Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] balletiren und dergleichen fürnehmen/ sondern daß sie Gott in Güte nachahnen/ und des Volkes Vätter und Götter seyn sollen. Daher werden sie auch in Heil. Schrift Evergetae oder Wolthäter/ auch Hirten genennet/ die das Volk Gottes weiden/ aber nicht schinden und fressen/ daß sie sich und ihre Wollüste nehren. Sanftmut. Aus der Güte seines Gemüts/ ist auch entsprungen die Sanftmut/ worinn er wol unvergleichlich gewesen: daher er sich über niemand erzürnet/ auch über diese nicht/ die ihme nach dem Reich und Leben stunden. Seinen Bruder Domitianum, dessen vielfältige Nachstellungen er erfahren müssen/ mahnte er oftmals mit diesen Wordavon ab: was ists doch vonnöten/ daß du durch einen Brudermord nach etwas trachtest/ das du doch mit meinem Willen haben kanst/ ja allbereit schon hast/ indem du ja mein Reichsgenoß bist. Er bate ihn oft heimlich mit vielen Threnen und Seufftzen/ daß er ein brüderliches Gemüte an sich nehmen wolte. Es wäre ja für ihn/ als einen Heiden/ und für das Reich bässer gewesen/ wann er diesem bösen Bruder vorgekommen wäre/ und nicht erwartet hätte/ biß er von ihme/ wie hernach folget/ mit Gift hingerichtet worden. Aber er verfuhre also/ nicht allein gegen seinen Bruder/ sondern auch gegen andere. Dann als er von etlichen erfahren/ daß sie ihm auf die Fersen tretten wolten/ zoge er dieselbe zur Tafel/ nahme sie folgends mit sich in den Schauplatz/ sasse zwischen sie mitten ein/ liesse auch von den Fechtern etliche Schwerder herzu holen/ gabe sie ihnen/ und probirte sie selber/ ob sie scharf wären:womit er sie gleichsam reitzete/ dasjenige an ihm zu vollziehen/ was sie wider ihn vorhatten. Als sie aber hierüber erstaunten/ sagte er wider sie: dasehet ihr/ daß von Gott die höchste Gewalt komme/ und daß die Boßheit sich vergeblich darum bemühe. Und dieses war ihre Straffe. Also hat er auch zween andere/ die nach dem Reich strebten/ bloß mit Worten davon abgehalten/ und sie zu fördern sich erboten/ auch der Mutter des einen/ die aus Furcht entflohen war/ entbieten lassen/ wie es ihrem Sohn wolergienge. Als er Hohpriester worden/ beteurete er/ wie er solches allein darum thäte/ daß er vom Blut unbefleckte Hände zu behalten sich erinnern möchte. Er schwure auch/ daß er lieber selbst den Tod leiden/ als solchen iemand anthun wolte. Bey dieser seiner Gewonheit/ konte erfreylich hoffen/ daß niemand ihn wie die vorigen Kaiser/ würde zu verfolgen begehren/ wie er dann sagte: Es kan ja niemand mich zu schmähen und zu beleidigen trachten/ weil ich selbst niemand zu schänden oder zu beschädigen pflege. Wie es dann wahr ist/ daß er keinen Menschen etwas mit Unrecht abgenommen/ oder sonst jemanden unschuldig beschimpfet/ auch kein fremdes Gut iemals an sich gezogen: wiewol er ja so herrlich/ als irgend einer seiner Vorfahren am Reich/ gelebet. Er war auch ein abgesagter Feind derer/ die andere angaben und verriehten/ um damit Geld zu gewinnen: wie er sie dann über den Marckt prügeln und peitschen/ und nachmals zu Knechten verkauffen liesse. Es geschahen/ unter seiner Regirung/ drey Unglücks-Fälle: [Spaltenumbruch] da der Berg Vesuvius auf das umligende Campanien Feuer geworffen/ Rom in Brand gerahten und 3 Tage lang gelohet/ und eine starke infection entstanden. Hierunter hat er sich nun recht einen Vatter erwiesen/ jederman getröstet/ gerahten und