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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Vom gutem Exempel.
S. Franciscus, der den seinigen diese Lehr mit folgenden Worten vorgeschrie-Franc.
coll.
2.

ben: Brüder! betrachtet unsern Beruff/ mit welchem uns der barmher-
tzige GOTT nicht allein für unsern/ sondern auch für vieler Seeligkeit
beruffen hat/ damit wir durch die Welt gehen/ alle mehr mit dem Exempel
als mit Worten zu ermahnen. Lyranus schreibt/ daß derselbe Patriarch dieLyran. in
c. 2.
Ruth.
1. Reg.
2.
5.

jenige Wort deß Gesangs S. Annae also außzulegen seye gewohnet gewe-
sen: Die unfruchtbare hat viel Kinder gebohren/ und die je-
nige so viel Söhne hat/ ist schwach worden.
Er nennete einen
einfältigen Bruder unfruchtbar/ der das Ambt zu predigen nicht hat/ durch
welches Söhne gezeugt werden/ das ist die Kirche Gottes/ nach deß Apostels
Zeugnüß: Jch habe euch durch das Evangelium in CHristo1. Cor. 4.
15.

Jesu gezeuget. Und ein solcher einfältiger Bruder nutzet mit seinem ex
emplari
schen Leben mehr ihm und andern/ als ein wortreicher Prediger. Fer-
ner damit dieses seraphischen Manns Lehr von seinen Wercken nicht unter-
schieden wäre/ hat er dieß Exempel beygesetzt. Er hatte einsmahls seinen Ge-
sellen geruffen/ und gesagt: komme/ wir wollen gehen und predigen: sie gien-
gen durch alle Strassen der Statt/ mit geneigtem Haubt/ mit zur Erden nie-
dergeschlagenen Augen/ mit einem Leib gantz und gar nach der Bescheiden-
heit gerichtet/ mit einem demütigen und andächtigen Gang/ also/ daß alle die
jenige/ welche sie so einher gehen sahen/ zur Rew/ zur Vermaledeyung der
Sünden und zur Verlassung der Welt bewegt/ und zum Gehorsamb Gottes
angezündet wurden Als dieses geschehen/ ist er also bald wieder ins Convent
gegangen/ zu dem sein Gesell gesagt: so werden wir dann/ H. Vatter nicht
predigen? dem der H. Vatter geantwortet/ wir haben nun in der That unsere
Predig verrichtet: der Gesell fragte/ welcher Gestalt/ ich hab ja nicht ein einig
Wort von dir vorgebracht gehöret? ach Bruder/ antwortete der H. Patri-
arch: es ist eine Predig/ und zwar die allerbeste und nützlichste gehalten wor-
den: weist du/ welche sie gewesen? ein gutes Exempel, welches wir gezeiget:
und warhafftig/ der Außgang hats bewiesen/ daß diese wunderliche Weiß zu
predigen kräfftig gewesen/ dann ein wenig darnach viele gekommen/ welche
mit dem geistlichen Kleid angethan zu werden verlanget haben.

4. Dann ein gut Exempel lässet sich schon den Himmeln vergleichen:
dann gleich wie die Himmelen/ sagt Chrysostomus/ ob sie wohl schweigen/ mitHom. 3.
in Gen.

ihrem Anschauen allein die Menschen zum Lob Gottes einladen/ absonderlich
wann zu Nachts die hellscheinende Sterne erscheinen: also machen auch
die Vollkommene/ und mit den Sternen der Tugenden grziehrte
Leute/ daß GOTT/ ob sie gleich stillschweigen/ gelobt werde/ welches

man
D d d 2

Vom gutem Exempel.
S. Franciſcus, der den ſeinigen dieſe Lehr mit folgenden Worten vorgeſchrie-Franc.
coll.
2.

ben: Bruͤder! betrachtet unſern Beruff/ mit welchem uns der barmher-
tzige GOTT nicht allein fuͤr unſern/ ſondern auch fuͤr vieler Seeligkeit
beruffen hat/ damit wir durch die Welt gehen/ alle mehr mit dem Exempel
als mit Worten zu ermahnen. Lyranus ſchreibt/ daß derſelbe Patriarch dieLyran. in
c. 2.
Ruth.
1. Reg.
2.
5.

jenige Wort deß Geſangs S. Annæ alſo außzulegen ſeye gewohnet gewe-
ſen: Die unfruchtbare hat viel Kinder gebohren/ und die je-
nige ſo viel Soͤhne hat/ iſt ſchwach worden.
Er nennete einen
einfaͤltigen Bruder unfruchtbar/ der das Ambt zu predigen nicht hat/ durch
welches Soͤhne gezeugt werden/ das iſt die Kirche Gottes/ nach deß Apoſtels
Zeugnuͤß: Jch habe euch durch das Evangelium in CHriſto1. Cor. 4.
15.

