Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwey und Zwantzigste Geistliche Lection Mühe der Gewalt deß Teuffels entrissen hätte; wäre also mit seinem Scha-den bald in Erfahrung gerathen/ daß auch die Verrichtung der guten Werck ohne den Gehorsamb der Obrigkeit/ der Göttlichen Majestät zu wider seye Dieses bekräfftiget noch mehr ein ander Geistlicher Ley-Bruder desselbigen Idem Ibid. 1576Ordens/ so das Ambt deß Pförtners verwaltet. Dieser übete sich in ste- tem Fasten/ in Wasser und Brod und andern Buß-Wercken gar eifferig/ und verrichtete schier alles im Kloster mit blossen Füssen und unverdrießli- cher Mühe und Arbeit gantz allein: man konnte unterdessen/ an dessen Leib keinen/ auch den geringsten Mangel/ keine Erbleichung oder Entsetzlig- keit deß Angesichts/ so von dem schwähren Fasten und unerträglichen Ar- beit zu entstehen pfleget/ ersehen; sondern vielmehr muste man diesen Bru- der für den allergesundesten und stärckesten unter andern halten. Er ware immer also beschäfftiget/ das mit ihm der Guardian und andere ein grosses Mit-Leyden trugen/ und ihn öffters ermahneten/ das er seiner doch etwas verschönen wolte; denen er dann immer antwortete; daß von der Ar- beit und Buß-Wercken im geringsten nicht beschwäret werde/ sondern ihm dieses alles gar leicht und erträglich falle. Hierüber geschichts/ daß dem neu-angekommenen Generalen desselben Ordens/ Nahmens Thomä andere Brüder diese verwunderliche und aufferbäuliche Weiß zu le- ben erzehlen: welcher denselben Bruder zu sich beruffete/ und gantz beschei- dentlich ermahnte/ von sothaner Schärffe und fast unerträglichen Manier etwas nachzulassen. Dieser aber antwortete/ wie zuvorn/ daß ihm von allem/ was er thue/ nichts beschwerlich seye. Nun ware es der Brauch/ daß alle Brüder zu Anfangs deß Mittagmahls ihre Schuld vor dem Ge- neral deß Ordens bekenneten; in deren Zahl sich auch der offtgedachte Bru- der finden liesse/ dessen Hartnäckigkeit dem obgemeldten Vorsteher schon gnugsamb bewust ware: so dann nach gesprochener Schuld/ diesem Bru- der befohlen/ daß er all das jenige/ was er vorhin auß eigenem Willen verrich- tet/ fortahn auß Gehorsamb thuen solte. Kaum waren diese Wort auß- gesprochen/ siehe/ da fallet mein guter Bruder urplötzlich zur Erden; das Angesicht erbleichet/ die Wangen fallen ein/ die Zung erstummet/ alle Kräfften deß Leibs verschwinden angenblicklich/ und er wird halb todt zum Krancken-Hauß getragen. Da hat ein jeder alsbald vermercket/ daß die verlohrene Kräfften und gesunde Gestalt deß Leibs vom bösen Feind herkom- men seyen/ welcher in deß Bruders eigenen Willen posto gefasset hatte. Jst nachmahlen zur Gesundheit gelangt/ und allen ein Zeugnuß worden/ daß man auch die heilige Ubungen dem Gehorsamb nicht vorziehen müsse. 6. Wann
Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection Muͤhe der Gewalt deß Teuffels entriſſen haͤtte; waͤre alſo mit ſeinem Scha-den bald in Erfahrung gerathen/ daß auch die Verrichtung der guten Werck ohne den Gehorſamb der Obrigkeit/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu wider ſeye Dieſes bekraͤfftiget noch mehr ein ander Geiſtlicher Ley-Bruder deſſelbigen Idem Ibid. 1576Ordens/ ſo das Ambt deß Pfoͤrtners verwaltet. Dieſer uͤbete ſich in ſte- tem Faſten/ in Waſſer und Brod und andern Buß-Wercken gar eifferig/ und verrichtete ſchier alles im Kloſter mit bloſſen Fuͤſſen und unverdrießli- cher Muͤhe und Arbeit gantz allein: man konnte unterdeſſen/ an deſſen Leib keinen/ auch den geringſten Mangel/ keine Erbleichung oder Entſetzlig- keit deß Angeſichts/ ſo von dem ſchwaͤhren Faſten und unertraͤglichen Ar- beit zu entſtehen pfleget/ erſehen; ſondern vielmehr muſte man dieſen Bru- der fuͤr den allergeſundeſten und ſtaͤrckeſten unter andern halten. Er ware immer alſo beſchaͤfftiget/ das mit ihm der Guardian und andere ein groſſes Mit-Leyden trugen/ und ihn oͤffters ermahneten/ das er ſeiner doch etwas verſchoͤnen wolte; denen er dann immer antwortete; daß von der Ar- beit und Buß-Wercken im geringſten nicht beſchwaͤret werde/ ſondern ihm dieſes alles gar leicht und ertraͤglich falle. Hieruͤber geſchichts/ daß dem neu-angekommenen Generalen deſſelben Ordens/ Nahmens Thomaͤ andere Bruͤder dieſe verwunderliche und aufferbaͤuliche Weiß