Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] nakend oder bekleidet: weil diese Stucke/ indem sie unbeweglich und ohne Leben fäst stehen/ dem Scholarn die Lernung leichter machen/ welches er bey den lebendigen Bildern/ die sich immer bewegen/ und verkehren/ nicht zu hoffen hat. Wann man nun/ in solchem nachzeichnen/ durch viele Ubung/ eine gute practic und Gewonheit/ auch sichere Hände/ erworben/ mag man zur Abzeichnung hernach zu Abzeichnung der lebendigen Dinge schreiten; der lebendigen Dinge schreiten/ und darinn mit ämsigem Fleiß und Aufsicht sich so lang üben/ bis man eine nach den Regeln wolgegründete sichere Natürlichkeit erwerbe. Hierzu ist allerdings nötig/ die Besuchung der Academien/ da man/ in worzu die Academien dienen. Gesellschaft anderer/ von einem wolgestellten Subject, und lebendigen Modell, unterschiedliche Stellungen absihet: und ist dieses der allerbäste Weg/ zur Wissenschaft der äuserlichen Anatomie, Maß und proportion des Menschen gründlich zu gelangen. Solche Dinge/ die der Natur zum ähnlichsten/ können dem durch langen Fleiß abgematteten Künstler/ seine Mühwaltung/ mit Ehre und Gewinn wieder vergelten/ als wordurch Hand und Verstand zu einer sonderbaren gratia, Lebhaftigkeit und Leichte angewöhnet wird. Man glaube sicherlich/ daß diese practic, welche man durch viel Jahre mit sonderbarem Fleiß erworben/ sey das wahre Liecht zur Zeichnung/ und das Mittel eines Künstlers/ sich berühmt und ansehnlich zu machen. Wann der Mahler sein Stuck/ mit gesunder Wie das lichte und dunkle mit guter Ordnung zu temperiren/ und die Gemälde zu rundiren. Vernunft/ in der Mitte hell/ und an den äusersten Theilen/ auch im Grund/ dunkel machet/ gibt es eine gebrochene/ nicht zuviel liechte/ noch zuviel dunkele/ mittelmäßige Fläche/ dadurch die gezogene Striche schön/ rund und erhaben erscheinen. Es ist zwar wahr/ daß diese drey Felder nicht genug seyen/ alle kleinste und geringste Dinge herfür zu bringen: darum dann notwendig ist/ daß man alle diese Theile/ nämlich das zuviel-dunkle/ und das zuviel-liechte Feld/ jedes wieder in zwey Theile absondere/ und also aus dem zuviel-liechten ein neues minder-liechtes/ aus dem sehr-dunklen aber ein weniger-dunkles herfür komme. Wann man nun also/ durch die Farbe/ dem mittlern und äusersten Ort seine Gebühr des Liechts und der Helle/ dem Grund aber die Dunkle zueignet: wird man/ durch Vereinigung und Wettspielung dieser drey Felder zuwege bringen/ daß die Zeichnung rund und erhebt/ und zwar anfänglich hell/ alsdann nach und nach dunkler erscheine/ also daß wir nach und nach das pur-schwarze überkommen werden. Nach diesem mischet man die Farben/ welche/ wann man mit Oel oder mit Gummi- und anderm Wasser a Tempera oder in fresco mahlen will/ an ihre besondere Orte müßen angelegt werden: und solche gründen den Carton oder eine andere Zeichnung/ so zu diesem Werk bereitet worden. Von der reflexion oder dem Widerschein. Die reflexion oder der Widerschein/ welcher das zweyte Liecht ist/ hat diese Art und Eigenschaft. Gleichwie das erste Liecht von oben ab/ auf das Bild/ Figur/ oder einen andern Cörper/ niederwarts scheinet/ und dasselbe auf einer Seite beleuchtet/ wordurch hingegen gemeldter Cörper auf der andern Seite finster beschattet wird: also wird das allernächste Liecht alda/ welches ingemein von [Spaltenumbruch] dem oben-einfallendem erst-besagten Liecht entstanden/ nach des Liechts habender quantitet/ den Schatten in etwas zurücke beleuchten. Hierbey ist nun zu beobachten/ daß alle reflexionen ganz contrari gegen das erste Liecht zurücke gehen oder