Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem freventlichen Vrtheil. gestalt zerschlagen worden/ daß er die übrige Zeit seines Lebens mit beharr-lichem Weinen und Seufftzen/ und unzahlbahren Trübsetigkeiten zuge- bracht/ und denlieben Gott umb Vergebung so grosser Sünde so lang gebet- ten; biß der Engel endlich wieder zu ihm kommen; deme er zu Jüssen gefal- len/ und von ihme versichert worden/ daß ihm GOtt seine Sünde nach heut solches dieserthalben zugelassen habe; damit er in Erfahrung kommen möch- te/ wie schwär und überlästig ihme seye/ unser freventliches urtheilen: auch hat er ihn ermahnet/ daß er hinführo nicht mehr richten solle: gleichwohl hat auff so trostreiche Wort/ und gethane Versicherung der heiligen Vätter sich nicht trösten lassen; sondern in stäten Plagen und Abtödtungen seines Leibs/ dieses Verbrechen halber seyn Leben geendiget. 10. Wann nun dieser gottseelige Einsidler wegen eines so geringen Ur- von M 2
Von dem freventlichen Vrtheil. geſtalt zerſchlagen worden/ daß er die uͤbrige Zeit ſeines Lebens mit beharr-lichem Weinen und Seufftzen/ und unzahlbahren Truͤbſetigkeiten zuge- bracht/ und denlieben Gott umb Vergebung ſo groſſer Suͤnde ſo lang gebet- ten; biß der Engel endlich wieder zu ihm kommen; deme er zu Juͤſſen gefal- len/ und von ihme verſichert worden/ daß ihm GOtt ſeine Suͤnde nach heut ſolches dieſerthalben zugelaſſen habe; damit er in Erfahrung kommen moͤch- te/ wie ſchwaͤr und uͤberlaͤſtig ihme ſeye/ unſer freventliches urtheilen: auch hat er ihn ermahnet/ daß er hinfuͤhro nicht mehr richten ſolle: gleichwohl hat auff ſo troſtreiche Wort/ und gethane Verſicherung der heiligen Vaͤtter ſich nicht troͤſten laſſen; ſondern in ſtaͤten Plagen und Abtoͤdtungen ſeines Leibs/ dieſes Verbrechen halber ſeyn Leben geendiget. 10. Wann nun dieſer gottſeelige Einſidler wegen eines ſo geringen Ur- von M 2
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Von dem freventlichen Vrtheil.
geſtalt zerſchlagen worden/ daß er die uͤbrige Zeit ſeines Lebens mit beharr-
lichem Weinen und Seufftzen/ und unzahlbahren Truͤbſetigkeiten zuge-
bracht/ und denlieben Gott umb Vergebung ſo groſſer Suͤnde ſo lang gebet-
ten; biß der Engel endlich wieder zu ihm kommen; deme er zu Juͤſſen gefal-
len/ und von ihme verſichert worden/ daß ihm GOtt ſeine Suͤnde nach heut
ſolches dieſerthalben zugelaſſen habe; damit er in Erfahrung kommen moͤch-
te/ wie ſchwaͤr und uͤberlaͤſtig ihme ſeye/ unſer freventliches urtheilen: auch
hat er ihn ermahnet/ daß er hinfuͤhro nicht mehr richten ſolle: gleichwohl hat
auff ſo troſtreiche Wort/ und gethane Verſicherung der heiligen Vaͤtter
ſich nicht troͤſten laſſen; ſondern in ſtaͤten Plagen und Abtoͤdtungen ſeines
Leibs/ dieſes Verbrechen halber ſeyn Leben geendiget.
10. Wann nun dieſer gottſeelige Einſidler wegen eines ſo geringen Ur-
theils/ Krafft deſſeu er auß zu groſſem Eyffer geſagt/ daß ſeyn Bruder durch
den begangenen Ehebruch uͤbel gethan habe/ erzehlter maſſen iſt verſchaͤmbe
worden; was wird doch uns widerfahren/ die wir von unſerm Rechſten ab der
begangener Suͤnde/ nicht allein ſagen/ daß er uͤbel gethan habe; ſondern darzu
offtmahlen auß unordentlichem Eyffer denſelben richten/ daß er nemblich vie-
le und groſſe Straffen verdienet habe/ und derhalben wuͤnſchen/ daß er ſcharff
gezuͤchtiget werde? Warlig/ ſage ich/ es wird die Zeit heran kommen/ daß wir
von GOTT mit gleichem Urtheil werden hergenommen werden: Auch ge-
ſchicht es vielmahlen durch die gerechte Verhaͤngnuß GOttes/ daß die je-
nige/ ſo andere richten/ in ſelbige Maͤngel/ die ſie ihrem Nechſten auffgemeſ-
ſen haben/ liederlich fallen; und als dann wohl wuͤnſchen moͤchten/ daß man
mit ihnen durch die Finger ſehete: dieſes hat der Abt Machetes von ſich ſelb-
ſten bekennet/ daß nemblich drey Dinge geweſen/ in denen er andere gerichtet/
und beſtrafft; habe aber nicht lang hernach alle dieſe drey Fehler begangen:
derohalben trieb er einen jeglicheu an/ daß er ſich ſelbſten nicht allein urthei-
len/ und nicht anderer Leben durchgruͤnden ſolte; dieweilen/ ſagte er/ ein
Muͤnch mit denſelben Laſtern verſtricket iſt/ in welchen er von andern zu ur-
theilen ſich erkuͤhnet hat: und wann ſchon ſie in eben ſelbige Suͤnde nicht fal-
len; ſo ſeynd ſie doch derſelben Straff werth; wie CHRJSTUS der
heiligen Mechtildi offenbahret/ und geſagt/ daß es ein groſſes Laſter ſeye/
wann ein Menſch ſeinen Nechſten urtheilet: und wann er denſelben ſchon
rechtfertig urtheile; ſo ſeye er doch eines ſo groſſen Laſters ſchuldig/ als
eben der jenige/ ſo dieſes Ubel begangen haͤtte/ welches von andern gerichtet
wird: Wann auch der jenige Menſch die jenige Miſſethat veruͤbet hat/ die
von
Caſſian
l. 5. c. 30.
L. 2. c. 7.
M 2
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