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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas der Ertz-Schelm verheurathet sich
bekombt einen Spillumpen zu einen Mann/ der bey der
Schellen-Sau wenig Speck ersparret. Da heist es aller-
seits.

O hätte ich das gewust!

Ein mancher verblendt sich/ vnd verbrennt sich nur
an der schönen Gestalt/ da doch das gemeine Sprichwort
vns erinnert/ die Schönheit vergeht/ die Tugend besteht. Ja
wan die schöne Gestalt der Menschen beschaffen wären/ wie
der Israeliter ihre Kleider/ dazumahlen wie sie von Moyse
auß Egypten geführet worden/ wären solche Gesichter
Krammer noch in etwas zu entschuldigen/ dann viertzig
gantzer Jahr durch ein sonders Wunderwerck haben die
Israeliter von ihren Kleidern nit ein Faden zerrissen oder
Deut. 29.versehrt/ non sunt attrita vestamenta eorum. Aber
mit der schönen Gestalt hat es weit andere Eigenschafft/
dann man bleibt nicht alleweil zu Schönau/ man kombt
auch nacher Braunau/ man bleibt nicht immer zu Glatz in
Schlesien/ man kombt auch nacher Zwifalt in Schwaben.
Freylich wol seynd schön die guldene Haarlocken/ aber nit
dauerhafft/ mit der Zeit thut auch der Kopff mausen/
wie ein alte Bruth-Henn. Freylich wol seynd schön die
schwartze Augen/ aber nit beständig/ mit der Zeit werden
sie rinend vnd roth wie die Cyprianische Tauben haben.
Freylich wol seynd schön die rothe Wangen/ aber nit be-
ständig/ mit der Zeit werden sie einfallen/ wie ein außge-
pfifsener Tudlsack. Freylich wol ist schön ein weise vnd
gleichsamb alabasterne Nasen/ aber nit beständig/ mit der
Zeit wird ein alter Calender darauß/ worinnen stäts feuch-
tes Wetter anzutreffen. Freylich wol ist schön ein Coral-
lener Mund/ aber nit beständig/ mit der Zeit sihet er
auch auß/ wie ein gerupffte Blaumaisen. Freylich wol
seynd schön die silberweise Zähn/ aber nit beständig/ mit
der Zeit werden auch gestumpffte Pallasaten darauß. Frey-

lich

Judas der Ertz-Schelm verheurathet ſich
bekombt einen Spillumpen zu einen Mann/ der bey der
Schellen-Sau wenig Speck erſparret. Da heiſt es aller-
ſeits.

O haͤtte ich das gewuſt!

Ein mancher verblendt ſich/ vnd verbrennt ſich nur
an der ſchoͤnen Geſtalt/ da doch das gemeine Sprichwort
vns erinnert/ die Schoͤnheit vergeht/ die Tugend beſteht. Ja
wan die ſchoͤne Geſtalt der Menſchen beſchaffen waͤren/ wie
der Iſraeliter ihre Kleider/ dazumahlen wie ſie von Moyſe
auß Egypten gefuͤhret worden/ waͤren ſolche Geſichter
Krammer noch in etwas zu entſchuldigen/ dann viertzig
gantzer Jahr durch ein ſonders Wunderwerck haben die
Iſraeliter von ihren Kleidern nit ein Faden zerriſſen oder
Deut. 29.verſehrt/ non ſunt attrita veſtamenta eorum. Aber
mit der ſchoͤnen Geſtalt hat es weit andere Eigenſchafft/
dann man bleibt nicht alleweil zu Schoͤnau/ man kombt
auch nacher Braunau/ man bleibt nicht immer zu Glatz in
Schleſien/ man kombt auch nacher Zwifalt in Schwaben.
Freylich wol ſeynd ſchoͤn die guldene Haarlocken/ aber nit
dauerhafft/ mit der Zeit thut auch der Kopff mauſen/
wie ein alte Bruth-Henn. Freylich wol ſeynd ſchoͤn die
ſchwartze Augen/ aber nit beſtaͤndig/ mit der Zeit werden
ſie rinend vnd roth wie die Cyprianiſche Tauben haben.
Freylich wol ſeynd ſchoͤn die rothe Wangen/ aber nit be-
ſtaͤndig/ mit der Zeit werden ſie einfallen/ wie ein außge-
pfifſener Tudlſack. Freylich wol iſt ſchoͤn ein weiſe vnd
gleichſamb alabaſterne Naſen/ aber nit beſtaͤndig/ mit der
Zeit wird ein alter Calender darauß/ worinnen ſtaͤts feuch-
tes Wetter anzutreffen. Freylich wol iſt ſchoͤn ein Coral-
lener Mund/ aber nit beſtaͤndig/ mit der Zeit ſihet er
auch auß/ wie ein gerupffte Blaumaiſen. Freylich wol
ſeynd ſchoͤn die ſilberweiſe Zaͤhn/ aber nit beſtaͤndig/ mit
der Zeit werden auch geſtumpffte Pallaſaten darauß. Frey-

lich
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[216/0252] Judas der Ertz-Schelm verheurathet ſich bekombt einen Spillumpen zu einen Mann/ der bey der Schellen-Sau wenig Speck erſparret. Da heiſt es aller- ſeits. O haͤtte ich das gewuſt! Ein mancher verblendt ſich/ vnd verbrennt ſich nur an der ſchoͤnen Geſtalt/ da doch das gemeine Sprichwort vns erinnert/ die Schoͤnheit vergeht/ die Tugend beſteht. Ja wan die ſchoͤne Geſtalt der Menſchen beſchaffen waͤren/ wie der Iſraeliter ihre Kleider/ dazumahlen wie ſie von Moyſe auß Egypten gefuͤhret worden/ waͤren ſolche Geſichter Krammer noch in etwas zu entſchuldigen/ dann viertzig gantzer Jahr durch ein ſonders Wunderwerck haben die Iſraeliter von ihren Kleidern nit ein Faden zerriſſen oder verſehrt/ non ſunt attrita veſtamenta eorum. Aber mit der ſchoͤnen Geſtalt hat es weit andere Eigenſchafft/ dann man bleibt nicht alleweil zu Schoͤnau/ man kombt auch nacher Braunau/ man bleibt nicht immer zu Glatz in Schleſien/ man kombt auch nacher Zwifalt in Schwaben. Freylich wol ſeynd ſchoͤn die guldene Haarlocken/ aber nit dauerhafft/ mit der Zeit thut auch der Kopff mauſen/ wie ein alte Bruth-Henn. Freylich wol ſeynd ſchoͤn die ſchwartze Augen/ aber nit beſtaͤndig/ mit der Zeit werden ſie rinend vnd roth wie die Cyprianiſche Tauben haben. Freylich wol ſeynd ſchoͤn die rothe Wangen/ aber nit be- ſtaͤndig/ mit der Zeit werden ſie einfallen/ wie ein außge- pfifſener Tudlſack. Freylich wol iſt ſchoͤn ein weiſe vnd gleichſamb alabaſterne Naſen/ aber nit beſtaͤndig/ mit der Zeit wird ein alter Calender darauß/ worinnen ſtaͤts feuch- tes Wetter anzutreffen. Freylich wol iſt ſchoͤn ein Coral- lener Mund/ aber nit beſtaͤndig/ mit der Zeit ſihet er auch auß/ wie ein gerupffte Blaumaiſen. Freylich wol ſeynd ſchoͤn die ſilberweiſe Zaͤhn/ aber nit beſtaͤndig/ mit der Zeit werden auch geſtumpffte Pallaſaten darauß. Frey- lich Deut. 29.

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/252>, abgerufen am 22.11.2024.