leuchten. Wann nun diese allgemeine Regel in gerechter Maß observirt wird/ wie in allem billich seyn soll/ so erfolget dardurch die wahre Erhebung/ rundirung und Vertieffung/ allerdings nach art und eigenschaft deren Cörper/ als ob es an ihm selbst erhoben oder rund wäre: da hingegen/ wo solches nicht regulier in acht genommen wird/ alles platt und niederträchtig bleibet/ wordurch des Werkmeisters Schwachheit sich mehr als zuviel offenbaret. Die Zeichnung soll und mus mit sonderbarer Die Zeichnung mus vernünftig erfunden/ auch wol abgetheilet und gestellet seyn Vernunft/ rarer invention, abtheilung und stellung/ als an welcher allermeist gelegen/ gemacht seyn: damit alle Theile/ zu vergnügung eines vernünftigen Auges/ wol übereinstimmen/ und nicht hier alles/ dort wenig oder gar nichts/ ohne Urtheil oder Verstand/ herfür komme. Solche schöne Ordnung oder häßliche Unordnung/ entspringet von wol- oder übel-gefasster Zeichen-Kunst/ entweder nach denen gehabten Modellen/ oder nach den vorgenommenen lebendigen Bildnusen: und Von was/ die gute Zeichnung/ ihren Ursprung nehme. kan die Zeichen-Kunst keinen guten Anfang haben/ wann sich der Scholar nicht eifrig beflissen/ natürliche und lebhafte Dinge abzuzeichnen/ und nach gut-gemahlten Stucken von belobten Meistern/ oder nach antichen Statuen und erhobnen Bildern/ wie schon oft gesagt worden/ zu formiren. Wann der Mahler eine gute Erfahrung und practica erlanget/ und seine Hand etwas ringfärtig und geschickt gemacht/ alsdann soll er dieselbe an natürliche Dinge legen/ und sich aufs höchste befleißen/ damit obigs jedes zum genauesten beobachtet werde/ und alles mit der Natur völlig einstimme. Die Natürlichkeit macht die Mahlerey vollkommen.Dann die Natürlichkeit/ macht den Künstler groß/ excellent, ruhmreich und gepriesen. Es ist nicht fast mühsam/ nur eine schöne Adelich-herrliche Bildnis entwerfen. Aber einen wilden abscheulichen und furchtsamen Faunum und Satyrum, oder anders dergleichen plumpes/ also natürlich nachmahlen/ daß man leben und mahlen nicht wol unterscheiden kan/ das macht lobwürdig/ und zeuget von der Vollkommenheit. Also ist nun die Kunst zu zeichnen/ die man auf solche Weise durch vieljährige Ubung erlanget/ der unfehlbare Weg/ große progressen in dieser Kunst zu machen. Diese mus man/ an nackenden/ Es ist über alles am bästen und nutzlichsten/ wann man an nakenden/ so wol Manns- als Weibspersonen/ auch Kindern/ im zeichnen/ wie vorgemeldt/ sich geübt und erfahren machet/ und solche ihm fest in das Gedächtnis drucket/ auch die Musculen/ Adern und Rippen/ den Ruckgrad/ die Füße/ Arme und Kniescheiben wol in acht nimmet: damit er solche/ auch ohne Idea und Exemplar/ natürlich zu gestalten wisse. Hierzu wird auch verhülflich seyn/ daß man ausgearbeitete zerlegte oder auch aus anatomirten/ Leibern studiren. anatomirte Leiber sehe oder gesehen habe: um zu wissen/ wie ein jedes Bein zwischen Haut und Nerven/ Fleisch und Musculen/ daran stehe/ und nachmals mit mehrer Sicherheit/ ohne Fehler/ solche nachzumachen. Dann die jenigen/ so solches wissen/ [Spaltenumbruch] nakend oder bekleidet: weil diese Stucke/ indem sie unbeweglich und ohne Leben fäst stehen/ dem Scholarn die Lernung leichter machen/ welches er bey den lebendigen Bildern/ die sich immer bewegen/ und verkehren/ nicht zu hoffen hat. Wann man nun/ in solchem nachzeichnen/ durch viele Ubung/ eine gute practic und Gewonheit/ auch sichere Hände/ erworben/ mag man zur Abzeichnung hernach zu Abzeichnung der lebendigen Dinge schreiten; der lebendigen Dinge schreiten/ und darinn mit ämsigem Fleiß und