geholffen/ seine Paläste von ihrem Zierat entkleidet/ um die Tempel und andere grosse Häuser damit wieder auszuzieren. Untergang des Jüdischen Reichs Die vornemste unter seinen Thaten ist/ daß er/ zwar vor Antritt des Kaisertums/ die aufrührische Juden gedämpfet/ die Hauptstadt Jerusalem samt dem Tempel zerstöret/ das Jüdische Reich aufgehoben/ und das Land Judea/ mit Heiden besetzet/ der Römischen Provintz Syrien unterworffen. Welchergestalt selbiger Krieg angegangen/ daß ist in den Geschichten nächst-vorhergehenden Kaisers beschrieben worden: Welcher/ als er/ zum Kaiser erwehlt/ nach Rom abziehen müssen/ seinem Sohn Tito das Kriegsvolk/ samt dem Krieg/ übergegeben. Die Juden/ so über den zum Tod verurtheilten Sohn Gottes und Marien geruffen hatten/ sein Blut komme über uns und über unsere Kinder! die auch seither die Christen/ als Anhängere dieses wieder -erstandenen Gekreutzigten/ äuserst verfolgt hatten/ waren nun zur Straffe reif worden: Daher Gott sein Heer die Römer ausgesendet/ diese Mörder umzubringen und ihre Stadt anzuzünden. Vorzeichen dessen. Es wird von vielen Vorzeichen geschrieben/ die diesem Untergange vorgelaufen. Ein Schweifstern/ gleich einem Schwerd/ stunde ein ganzes Jahr über Jerusalem. Der Mond wurde/ zwölf Nächte nacheinander/ verfinstert: Den zwölf Stämmen von Israel / ihren Fall aus der Glaubens- in die äuserste Höllen-Finsternis anzukünden. Es wurden/ in selbiger ganzen Gegend/Rosse/ Wägen und Kriegsheer/ gegeneinander kämpfend/ in der Luft gesehen. Das Feuer auf dem hohen Altar/ hat in der Passah-Feyr den 8. Apr. bey Nacht so hell geleuchtet/ daß man vermeinet/ es wäre Tag worden: Wie dann ein Liecht/ das bald verleschen wil/ letzlich einen hellen Schein von sich zu flackern pfleget. Die grosse Tempel-Pforte gegen Morgen/ die mit Riegeln und Schlössern wol verwahrt war/ auch von 20 Männern muste eröffnet werden/ thäte sich um Mitternacht selber auf. Eine Kuh gebahre ein Lamm/ als man sie jetzt opfern solte. Die Priester/ als sie am Pfingst Fest in den innern Tempel giengen/ hörten erstlich ein Geräusche/ und letzlich diese Stimme: lasset uns von hinnen ziehen! Es kame auch einer/ Namens Jesus Anani/ nach Jerusalem auf das Fest/ und fienge sofort an zu schreyen: Eine Stimme vom Aufgang/ eine Stimme von Niedergang/ eine Stimme von den vier Winden/ eine Stimme über Jerusalem und den Tempel/ eine Stimme über alles Volk. Mit solchem Geschrey gienge er Tag und Nacht durch die Stadt/ und hörte nicht auf zu ruffen/ ob er schon geschlagen worden. Als er auch vor den Landpfleger geführet worden/ und derselbe ihn steupen lassen/ hat er nicht darwider gebeten noch geweinet/ sondern zu jedem Streich geruffen/Wehe/ Wehe Jerusalem! Diese Weise triebe er viel Jahre/ [Spaltenumbruch] balletiren und dergleichen fürnehmen/ sondern daß sie Gott in Güte nachahnen/ und des Volkes Vätter und Götter seyn sollen. Daher werden sie auch in Heil. Schrift Evergetae oder Wolthäter/ auch Hirten genennet/ die das Volk Gottes weiden/ aber nicht schinden und fressen/ daß sie sich und ihre Wollüste nehren. Sanftmut. Aus der Güte seines Gemüts/ ist auch entsprungen die Sanftmut/ worinn er wol unvergleichlich gewesen: daher er sich über niemand erzürnet/ auch über diese nicht/ die ihme nach dem Reich und Leben stunden. Seinen Bruder Domitianum, dessen vielfältige Nachstellungen er erfahren müssen/ mahnte er oftmals mit