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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Ein und Dreyssigste Geistliche Lection
Ruffinus
l. 3. n.
91.

5. Ein Alter/ als er vonseinen Brüdern gefragt wurde/ wie er der Kinder/
so das Viehe weideten/ Stimm vertragen könnte/ hat geantwortet: Jn der
Warheit/ Bruder/ ich habe vicle Tage gedacht/ ihnen etwas zu wollen sa-
gen/ aber ich habe mich selbst gestrafft/ indem ich bey mir betrachtete/ wan ich
diß kleine nit vertrage/ wie werd ich ein grössere Versuchung/ wan sie komt/
vertragen/ und deßwegen sage ich ihnen nichts/ damit ich eine Gewonheit sie
L. 3. e p. 5.zu vertragen überkomme. Derowegen ist der H. Franeiseus Xaverius
gar wohl gewohnet gewesen zu sagen: niemand betriege sich selbst/ es kan
niemand in grossen Sachen hervorleuchten/ wers nicht zuvorn im
geringsten thut. Dann welcher eine kleine Last nicht tragen kan/ der
wird desto weniger eine grosse tragen. Deßwegen/ mein lieber Bruder/
bemühe dich/ die kleine Dinge starckmüthig zu vertragen/ da-
mit du grössere/ nach ereigneter Gelegenheit/ vertragen könnest. Eifere/
wie der Apostel mahnet/ nach den besten Gaben/ in Haltung nemb-
lich nicht allein der Gebott/ sondern auch der Räthe. Umbfasse das jenige/
welches nun kürtzlich von der Sorge für die kleinesten Dinge gesagt ist/ dann
also und nicht anderst wirstu den Berg der Vollkommenheit auffsteigen.
Dann wie ein Vogel/ wann er beyde Flügel hat/ sich leichtlich in die Lufft
schwinget/ welcher doch/ wann er nur einen hätte/ sich schwerlich von der Er-
den erhebete/ in dem einer eine Last ist/ beyde aber eine Erleuchterung: Also/
wer sich fürnimbt/ die Gebott allein zu halten/ und das jenige/ welches unter
einer Sünde verbindet/ der wird mit grosser Beschwernüß sich und sein Ge-
müth zu dem Himmlischen erheben/ und wird in immerwehrender Gefahr
zu fallen schweben. Ein anders aber ists mit dem/ welcher die Gebott und
die Evangelische Räthe/ wie auch seines Ordens besondere Gesetze/ so zur
P. 1. de
Perf. tr. 1.
c.
20.
Sünde nicht verbinden/ zu halten beschlossen hat. Endlich der Alphonsus
Rodriquez,
als er von dieser Sach redet/ beschliesset also und sagt: wir sollen
dieses/ was von dieser Sache geredet worden/ so hoch halten/ daß sie vor eine
Haupt-Regul diene/ nemblich/ so lang jemand die kleine Sachen achten
und hochschätzen wird/ wird er recht einher gehen/ und Gott wird ihn mit sei-
ner Gnad weiter bringen: hergegen/ so er sie verachtet/ wird er gefährlich
elnhergehen/ weil nemblich durch diese Thür alles Ubel in das geistliche
Hauß deß Geistlichen einlauffen. Und daß es damit also seye/ wird auß
dem folgenden Theil weitläufftiger erhellen.

Der
Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Ruffinus
l. 3. n.
91.

5. Ein Alter/ als er vonſeinen Bruͤdern gefragt wurde/ wie er der Kinder/
ſo das Viehe weideten/ Stimm vertragen koͤnnte/ hat geantwortet: Jn der
Warheit/ Bruder/ ich habe vicle Tage gedacht/ ihnen etwas zu wollen ſa-
gen/ aber ich habe mich ſelbſt geſtrafft/ indem ich bey mir betrachtete/ wan ich
diß kleine nit vertrage/ wie werd ich ein groͤſſere Verſuchung/ wan ſie komt/
vertragen/ und deßwegen ſage ich ihnen nichts/ damit ich eine Gewonheit ſie
L. 3. e p. 5.zu vertragen uͤberkomme. Derowegen iſt der H. Franeiſeus Xaverius
gar wohl gewohnet geweſen zu ſagen: niemand betriege ſich ſelbſt/ es kan
niemand in groſſen Sachen hervorleuchten/ wers nicht zuvorn im
geringſten thut. Dann welcher eine kleine Laſt nicht tragen kan/ der
wird deſto weniger eine groſſe tragen. Deßwegen/ mein lieber Bruder/
bemuͤhe dich/ die kleine Dinge ſtarckmuͤthig zu vertragen/ da-
mit du groͤſſere/ nach ereigneter Gelegenheit/ vertragen koͤnneſt. Eifere/
wie der Apoſtel mahnet/ nach den beſten Gaben/ in Haltung nemb-
lich nicht allein der Gebott/ ſondern auch der Raͤthe. Umbfaſſe das jenige/
welches nun kuͤrtzlich von der Sorge fuͤr die kleineſten Dinge geſagt iſt/ dann
alſo und nicht anderſt wirſtu den Berg der Vollkommenheit auffſteigen.
Dann wie ein Vogel/ wann er beyde Fluͤgel hat/ ſich leichtlich in die Lufft
ſchwinget/ welcher doch/ wann er nur einen haͤtte/ ſich ſchwerlich von der Er-
den erhebete/ in dem einer eine Laſt iſt/ beyde aber eine Erleuchterung: Alſo/
wer ſich fuͤrnimbt/ die Gebott allein zu halten/ und das jenige/ welches unter
einer Suͤnde verbindet/ der wird mit groſſer Beſchwernuͤß ſich und ſein Ge-
muͤth zu dem Himmliſchen erheben/ und wird in immerwehrender Gefahr
zu fallen ſchweben. Ein anders aber iſts mit dem/ welcher die Gebott und
die Evangeliſche Raͤthe/ wie auch ſeines Ordens beſondere Geſetze/ ſo zur
P. 1. de
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Suͤnde nicht verbinden/ zu halten beſchloſſen hat. Endlich der Alphonſus
Rodriquez,
als er von dieſer Sach redet/ beſchlieſſet alſo und ſagt: wir ſollen
dieſes/ was von dieſer Sache geredet worden/ ſo hoch halten/ daß ſie vor eine
Haupt-Regul diene/ nemblich/ ſo lang jemand die kleine Sachen achten
und hochſchaͤtzen wird/ wird er recht einher gehen/ und Gott wird ihn mit ſei-
ner Gnad weiter bringen: hergegen/ ſo er ſie verachtet/ wird er gefaͤhrlich
elnhergehen/ weil nemblich durch dieſe Thuͤr alles Ubel in das geiſtliche
Hauß deß Geiſtlichen einlauffen. Und daß es damit alſo ſeye/ wird auß
dem folgenden Theil weitlaͤufftiger erhellen.