Aufsicht sich so lang üben/ bis man eine nach den Regeln wolgegründete sichere Natürlichkeit erwerbe. Hierzu ist allerdings nötig/ die Besuchung der Academien/ da man/ in worzu die Academien dienen. Gesellschaft anderer/ von einem wolgestellten Subject, und lebendigen Modell, unterschiedliche Stellungen absihet: und ist dieses der allerbäste Weg/ zur Wissenschaft der äuserlichen Anatomie, Maß und proportion des Menschen gründlich zu gelangen. Solche Dinge/ die der Natur zum ähnlichsten/ können dem durch langen Fleiß abgematteten Künstler/ seine Mühwaltung/ mit Ehre und Gewinn wieder vergelten/ als wordurch Hand und Verstand zu einer sonderbaren gratia, Lebhaftigkeit und Leichte angewöhnet wird. Man glaube sicherlich/ daß diese practic, welche man durch viel Jahre mit sonderbarem Fleiß erworben/ sey das wahre Liecht zur Zeichnung/ und das Mittel eines Künstlers/ sich berühmt und ansehnlich zu machen. Wann der Mahler sein Stuck/ mit gesunder Wie das lichte und dunkle mit guter Ordnung zu temperiren/ und die Gemälde zu rundiren. Vernunft/ in der Mitte hell/ und an den äusersten Theilen/ auch im Grund/ dunkel machet/ gibt es eine gebrochene/ nicht zuviel liechte/ noch zuviel dunkele/ mittelmäßige Fläche/ dadurch die gezogene Striche schön/ rund und erhaben erscheinen. Es ist zwar wahr/ daß diese drey Felder nicht genug seyen/ alle kleinste und geringste Dinge herfür zu bringen: darum dann notwendig ist/ daß man alle diese Theile/ nämlich das zuviel-dunkle/ und das zuviel-liechte Feld/ jedes wieder in zwey Theile absondere/ und also aus dem zuviel-liechten ein neues minder-liechtes/ aus dem sehr-dunklen aber ein weniger-dunkles herfür komme. Wann man nun also/ durch die Farbe/ dem mittlern und äusersten Ort seine Gebühr des Liechts und der Helle/ dem Grund aber die Dunkle zueignet: wird man/ durch Vereinigung und Wettspielung dieser drey Felder zuwege bringen/ daß die Zeichnung rund und erhebt/ und zwar anfänglich hell/ alsdann nach und nach dunkler erscheine/ also daß wir nach und nach das pur-schwarze überkommen werden. Nach diesem mischet man die Farben/ welche/ wann man mit Oel oder mit Gummi- und anderm Wasser â Tempera oder in fresco mahlen will/ an ihre besondere Orte müßen angelegt werden: und solche gründen den Carton oder eine andere Zeichnung/ so zu diesem Werk bereitet worden. Von der reflexion oder dem Widerschein. Die reflexion oder der Widerschein/ welcher das zweyte Liecht ist/ hat diese Art und Eigenschaft. Gleichwie das erste Liecht von oben ab/ auf das Bild/ Figur/ oder einen andern Cörper/ niederwarts scheinet/ und dasselbe auf einer Seite beleuchtet/ wordurch hingegen gemeldter Cörper auf der andern Seite finster beschattet wird: also wird das allernächste Liecht alda/ welches ingemein von [Spaltenumbruch] dem oben-einfallendem erst-besagten Liecht entstanden/ nach des Liechts habender quantitet/ den Schatten in etwas zurücke beleuchten. Hierbey ist nun zu beobachten/ daß alle reflexionen ganz contrari gegen das erste Liecht zurücke gehen oder leuchten. Wann nun diese allgemeine Regel in gerechter Maß observirt wird/ wie in allem billich seyn soll/ so erfolget dardurch die wahre Erhebung/ rundirung und Vertieffung/ allerdings nach art und eigenschaft deren Cörper/ als ob es an ihm selbst erhoben oder rund wäre: da hingegen/ wo solches nicht regulier in acht genommen wird/ alles platt und niederträchtig bleibet/ wordurch des Werkmeisters Schwachheit sich mehr als zuviel offenbaret. Die Zeichnung soll und mus mit sonderbarer Die Zeichnung mus vernünftig erfunden/ auch wol abgetheilet und