diesen Wordavon ab: was ists doch vonnöten/ daß du durch einen Brudermord nach etwas trachtest/ das du doch mit meinem Willen haben kanst/ ja allbereit schon hast/ indem du ja mein Reichsgenoß bist. Er bate ihn oft heimlich mit vielen Threnen und Seufftzen/ daß er ein brüderliches Gemüte an sich nehmen wolte. Es wäre ja für ihn/ als einen Heiden/ und für das Reich bässer gewesen/ wann er diesem bösen Bruder vorgekommen wäre/ und nicht erwartet hätte/ biß er von ihme/ wie hernach folget/ mit Gift hingerichtet worden. Aber er verfuhre also/ nicht allein gegen seinen Bruder/ sondern auch gegen andere. Dann als er von etlichen erfahren/ daß sie ihm auf die Fersen tretten wolten/ zoge er dieselbe zur Tafel/ nahme sie folgends mit sich in den Schauplatz/ sasse zwischen sie mitten ein/ liesse auch von den Fechtern etliche Schwerder herzu holen/ gabe sie ihnen/ und probirte sie selber/ ob sie scharf wären:womit er sie gleichsam reitzete/ dasjenige an ihm zu vollziehen/ was sie wider ihn vorhatten. Als sie aber hierüber erstaunten/ sagte er wider sie: dasehet ihr/ daß von Gott die höchste Gewalt komme/ und daß die Boßheit sich vergeblich darum bemühe. Und dieses war ihre Straffe. Also hat er auch zween andere/ die nach dem Reich strebten/ bloß mit Worten davon abgehalten/ und sie zu fördern sich erboten/ auch der Mutter des einen/ die aus Furcht entflohen war/ entbieten lassen/ wie es ihrem Sohn wolergienge. Als er Hohpriester worden/ beteurete er/ wie er solches allein darum thäte/ daß er vom Blut unbefleckte Hände zu behalten sich erinnern möchte. 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Es geschahen/ unter seiner Regirung/ drey Unglücks-Fälle: [Spaltenumbruch] da der Berg Vesuvius auf das umligende Campanien Feuer geworffen/ Rom in Brand gerahten und 3 Tage lang gelohet/ und eine starke infection entstanden. Hierunter hat er sich nun recht einen Vatter erwiesen/ jederman getröstet/ gerahten und geholffen/ seine Paläste von ihrem Zierat entkleidet/ um die Tempel und andere grosse Häuser damit wieder auszuzieren. Untergang des Jüdischen Reichs Die vornemste unter seinen Thaten ist/ daß er/ zwar vor Antritt des Kaisertums/ die aufrührische Juden gedämpfet/ die Hauptstadt Jerusalem samt dem Tempel zerstöret/ das Jüdische Reich aufgehoben/ und das Land Judea/ mit Heiden besetzet/ der Römischen Provintz Syrien unterworffen. Welchergestalt selbiger Krieg angegangen/ daß ist in den Geschichten nächst-vorhergehenden Kaisers beschrieben worden: Welcher/ als er/ zum Kaiser erwehlt/ nach Rom abziehen müssen/ seinem Sohn Tito das Kriegsvolk/ samt dem Krieg/ übergegeben. Die Juden/ so über den zum Tod verurtheilten Sohn Gottes und Marien geruffen hatten/ sein Blut komme über uns und über unsere Kinder! die auch seither die Christen/ als Anhängere dieses wieder -erstandenen Gekreutzigten/ äuserst verfolgt hatten/ waren nun zur Straffe reif worden: Daher Gott sein Heer die Römer ausgesendet/ diese Mörder umzubringen und ihre Stadt anzuzünden. Vorzeichen dessen. Es wird von vielen Vorzeichen geschrieben/ die diesem Untergange vorgelaufen. Ein Schweifstern/ gleich einem Schwerd/ stunde ein ganzes Jahr über Jerusalem. Der Mond wurde/ zwölf Nächte nacheinander/ verfinstert: Den zwölf Stämmen von Israel / ihren Fall aus der Glaubens- in die äuserste Höllen-Finsternis anzukünden. Es wurden/ in selbiger ganzen Gegend/Rosse/ Wägen und Kriegsheer/ gegeneinander kämpfend/ in der Luft gesehen. Das Feuer auf dem hohen Altar/ hat in der Passah-Feyr den 8. Apr. bey Nacht so hell geleuchtet/ daß man vermeinet/ es wäre Tag worden: Wie dann ein Liecht/ das bald verleschen wil/ letzlich einen hellen Schein von sich zu flackern pfleget. Die grosse Tempel-Pforte gegen Morgen/ die mit Riegeln und Schlössern wol verwahrt war/ auch von 20 Männern muste eröffnet werden/ thäte sich um Mitternacht selber auf. Eine Kuh gebahre ein Lamm/ als man sie jetzt opfern solte. Die Priester/ als sie am Pfingst Fest in den innern Tempel giengen/ hörten erstlich ein Geräusche/ und letzlich diese Stimme: lasset uns von hinnen ziehen! Es kame auch einer/ Namens Jesus Anani/ nach Jerusalem auf das Fest/ und fienge sofort an zu schreyen: Eine Stimme vom Aufgang/ eine Stimme von Niedergang/ eine Stimme von den vier Winden/ eine Stimme über Jerusalem und den Tempel/ eine Stimme über alles Volk. Mit solchem Geschrey gienge er Tag und Nacht durch die Stadt/ und hörte nicht auf zu ruffen/ ob er schon geschlagen worden. Als er auch vor den Landpfleger geführet worden/ und derselbe ihn steupen lassen/ hat er nicht darwider gebeten noch geweinet/ sondern zu jedem Streich geruffen/Wehe/ Wehe Jerusalem! Diese Weise triebe er viel Jahre/ <TEI> <text> <body> <div> <div xml:id="d0951"> <p xml:id="p951.5"><pb facs="#f0090" xml:id="pb-952" n="[II (Skulptur), S. 62]"/><cb/> balletiren und dergleichen fürnehmen/ sondern daß sie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">Gott</persName> in Güte nachahnen/ und des Volkes Vätter und Götter seyn sollen. Daher werden sie auch in Heil. 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Er bate ihn oft heimlich mit vielen Threnen und Seufftzen/ daß er ein brüderliches Gemüte an sich nehmen wolte. Es wäre ja für ihn/ als einen Heiden/ und für das Reich bässer gewesen/ wann er diesem bösen Bruder vorgekommen wäre/ und nicht erwartet hätte/ biß er von ihme/ wie hernach folget/ mit Gift hingerichtet worden. Aber er verfuhre also/ nicht allein gegen seinen Bruder/ sondern auch gegen andere. Dann als er von etlichen erfahren/ daß sie ihm auf die Fersen tretten wolten/ zoge er dieselbe zur Tafel/ nahme sie folgends mit sich in den Schauplatz/ sasse zwischen sie mitten ein/ liesse auch von den Fechtern etliche Schwerder herzu holen/ gabe sie ihnen/ und probirte sie selber/ ob sie scharf wären:womit er sie gleichsam reitzete/ dasjenige an ihm zu vollziehen/ was sie wider ihn vorhatten. 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Wie es dann wahr ist/ daß er keinen Menschen etwas mit Unrecht abgenommen/ oder sonst jemanden unschuldig beschimpfet/ auch kein fremdes Gut iemals an sich gezogen: wiewol er ja so herrlich/ als irgend einer seiner Vorfahren am Reich/ gelebet. Er war auch ein abgesagter Feind derer/ die andere angaben und verriehten/ um damit Geld zu gewinnen: wie er sie dann über den Marckt prügeln und peitschen/ und nachmals zu Knechten verkauffen liesse. 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balletiren und dergleichen fürnehmen/ sondern daß sie Gott in Güte nachahnen/ und des Volkes Vätter und Götter seyn sollen. Daher werden sie auch in Heil. Schrift Evergetae oder Wolthäter/ auch Hirten genennet/ die das Volk Gottes weiden/ aber nicht schinden und fressen/ daß sie sich und ihre Wollüste nehren.
