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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Neunte Geistliche Lection
Schuld oder dem schädlichen Last deß Geblüts/ oder dem hefftigen Anfall
der Versuchungen/ oder dem Betrug der Welt und Bößheit deß leidigen
Sathans/ oder andern dergleichen Verführungen; und wende du dein
Gemüth ab von den Gedancken der jenigen Sünden. Das andere Lehr-
Stuck hastu dir zu erwerben auß den Worten deines Heylands selbsten/
Krafft deren er die H. Chatarina von Senis unterrichtet. Auff daß du
zu der Vereinigung und Reinigkeit gelangen mögest/ ist nöthig/ daß du
keine Sach richtest/ welche du siehest/ daß von anderen oder gegen dich selb-
sten/ oder gegen Frembde geschicht oder geredet wird. Und wann du wür-
dest sehen eine außtrückliche Sünde/ so kanstu auß diesen Dörnen eine wohl-
richende Rose herauß ziehen/ wann du solche Sünder vor mir durch ein
wahres und Christliches Mit-Leyden auffopfferest: solcher Gestalt wirstu
die vollkommene Reinigkeit erreichen. Seynd das ansehnliche und stattli-
che Verheissungen? und was ist doch leichter zu thuen/ als daß der Mensch/
so offt er seinen Nächsten sündigen sehet oder höret/ sich zu GOtt wende/
und mit einem mit-leydigen Hertzen sage: O mein süssester JESU/ siehe/
mein Neben-Mensch hat dieses oder jenes Ubel begangen; ob selbiges deinen
Göttlichen Augen auch so böß scheine/ als es mir vorkommet/ daß weiß ich
zumahlen nicht: dem seye/ wie ihm wolle; ich will dieses nicht urtheilen;
sondern dich meinen Barmhertzigsten GOtt und HErrn bitte ich; wann
villeicht mein Nächster durch diese oder jene That deine unendliche Gütig-
keit erzürnet hat/ du wollest seiner verschönen/ ihme gnugsame Gnad zur
Besserung verleyhen/ und von deinem Allerheiligsten Angesicht dessenthal-
ben nicht verwerffen: sintemahlen ich dir zu Ersetzung dieses Mangels auff-
opffere das kostbahre Blut deines Allerliebsten Sohns JESU Christi/
sambt dessen unendlichen Liebe und Sanfftmütigkeit/ mit denen Er uns
gedüldet. Du weiß auch/ mein HErr und GOtt/ auß dem Bösen Gu-
tes hervorzubringen; derhalben bitte ich dich abermahl/ du wollest diese Mis-
sethat zu deiner grössern Glory und Herrligkeit/ und deß sündigen Men-
schen mehrerer Demuth gereichen lassen. Schließlich ist auch/ O HErr/
mein inbrünstiges Begehren; behüte doch die Augen der jenigen/ so dieses
anschauen/ und die Ohren die solches hören/ damit sie nicht geärgert wer-
den; binde ihnen die Zung/ die Hände/ etc. damit sie mit sothaner Sünde
dich nicht beleidigen. Wann du dieser Lehr solcher oder anderer Gestalt emb-
sig nachzuleben trachten werdest; so kanstu dich versicheren/ daß nicht allein
auß deines Nächsten Fall keine Straffmässigkeit zu gewarten habest; son-
dern auch darzu einen sehr grossen Schatz der Verdiensten zum Trost dei-
ner armen Seelen versamblen werdest.

Die

Die Neunte Geiſtliche Lection
Schuld oder dem ſchaͤdlichen Laſt deß Gebluͤts/ oder dem hefftigen Anfall
der Verſuchungen/ oder dem Betrug der Welt und Boͤßheit deß leidigen
Sathans/ oder andern dergleichen Verfuͤhrungen; und wende du dein
Gemuͤth ab von den Gedancken der jenigen Suͤnden. Das andere Lehr-
Stuck haſtu dir zu erwerben auß den Worten deines Heylands ſelbſten/
Krafft deren er die H. Chatarina von Senis unterrichtet. Auff daß du
zu der Vereinigung und Reinigkeit gelangen moͤgeſt/ iſt noͤthig/ daß du
keine Sach richteſt/ welche du ſieheſt/ daß von anderen oder gegen dich ſelb-
ſten/ oder gegen Frembde geſchicht oder geredet wird. Und wann du wuͤr-
deſt ſehen eine außtruͤckliche Suͤnde/ ſo kanſtu auß dieſen Doͤrnen eine wohl-
richende Roſe herauß ziehen/ wann du ſolche Suͤnder vor mir durch ein
wahres und Chriſtliches Mit-Leyden auffopffereſt: ſolcher Geſtalt wirſtu
die vollkommene Reinigkeit erreichen. Seynd das anſehnliche und ſtattli-
che Verheiſſungen? und was iſt doch leichter zu thuen/ als daß der Menſch/
ſo offt er ſeinen Naͤchſten ſuͤndigen ſehet oder hoͤret/ ſich zu GOtt wende/
und mit einem mit-leydigen Hertzen ſage: O mein ſuͤſſeſter JESU/ ſiehe/
mein Neben-Menſch hat dieſes oder jenes Ubel begangen; ob ſelbiges deinen
Goͤttlichen Augen auch ſo boͤß ſcheine/ als es mir vorkommet/ daß weiß ich
zumahlen nicht: dem ſeye/ wie ihm wolle; ich will dieſes nicht urtheilen;
ſondern dich meinen Barmhertzigſten GOtt und HErrn bitte ich; wann
villeicht mein Naͤchſter durch dieſe oder jene That deine unendliche Guͤtig-
keit erzuͤrnet hat/ du wolleſt ſeiner verſchoͤnen/ ihme gnugſame Gnad zur
Beſſerung verleyhen/ und von deinem Allerheiligſten Angeſicht deſſenthal-
ben nicht verwerffen: ſintemahlen ich dir zu Erſetzung dieſes Mangels auff-
opffere das koſtbahre Blut deines Allerliebſten Sohns JESU Chriſti/
ſambt deſſen unendlichen Liebe und Sanfftmuͤtigkeit/ mit denen Er uns
geduͤldet. Du weiß auch/ mein HErr und GOtt/ auß dem Boͤſen Gu-
tes hervorzubringen; derhalben bitte ich dich abermahl/ du wolleſt dieſe Miſ-
ſethat zu deiner groͤſſern Glory und Herrligkeit/ und deß ſuͤndigen Men-
ſchen mehrerer Demuth gereichen laſſen. Schließlich iſt auch/ O HErr/
mein inbruͤnſtiges Begehren; behuͤte doch die Augen der jenigen/ ſo dieſes
anſchauen/ und die Ohren die ſolches hoͤren/ damit ſie nicht geaͤrgert wer-
den; binde ihnen die Zung/ die Haͤnde/ ꝛc. damit ſie mit ſothaner Suͤnde
dich nicht beleidigen. Wann du dieſer Lehr ſolcher oder anderer Geſtalt emb-
ſig nachzuleben trachten werdeſt; ſo kanſtu dich verſicheren/ daß nicht allein
auß deines Naͤchſten Fall keine Straffmaͤſſigkeit zu gewarten habeſt; ſon-
dern auch darzu einen ſehr groſſen Schatz der Verdienſten zum Troſt dei-
ner armen Seelen verſamblen werdeſt.