gestellet seyn Vernunft/ rarer invention, abtheilung und stellung/ als an welcher allermeist gelegen/ gemacht seyn: damit alle Theile/ zu vergnügung eines vernünftigen Auges/ wol übereinstimmen/ und nicht hier alles/ dort wenig oder gar nichts/ ohne Urtheil oder Verstand/ herfür komme. Solche schöne Ordnung oder häßliche Unordnung/ entspringet von wol- oder übel-gefasster Zeichen-Kunst/ entweder nach denen gehabten Modellen/ oder nach den vorgenommenen lebendigen Bildnusen: und Von was/ die gute Zeichnung/ ihren Ursprung nehme. kan die Zeichen-Kunst keinen guten Anfang haben/ wann sich der Scholar nicht eifrig beflissen/ natürliche und lebhafte Dinge abzuzeichnen/ und nach gut-gemahlten Stucken von belobten Meistern/ oder nach antichen Statuen und erhobnen Bildern/ wie schon oft gesagt worden/ zu formiren. Wann der Mahler eine gute Erfahrung und practica erlanget/ und seine Hand etwas ringfärtig und geschickt gemacht/ alsdann soll er dieselbe an natürliche Dinge legen/ und sich aufs höchste befleißen/ damit obigs jedes zum genauesten beobachtet werde/ und alles mit der Natur völlig einstimme. Die Natürlichkeit macht die Mahlerey vollkommen.Dann die Natürlichkeit/ macht den Künstler groß/ excellent, ruhmreich und gepriesen. Es ist nicht fast mühsam/ nur eine schöne Adelich-herrliche Bildnis entwerfen. Aber einen wilden abscheulichen und furchtsamen Faunum und Satyrum, oder anders dergleichen plumpes/ also natürlich nachmahlen/ daß man leben und mahlen nicht wol unterscheiden kan/ das macht lobwürdig/ und zeuget von der Vollkommenheit. Also ist nun die Kunst zu zeichnen/ die man auf solche Weise durch vieljährige Ubung erlanget/ der unfehlbare Weg/ große progressen in dieser Kunst zu machen. Diese mus man/ an nackenden/ Es ist über alles am bästen und nutzlichsten/ wann man an nakenden/ so wol Manns- als Weibspersonen/ auch Kindern/ im zeichnen/ wie vorgemeldt/ sich geübt und erfahren machet/ und solche ihm fest in das Gedächtnis drucket/ auch die Musculen/ Adern und Rippen/ den Ruckgrad/ die Füße/ Arme und Kniescheiben wol in acht nimmet: damit er solche/ auch ohne Idea und Exemplar/ natürlich zu gestalten wisse. Hierzu wird auch verhülflich seyn/ daß man ausgearbeitete zerlegte oder auch aus anatomirten/ Leibern studiren. anatomirte Leiber sehe oder gesehen habe: um zu wissen/ wie ein jedes Bein zwischen Haut und Nerven/ Fleisch und Musculen/ daran stehe/ und nachmals mit mehrer Sicherheit/ ohne Fehler/ solche nachzumachen. 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Es ist zwar wahr/ daß diese drey Felder nicht genug seyen/ alle kleinste und geringste Dinge herfür zu bringen: darum dann notwendig ist/ daß man alle diese Theile/ nämlich das zuviel-dunkle/ und das zuviel-liechte Feld/ jedes wieder in zwey Theile absondere/ und also aus dem zuviel-liechten ein neues minder-liechtes/ aus dem sehr-dunklen aber ein weniger-dunkles herfür komme. Wann man nun also/ durch die Farbe/ dem mittlern und äusersten Ort seine Gebühr des Liechts und der Helle/ dem Grund aber die Dunkle zueignet: wird man/ durch Vereinigung und Wettspielung dieser drey Felder zuwege bringen/ daß die Zeichnung rund und erhebt/ und zwar anfänglich hell/ alsdann nach und nach dunkler erscheine/ also daß wir nach und nach das pur-schwarze überkommen werden. 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nakend oder bekleidet: weil diese Stucke/ indem sie unbeweglich und ohne Leben fäst stehen/ dem Scholarn die Lernung leichter machen/ welches er bey den lebendigen Bildern/ die sich immer bewegen/ und verkehren/ nicht zu hoffen hat.