Der
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[384/0412] Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection 5. Ein Alter/ als er vonſeinen Bruͤdern gefragt wurde/ wie er der Kinder/ ſo das Viehe weideten/ Stimm vertragen koͤnnte/ hat geantwortet: Jn der Warheit/ Bruder/ ich habe vicle Tage gedacht/ ihnen etwas zu wollen ſa- gen/ aber ich habe mich ſelbſt geſtrafft/ indem ich bey mir betrachtete/ wan ich diß kleine nit vertrage/ wie werd ich ein groͤſſere Verſuchung/ wan ſie komt/ vertragen/ und deßwegen ſage ich ihnen nichts/ damit ich eine Gewonheit ſie zu vertragen uͤberkomme. Derowegen iſt der H. Franeiſeus Xaverius gar wohl gewohnet geweſen zu ſagen: niemand betriege ſich ſelbſt/ es kan niemand in groſſen Sachen hervorleuchten/ wers nicht zuvorn im geringſten thut. Dann welcher eine kleine Laſt nicht tragen kan/ der wird deſto weniger eine groſſe tragen. Deßwegen/ mein lieber Bruder/ bemuͤhe dich/ die kleine Dinge ſtarckmuͤthig zu vertragen/ da- mit du groͤſſere/ nach ereigneter Gelegenheit/ vertragen koͤnneſt. Eifere/ wie der Apoſtel mahnet/ nach den beſten Gaben/ in Haltung nemb- lich nicht allein der Gebott/ ſondern auch der Raͤthe. Umbfaſſe das jenige/ welches nun kuͤrtzlich von der Sorge fuͤr die kleineſten Dinge geſagt iſt/ dann alſo und nicht anderſt wirſtu den Berg der Vollkommenheit auffſteigen. Dann wie ein Vogel/ wann er beyde Fluͤgel hat/ ſich leichtlich in die Lufft ſchwinget/ welcher doch/ wann er nur einen haͤtte/ ſich ſchwerlich von der Er- den erhebete/ in dem einer eine Laſt iſt/ beyde aber eine Erleuchterung: Alſo/ wer ſich fuͤrnimbt/ die Gebott allein zu halten/ und das jenige/ welches unter einer Suͤnde verbindet/ der wird mit groſſer Beſchwernuͤß ſich und ſein Ge- muͤth zu dem Himmliſchen erheben/ und wird in immerwehrender Gefahr zu fallen ſchweben. Ein anders aber iſts mit dem/ welcher die Gebott und die Evangeliſche Raͤthe/ wie auch ſeines Ordens beſondere Geſetze/ ſo zur Suͤnde nicht verbinden/ zu halten beſchloſſen hat. Endlich der Alphonſus Rodriquez, als er von dieſer Sach redet/ beſchlieſſet alſo und ſagt: wir ſollen dieſes/ was von dieſer Sache geredet worden/ ſo hoch halten/ daß ſie vor eine Haupt-Regul diene/ nemblich/ ſo lang jemand die kleine Sachen achten und hochſchaͤtzen wird/ wird er recht einher gehen/ und Gott wird ihn mit ſei- ner Gnad weiter bringen: hergegen/ ſo er ſie verachtet/ wird er gefaͤhrlich elnhergehen/ weil nemblich durch dieſe Thuͤr alles Ubel in das geiſtliche Hauß deß Geiſtlichen einlauffen. Und daß es damit alſo ſeye/ wird auß dem folgenden Theil weitlaͤufftiger erhellen. L. 3. e p. 5. P. 1. de Perf. tr. 1. c. 20. Der

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/412>, abgerufen am 22.11.2024.