Die
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[102/0130] Die Neunte Geiſtliche Lection Schuld oder dem ſchaͤdlichen Laſt deß Gebluͤts/ oder dem hefftigen Anfall der Verſuchungen/ oder dem Betrug der Welt und Boͤßheit deß leidigen Sathans/ oder andern dergleichen Verfuͤhrungen; und wende du dein Gemuͤth ab von den Gedancken der jenigen Suͤnden. Das andere Lehr- Stuck haſtu dir zu erwerben auß den Worten deines Heylands ſelbſten/ Krafft deren er die H. Chatarina von Senis unterrichtet. Auff daß du zu der Vereinigung und Reinigkeit gelangen moͤgeſt/ iſt noͤthig/ daß du keine Sach richteſt/ welche du ſieheſt/ daß von anderen oder gegen dich ſelb- ſten/ oder gegen Frembde geſchicht oder geredet wird. Und wann du wuͤr- deſt ſehen eine außtruͤckliche Suͤnde/ ſo kanſtu auß dieſen Doͤrnen eine wohl- richende Roſe herauß ziehen/ wann du ſolche Suͤnder vor mir durch ein wahres und Chriſtliches Mit-Leyden auffopffereſt: ſolcher Geſtalt wirſtu die vollkommene Reinigkeit erreichen. Seynd das anſehnliche und ſtattli- che Verheiſſungen? und was iſt doch leichter zu thuen/ als daß der Menſch/ ſo offt er ſeinen Naͤchſten ſuͤndigen ſehet oder hoͤret/ ſich zu GOtt wende/ und mit einem mit-leydigen Hertzen ſage: O mein ſuͤſſeſter JESU/ ſiehe/ mein Neben-Menſch hat dieſes oder jenes Ubel begangen; ob ſelbiges deinen Goͤttlichen Augen auch ſo boͤß ſcheine/ als es mir vorkommet/ daß weiß ich zumahlen nicht: dem ſeye/ wie ihm wolle; ich will dieſes nicht urtheilen; ſondern dich meinen Barmhertzigſten GOtt und HErrn bitte ich; wann villeicht mein Naͤchſter durch dieſe oder jene That deine unendliche Guͤtig- keit erzuͤrnet hat/ du wolleſt ſeiner verſchoͤnen/ ihme gnugſame Gnad zur Beſſerung verleyhen/ und von deinem Allerheiligſten Angeſicht deſſenthal- ben nicht verwerffen: ſintemahlen ich dir zu Erſetzung dieſes Mangels auff- opffere das koſtbahre Blut deines Allerliebſten Sohns JESU Chriſti/ ſambt deſſen unendlichen Liebe und Sanfftmuͤtigkeit/ mit denen Er uns geduͤldet. Du weiß auch/ mein HErr und GOtt/ auß dem Boͤſen Gu- tes hervorzubringen; derhalben bitte ich dich abermahl/ du wolleſt dieſe Miſ- ſethat zu deiner groͤſſern Glory und Herrligkeit/ und deß ſuͤndigen Men- ſchen mehrerer Demuth gereichen laſſen. Schließlich iſt auch/ O HErr/ mein inbruͤnſtiges Begehren; behuͤte doch die Augen der jenigen/ ſo dieſes anſchauen/ und die Ohren die ſolches hoͤren/ damit ſie nicht geaͤrgert wer- den; binde ihnen die Zung/ die Haͤnde/ ꝛc. damit ſie mit ſothaner Suͤnde dich nicht beleidigen. Wann du dieſer Lehr ſolcher oder anderer Geſtalt emb- ſig nachzuleben trachten werdeſt; ſo kanſtu dich verſicheren/ daß nicht allein auß deines Naͤchſten Fall keine Straffmaͤſſigkeit zu gewarten habeſt; ſon- dern auch darzu einen ſehr groſſen Schatz der Verdienſten zum Troſt dei- ner armen Seelen verſamblen werdeſt. Die

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/130>, abgerufen am 23.11.2024.