Wann man nun/ in solchem nachzeichnen/ durch viele Ubung/ eine gute practic und Gewonheit/ auch sichere Hände/ erworben/ mag man zur Abzeichnung der lebendigen Dinge schreiten/ und darinn mit ämsigem Fleiß und Aufsicht sich so lang üben/ bis man eine nach den Regeln wolgegründete sichere Natürlichkeit erwerbe. Hierzu ist allerdings nötig/ die Besuchung der Academien/ da man/ in Gesellschaft anderer/ von einem wolgestellten Subject, und lebendigen Modell, unterschiedliche Stellungen absihet: und ist dieses der allerbäste Weg/ zur Wissenschaft der äuserlichen Anatomie, Maß und proportion des Menschen gründlich zu gelangen. Solche Dinge/ die der Natur zum ähnlichsten/ können dem durch langen Fleiß abgematteten Künstler/ seine Mühwaltung/ mit Ehre und Gewinn wieder vergelten/ als wordurch Hand und Verstand zu einer sonderbaren gratia, Lebhaftigkeit und Leichte angewöhnet wird. Man glaube sicherlich/ daß diese practic, welche man durch viel Jahre mit sonderbarem Fleiß erworben/ sey das wahre Liecht zur Zeichnung/ und das Mittel eines Künstlers/ sich berühmt und ansehnlich zu machen.
hernach zu Abzeichnung der lebendigen Dinge schreiten;
worzu die Academien dienen.Wann der Mahler sein Stuck/ mit gesunder Vernunft/ in der Mitte hell/ und an den äusersten Theilen/ auch im Grund/ dunkel machet/ gibt es eine gebrochene/ nicht zuviel liechte/ noch zuviel dunkele/ mittelmäßige Fläche/ dadurch die gezogene Striche schön/ rund und erhaben erscheinen. Es ist zwar wahr/ daß diese drey Felder nicht genug seyen/ alle kleinste und geringste Dinge herfür zu bringen: darum dann notwendig ist/ daß man alle diese Theile/ nämlich das zuviel-dunkle/ und das zuviel-liechte Feld/ jedes wieder in zwey Theile absondere/ und also aus dem zuviel-liechten ein neues minder-liechtes/ aus dem sehr-dunklen aber ein weniger-dunkles herfür komme. Wann man nun also/ durch die Farbe/ dem mittlern und äusersten Ort seine Gebühr des Liechts und der Helle/ dem Grund aber die Dunkle zueignet: wird man/ durch Vereinigung und Wettspielung dieser drey Felder zuwege bringen/ daß die Zeichnung rund und erhebt/ und zwar anfänglich hell/ alsdann nach und nach dunkler erscheine/ also daß wir nach und nach das pur-schwarze überkommen werden. Nach diesem mischet man die Farben/ welche/ wann man mit Oel oder mit Gummi- und anderm Wasser â Tempera oder in fresco mahlen will/ an ihre besondere Orte müßen angelegt werden: und solche gründen den Carton oder eine andere Zeichnung/ so zu diesem Werk bereitet worden.
