Wille und, ihm entsprechend, un-
verrückt aufs Ziel blickende, stetig und unverdrossen
schrittweise vorrückende Arbeit vermag.

Von einem Lehrfach muss ich nun noch beson-
ders sprechen, von der Mathematik. Es herrschte da-
mals -- und herrscht vielleicht noch -- bei den Schü-
lern und auch bei einem großen Theil der Lehrer die
Ansicht, es bedürfe für dieses Fach einer ganz beson-
deren eigengearteten Anlage und, wem diese einmal
von der Natur versagt sei, Der komme auch bei an-
gestrengtem Fleiße darin niemals recht vorwärts. Nach
meiner Überzeugung war es eben diese fast als ein
keines Beweises bedürfender Grundsatz geltende An-
sicht, welche in der That viele durchaus begabte
Schüler verhinderte, sich in den ersten Anfängen
gründlich und lückenlos zu befestigen, um dann auf
der so gewonnenen festen Grundlage schritt- und
stufenweise sicher immer weiter fortbauen zu können,
was freilich bei dieser aus folgerechten Schlüssen und

Mal mir deutlich erkennbar durch ernſten Willen
errungene Fortſchritt kam mir auch ferner für mein
ganzes Leben zu Gute. Ich hatte zum erſten Mal
nicht bloß begriffen, ſondern auch an mir ſelbſt er-
probt, daſs der Menſch, was er ſeinen Fähigkeiten
gemäß ernſtlich will, auch wirklich kann und wie viel
ein ſolcher ernſtlicher Wille und, ihm entſprechend, un-
verrückt aufs Ziel blickende, ſtetig und unverdroſſen
ſchrittweiſe vorrückende Arbeit vermag.

Von einem Lehrfach muſs ich nun noch beſon-
ders ſprechen, von der Mathematik. Es herrſchte da-
mals — und herrſcht vielleicht noch — bei den Schü-
lern und auch bei einem großen Theil der Lehrer die
Anſicht, es bedürfe für dieſes Fach einer ganz beſon-
deren eigengearteten Anlage und, wem dieſe einmal
von der Natur verſagt ſei, Der komme auch bei an-
geſtrengtem Fleiße darin niemals recht vorwärts. Nach
meiner Überzeugung war es eben dieſe faſt als ein
keines Beweiſes bedürfender Grundſatz geltende An-
ſicht, welche in der That viele durchaus begabte
Schüler verhinderte, ſich in den erſten Anfängen
gründlich und lückenlos zu befeſtigen, um dann auf
der ſo gewonnenen feſten Grundlage ſchritt- und
ſtufenweiſe ſicher immer weiter fortbauen zu können,
was freilich bei dieſer aus folgerechten Schlüſſen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="10"/>
Mal mir deutlich erkennbar durch ern&#x017F;ten Willen<lb/>
errungene Fort&#x017F;chritt kam mir auch ferner für mein<lb/>
ganzes Leben zu Gute. Ich hatte zum er&#x017F;ten Mal<lb/>
nicht bloß begriffen, &#x017F;ondern auch an mir &#x017F;elb&#x017F;t er-<lb/>
probt, da&#x017F;s der Men&#x017F;ch, was er &#x017F;einen Fähigkeiten<lb/>
gemäß ern&#x017F;tlich will, auch wirklich kann und wie viel<lb/>
ein &#x017F;olcher ern&#x017F;tlicher Wille und, ihm ent&#x017F;prechend, un-<lb/>
verrückt aufs Ziel blickende, &#x017F;tetig und unverdro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chrittwei&#x017F;e vorrückende Arbeit vermag.</p><lb/>
        <p>Von einem Lehrfach mu&#x017F;s ich nun noch be&#x017F;on-<lb/>
ders &#x017F;prechen, von der Mathematik. Es herr&#x017F;chte da-<lb/>
mals &#x2014; und herr&#x017F;cht vielleicht noch &#x2014; bei den Schü-<lb/>
lern und auch bei einem großen Theil der Lehrer die<lb/>
An&#x017F;icht, es bedürfe für die&#x017F;es Fach einer ganz be&#x017F;on-<lb/>
deren eigengearteten Anlage und, wem die&#x017F;e einmal<lb/>
von der Natur ver&#x017F;agt &#x017F;ei, Der komme auch bei an-<lb/>
ge&#x017F;trengtem Fleiße darin niemals recht vorwärts. Nach<lb/>
meiner Überzeugung war es eben die&#x017F;e fa&#x017F;t als ein<lb/>
keines Bewei&#x017F;es bedürfender Grund&#x017F;atz geltende An-<lb/>
&#x017F;icht, welche in der That viele durchaus begabte<lb/>
Schüler verhinderte, &#x017F;ich in den er&#x017F;ten Anfängen<lb/>
gründlich und lückenlos zu befe&#x017F;tigen, um dann auf<lb/>
der &#x017F;o gewonnenen fe&#x017F;ten Grundlage &#x017F;chritt- und<lb/>
&#x017F;tufenwei&#x017F;e &#x017F;icher immer weiter fortbauen zu können,<lb/>
was freilich bei die&#x017F;er aus folgerechten Schlü&#x017F;&#x017F;en und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0038] Mal mir deutlich erkennbar durch ernſten Willen errungene Fortſchritt kam mir auch ferner für mein ganzes Leben zu Gute. Ich hatte zum erſten Mal nicht bloß begriffen, ſondern auch an mir ſelbſt er- probt, daſs der Menſch, was er ſeinen Fähigkeiten gemäß ernſtlich will, auch wirklich kann und wie viel ein ſolcher ernſtlicher Wille und, ihm entſprechend, un- verrückt aufs Ziel blickende, ſtetig und unverdroſſen ſchrittweiſe vorrückende Arbeit vermag. Von einem Lehrfach muſs ich nun noch beſon- ders ſprechen, von der Mathematik. Es herrſchte da- mals — und herrſcht vielleicht noch — bei den Schü- lern und auch bei einem großen Theil der Lehrer die Anſicht, es bedürfe für dieſes Fach einer ganz beſon- deren eigengearteten Anlage und, wem dieſe einmal von der Natur verſagt ſei, Der komme auch bei an- geſtrengtem Fleiße darin niemals recht vorwärts. Nach meiner Überzeugung war es eben dieſe faſt als ein keines Beweiſes bedürfender Grundſatz geltende An- ſicht, welche in der That viele durchaus begabte Schüler verhinderte, ſich in den erſten Anfängen gründlich und lückenlos zu befeſtigen, um dann auf der ſo gewonnenen feſten Grundlage ſchritt- und ſtufenweiſe ſicher immer weiter fortbauen zu können, was freilich bei dieſer aus folgerechten Schlüſſen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/38
Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/38>, abgerufen am 23.11.2024.