Aus der Güte seines Gemüts/ ist auch entsprungen die Sanftmut/ worinn er wol unvergleichlich gewesen: daher er sich über niemand erzürnet/ auch über diese nicht/ die ihme nach dem Reich und Leben stunden. Seinen Bruder Domitianum, dessen vielfältige Nachstellungen er erfahren müssen/ mahnte er oftmals mit diesen Wordavon ab: was ists doch vonnöten/ daß du durch einen Brudermord nach etwas trachtest/ das du doch mit meinem Willen haben kanst/ ja allbereit schon hast/ indem du ja mein Reichsgenoß bist. Er bate ihn oft heimlich mit vielen Threnen und Seufftzen/ daß er ein brüderliches Gemüte an sich nehmen wolte. Es wäre ja für ihn/ als einen Heiden/ und für das Reich bässer gewesen/ wann er diesem bösen Bruder vorgekommen wäre/ und nicht erwartet hätte/ biß er von ihme/ wie hernach folget/ mit Gift hingerichtet worden. Aber er verfuhre also/ nicht allein gegen seinen Bruder/ sondern auch gegen andere. Dann als er von etlichen erfahren/ daß sie ihm auf die Fersen tretten wolten/ zoge er dieselbe zur Tafel/ nahme sie folgends mit sich in den Schauplatz/ sasse zwischen sie mitten ein/ liesse auch von den Fechtern etliche Schwerder herzu holen/ gabe sie ihnen/ und probirte sie selber/ ob sie scharf wären:womit er sie gleichsam reitzete/ dasjenige an ihm zu vollziehen/ was sie wider ihn vorhatten. Als sie aber hierüber erstaunten/ sagte er wider sie: dasehet ihr/ daß von Gott die höchste Gewalt komme/ und daß die Boßheit sich vergeblich darum bemühe. Und dieses war ihre Straffe. Also hat er auch zween andere/ die nach dem Reich strebten/ bloß mit Worten davon abgehalten/ und sie zu fördern sich erboten/ auch der Mutter des einen/ die aus Furcht entflohen war/ entbieten lassen/ wie es ihrem Sohn wolergienge. Als er Hohpriester worden/ beteurete er/ wie er solches allein darum thäte/ daß er vom Blut unbefleckte Hände zu behalten sich erinnern möchte. Er schwure auch/ daß er lieber selbst den Tod leiden/ als solchen iemand anthun wolte. Bey dieser seiner Gewonheit/ konte erfreylich hoffen/ daß niemand ihn wie die vorigen Kaiser/ würde zu verfolgen begehren/ wie er dann sagte: Es kan ja niemand mich zu schmähen und zu beleidigen trachten/ weil ich selbst niemand zu schänden oder zu beschädigen pflege. Wie es dann wahr ist/ daß er keinen Menschen etwas mit Unrecht abgenommen/ oder sonst jemanden unschuldig beschimpfet/ auch kein fremdes Gut iemals an sich gezogen: wiewol er ja so herrlich/ als irgend einer seiner Vorfahren am Reich/ gelebet. Er war auch ein abgesagter Feind derer/ die andere angaben und verriehten/ um damit Geld zu gewinnen: wie er sie dann über den Marckt prügeln und peitschen/ und nachmals zu Knechten verkauffen liesse. Es geschahen/ unter seiner Regirung/ drey Unglücks-Fälle:
da der Berg Vesuvius auf das umligende Campanien Feuer geworffen/ Rom in Brand gerahten und 3 Tage lang gelohet/ und eine starke infection entstanden. Hierunter hat er sich nun recht einen Vatter erwiesen/ jederman getröstet/ gerahten und geholffen/ seine Paläste von ihrem Zierat entkleidet/ um die Tempel und andere grosse Häuser damit wieder auszuzieren.