zu le- ben erzehlen: welcher denſelben Bruder zu ſich beruffete/ und gantz beſchei- dentlich ermahnte/ von ſothaner Schaͤrffe und faſt unertraͤglichen Manier etwas nachzulaſſen. Dieſer aber antwortete/ wie zuvorn/ daß ihm von allem/ was er thue/ nichts beſchwerlich ſeye. Nun ware es der Brauch/ daß alle Bruͤder zu Anfangs deß Mittagmahls ihre Schuld vor dem Ge- neral deß Ordens bekenneten; in deren Zahl ſich auch der offtgedachte Bru- der finden lieſſe/ deſſen Hartnaͤckigkeit dem obgemeldten Vorſteher ſchon gnugſamb bewuſt ware: ſo dann nach geſprochener Schuld/ dieſem Bru- der befohlen/ daß er all das jenige/ was er vorhin auß eigenem Willen verrich- tet/ fortahn auß Gehorſamb thuen ſolte. Kaum waren dieſe Wort auß- geſprochen/ ſiehe/ da fallet mein guter Bruder urploͤtzlich zur Erden; das Angeſicht erbleichet/ die Wangen fallen ein/ die Zung erſtummet/ alle Kraͤfften deß Leibs verſchwinden angenblicklich/ und er wird halb todt zum Krancken-Hauß getragen. Da hat ein jeder alsbald vermercket/ daß die verlohrene Kraͤfften und geſunde Geſtalt deß Leibs vom boͤſen Feind herkom- men ſeyen/ welcher in deß Bruders eigenen Willen poſto gefaſſet hatte. Jſt nachmahlen zur Geſundheit gelangt/ und allen ein Zeugnuß worden/ daß man auch die heilige Ubungen dem Gehorſamb nicht vorziehen muͤſſe. 6. Wann
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Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Muͤhe der Gewalt deß Teuffels entriſſen haͤtte; waͤre alſo mit ſeinem Scha-
den bald in Erfahrung gerathen/ daß auch die Verrichtung der guten Werck
ohne den Gehorſamb der Obrigkeit/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu wider ſeye
Dieſes bekraͤfftiget noch mehr ein ander Geiſtlicher Ley-Bruder deſſelbigen
Ordens/ ſo das Ambt deß Pfoͤrtners verwaltet. Dieſer uͤbete ſich in ſte-
tem Faſten/ in Waſſer und Brod und andern Buß-Wercken gar eifferig/
und verrichtete ſchier alles im Kloſter mit bloſſen Fuͤſſen und unverdrießli-
cher Muͤhe und Arbeit gantz allein: man konnte unterdeſſen/ an deſſen
Leib keinen/ auch den geringſten Mangel/ keine Erbleichung oder Entſetzlig-
keit deß Angeſichts/ ſo von dem ſchwaͤhren Faſten und unertraͤglichen Ar-
beit zu entſtehen pfleget/ erſehen; ſondern vielmehr muſte man dieſen Bru-
der fuͤr den allergeſundeſten und ſtaͤrckeſten unter andern halten. Er ware
immer alſo beſchaͤfftiget/ das mit ihm der Guardian und andere ein groſſes
Mit-Leyden trugen/ und ihn oͤffters ermahneten/ das er ſeiner doch etwas
verſchoͤnen wolte; denen er dann immer antwortete; daß von der Ar-
beit und Buß-Wercken im geringſten nicht beſchwaͤret werde/ ſondern
ihm dieſes alles gar leicht und ertraͤglich falle. Hieruͤber geſchichts/
daß dem neu-angekommenen Generalen deſſelben Ordens/ Nahmens
Thomaͤ andere Bruͤder dieſe verwunderliche und aufferbaͤuliche Weiß zu le-
ben erzehlen: welcher denſelben Bruder zu ſich beruffete/ und gantz beſchei-
dentlich ermahnte/ von ſothaner Schaͤrffe und faſt unertraͤglichen Manier
etwas nachzulaſſen. Dieſer aber antwortete/ wie zuvorn/ daß ihm von
allem/ was er thue/ nichts beſchwerlich ſeye. Nun ware es der Brauch/
daß alle Bruͤder zu Anfangs deß Mittagmahls ihre Schuld vor dem Ge-
neral deß Ordens bekenneten; in deren Zahl ſich auch der offtgedachte Bru-
der finden lieſſe/ deſſen Hartnaͤckigkeit dem obgemeldten Vorſteher ſchon
gnugſamb bewuſt ware: ſo dann nach geſprochener Schuld/ dieſem Bru-
der befohlen/ daß er all das jenige/ was er vorhin auß eigenem Willen verrich-
tet/ fortahn auß Gehorſamb thuen ſolte. Kaum waren dieſe Wort auß-
geſprochen/ ſiehe/ da fallet mein guter Bruder urploͤtzlich zur Erden; das
Angeſicht erbleichet/ die Wangen fallen ein/ die Zung erſtummet/ alle
Kraͤfften deß Leibs verſchwinden angenblicklich/ und er wird halb todt zum
Krancken-Hauß getragen. Da hat ein jeder alsbald vermercket/ daß die
verlohrene Kraͤfften und geſunde Geſtalt deß Leibs vom boͤſen Feind herkom-
men ſeyen/ welcher in deß Bruders eigenen Willen poſto gefaſſet hatte. Jſt
nachmahlen zur Geſundheit gelangt/ und allen ein Zeugnuß worden/ daß
man auch die heilige Ubungen dem Gehorſamb nicht vorziehen muͤſſe.
Idem
Ibid. 1576
6. Wann
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/300>, abgerufen am 16.07.2024. |