Wie das lichte und dunkle mit guter Ordnung zu temperiren/ und die Gemälde zu rundiren. Die reflexion oder der Widerschein/ welcher das zweyte Liecht ist/ hat diese Art und Eigenschaft. Gleichwie das erste Liecht von oben ab/ auf das Bild/ Figur/ oder einen andern Cörper/ niederwarts scheinet/ und dasselbe auf einer Seite beleuchtet/ wordurch hingegen gemeldter Cörper auf der andern Seite finster beschattet wird: also wird das allernächste Liecht alda/ welches ingemein von
dem oben-einfallendem erst-besagten Liecht entstanden/ nach des Liechts habender quantitet/ den Schatten in etwas zurücke beleuchten. Hierbey ist nun zu beobachten/ daß alle reflexionen ganz contrari gegen das erste Liecht zurücke gehen oder leuchten. Wann nun diese allgemeine Regel in gerechter Maß observirt wird/ wie in allem billich seyn soll/ so erfolget dardurch die wahre Erhebung/ rundirung und Vertieffung/ allerdings nach art und eigenschaft deren Cörper/ als ob es an ihm selbst erhoben oder rund wäre: da hingegen/ wo solches nicht regulier in acht genommen wird/ alles platt und niederträchtig bleibet/ wordurch des Werkmeisters Schwachheit sich mehr als zuviel offenbaret.
Von der reflexion oder dem Widerschein.Die Zeichnung soll und mus mit sonderbarer Vernunft/ rarer invention, abtheilung und stellung/ als an welcher allermeist gelegen/ gemacht seyn: damit alle Theile/ zu vergnügung eines vernünftigen Auges/ wol übereinstimmen/ und nicht hier alles/ dort wenig oder gar nichts/ ohne Urtheil oder Verstand/ herfür komme. Solche schöne Ordnung oder häßliche Unordnung/ entspringet von wol- oder übel-gefasster Zeichen-Kunst/ entweder nach denen gehabten Modellen/ oder nach den vorgenommenen lebendigen Bildnusen: und kan die Zeichen-Kunst keinen guten Anfang haben/ wann sich der Scholar nicht eifrig beflissen/ natürliche und lebhafte Dinge abzuzeichnen/ und nach gut-gemahlten Stucken von belobten Meistern/ oder nach antichen Statuen und erhobnen Bildern/ wie schon oft gesagt worden/ zu formiren.
Die Zeichnung mus vernünftig erfunden/ auch wol abgetheilet und gestellet seyn
Von was/ die gute Zeichnung/ ihren Ursprung nehme.Wann der Mahler eine gute Erfahrung und practica erlanget/ und seine Hand etwas ringfärtig und geschickt gemacht/ alsdann soll er dieselbe an natürliche Dinge legen/ und sich aufs höchste befleißen/ damit obigs jedes zum genauesten beobachtet werde/ und alles mit der Natur völlig einstimme. Dann die Natürlichkeit/ macht den Künstler groß/ excellent, ruhmreich und gepriesen. Es ist nicht fast mühsam/ nur eine schöne Adelich-herrliche Bildnis entwerfen. Aber einen wilden abscheulichen und furchtsamen Faunum und Satyrum, oder anders dergleichen plumpes/ also natürlich nachmahlen/ daß man leben und mahlen nicht wol unterscheiden kan/ das macht lobwürdig/ und zeuget von der Vollkommenheit. Also ist nun die Kunst zu zeichnen/ die man auf solche Weise durch vieljährige Ubung erlanget/ der unfehlbare Weg/ große progressen in dieser Kunst zu machen.
Die Natürlichkeit macht die Mahlerey vollkommen. Es ist über alles am bästen und nutzlichsten/ wann man an nakenden/ so wol Manns- als Weibspersonen/ auch Kindern/ im zeichnen/ wie vorgemeldt/ sich geübt und erfahren machet/ und solche ihm fest in das Gedächtnis drucket/ auch die Musculen/ Adern und Rippen/ den Ruckgrad/ die Füße/ Arme und Kniescheiben wol in acht nimmet: damit er solche/ auch ohne Idea und Exemplar/ natürlich zu gestalten wisse. Hierzu wird auch verhülflich seyn/ daß man ausgearbeitete zerlegte oder anatomirte Leiber sehe oder gesehen habe: um zu wissen/ wie ein jedes Bein zwischen Haut und Nerven/ Fleisch und Musculen/ daran stehe/ und nachmals mit mehrer Sicherheit/ ohne Fehler/ solche nachzumachen. Dann die jenigen/ so solches wissen/
Diese mus man/ an nackenden/
auch aus anatomirten/ Leibern studiren.
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