Sanftmut. Die vornemste unter seinen Thaten ist/ daß er/ zwar vor Antritt des Kaisertums/ die aufrührische Juden gedämpfet/ die Hauptstadt Jerusalem samt dem Tempel zerstöret/ das Jüdische Reich aufgehoben/ und das Land Judea/ mit Heiden besetzet/ der Römischen Provintz Syrien unterworffen. Welchergestalt selbiger Krieg angegangen/ daß ist in den Geschichten nächst-vorhergehenden Kaisers beschrieben worden: Welcher/ als er/ zum Kaiser erwehlt/ nach Rom abziehen müssen/ seinem Sohn Tito das Kriegsvolk/ samt dem Krieg/ übergegeben. Die Juden/ so über den zum Tod verurtheilten Sohn Gottes und Marien geruffen hatten/ sein Blut komme über uns und über unsere Kinder! die auch seither die Christen/ als Anhängere dieses wieder -erstandenen Gekreutzigten/ äuserst verfolgt hatten/ waren nun zur Straffe reif worden: Daher Gott sein Heer die Römer ausgesendet/ diese Mörder umzubringen und ihre Stadt anzuzünden.
Untergang des Jüdischen Reichs Es wird von vielen Vorzeichen geschrieben/ die diesem Untergange vorgelaufen. Ein Schweifstern/ gleich einem Schwerd/ stunde ein ganzes Jahr über Jerusalem. Der Mond wurde/ zwölf Nächte nacheinander/ verfinstert: Den zwölf Stämmen von Israel / ihren Fall aus der Glaubens- in die äuserste Höllen-Finsternis anzukünden. Es wurden/ in selbiger ganzen Gegend/Rosse/ Wägen und Kriegsheer/ gegeneinander kämpfend/ in der Luft gesehen. Das Feuer auf dem hohen Altar/ hat in der Passah-Feyr den 8. Apr. bey Nacht so hell geleuchtet/ daß man vermeinet/ es wäre Tag worden: Wie dann ein Liecht/ das bald verleschen wil/ letzlich einen hellen Schein von sich zu flackern pfleget. Die grosse Tempel-Pforte gegen Morgen/ die mit Riegeln und Schlössern wol verwahrt war/ auch von 20 Männern muste eröffnet werden/ thäte sich um Mitternacht selber auf. Eine Kuh gebahre ein Lamm/ als man sie jetzt opfern solte. Die Priester/ als sie am Pfingst Fest in den innern Tempel giengen/ hörten erstlich ein Geräusche/ und letzlich diese Stimme: lasset uns von hinnen ziehen! Es kame auch einer/ Namens Jesus Anani/ nach Jerusalem auf das Fest/ und fienge sofort an zu schreyen: Eine Stimme vom Aufgang/ eine Stimme von Niedergang/ eine Stimme von den vier Winden/ eine Stimme über Jerusalem und den Tempel/ eine Stimme über alles Volk. Mit solchem Geschrey gienge er Tag und Nacht durch die Stadt/ und hörte nicht auf zu ruffen/ ob er schon geschlagen worden. Als er auch vor den Landpfleger geführet worden/ und derselbe ihn steupen lassen/ hat er nicht darwider gebeten noch geweinet/ sondern zu jedem Streich geruffen/Wehe/ Wehe Jerusalem! Diese Weise triebe er viel Jahre/
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