Jeſu gezeuget. Und ein ſolcher einfaͤltiger Bruder nutzet mit ſeinem ex
emplari
ſchen Leben mehr ihm und andern/ als ein wortreicher Prediger. Fer-
ner damit dieſes ſeraphiſchen Manns Lehr von ſeinen Wercken nicht unter-
ſchieden waͤre/ hat er dieß Exempel beygeſetzt. Er hatte einsmahls ſeinen Ge-
ſellen geruffen/ und geſagt: komme/ wir wollen gehen und predigen: ſie gien-
gen durch alle Straſſen der Statt/ mit geneigtem Haubt/ mit zur Erden nie-
dergeſchlagenen Augen/ mit einem Leib gantz und gar nach der Beſcheiden-
heit gerichtet/ mit einem demuͤtigen und andaͤchtigen Gang/ alſo/ daß alle die
jenige/ welche ſie ſo einher gehen ſahen/ zur Rew/ zur Vermaledeyung der
Suͤnden und zur Verlaſſung der Welt bewegt/ und zum Gehorſamb Gottes
angezuͤndet wurden Als dieſes geſchehen/ iſt er alſo bald wieder ins Convent
gegangen/ zu dem ſein Geſell geſagt: ſo werden wir dann/ H. Vatter nicht
predigen? dem der H. Vatter geantwortet/ wir haben nun in der That unſere
Predig verrichtet: der Geſell fragte/ welcher Geſtalt/ ich hab ja nicht ein einig
Wort von dir vorgebracht gehoͤret? ach Bruder/ antwortete der H. Patri-
arch: es iſt eine Predig/ und zwar die allerbeſte und nuͤtzlichſte gehalten wor-
den: weiſt du/ welche ſie geweſen? ein gutes Exempel, welches wir gezeiget:
und warhafftig/ der Außgang hats bewieſen/ daß dieſe wunderliche Weiß zu
predigen kraͤfftig geweſen/ dann ein wenig darnach viele gekommen/ welche
mit dem geiſtlichen Kleid angethan zu werden verlanget haben.

4. Dann ein gut Exempel laͤſſet ſich ſchon den Himmeln vergleichen:
dann gleich wie die Himmelen/ ſagt Chryſoſtomus/ ob ſie wohl ſchweigen/ mitHom. 3.
in Gen.

ihrem Anſchauen allein die Menſchen zum Lob Gottes einladen/ abſonderlich
wann zu Nachts die hellſcheinende Sterne erſcheinen: alſo machen auch
die Vollkommene/ und mit den Sternen der Tugenden grziehrte
Leute/ daß GOTT/ ob ſie gleich ſtillſchweigen/ gelobt werde/ welches

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[395/0423] Vom gutem Exempel. S. Franciſcus, der den ſeinigen dieſe Lehr mit folgenden Worten vorgeſchrie- ben: Bruͤder! betrachtet unſern Beruff/ mit welchem uns der barmher- tzige GOTT nicht allein fuͤr unſern/ ſondern auch fuͤr vieler Seeligkeit beruffen hat/ damit wir durch die Welt gehen/ alle mehr mit dem Exempel als mit Worten zu ermahnen. Lyranus ſchreibt/ daß derſelbe Patriarch die jenige Wort deß Geſangs S. Annæ alſo außzulegen ſeye gewohnet gewe- ſen: Die unfruchtbare hat viel Kinder gebohren/ und die je- nige ſo viel Soͤhne hat/ iſt ſchwach worden. Er nennete einen einfaͤltigen Bruder unfruchtbar/ der das Ambt zu predigen nicht hat/ durch welches Soͤhne gezeugt werden/ das iſt die Kirche Gottes/ nach deß Apoſtels Zeugnuͤß: Jch habe euch durch das Evangelium in CHriſto Jeſu gezeuget. Und ein ſolcher einfaͤltiger Bruder nutzet mit ſeinem ex emplariſchen Leben mehr ihm und andern/ als ein wortreicher Prediger. Fer- ner damit dieſes ſeraphiſchen Manns Lehr von ſeinen Wercken nicht unter- ſchieden waͤre/ hat er dieß Exempel beygeſetzt. Er hatte einsmahls ſeinen Ge- ſellen geruffen/ und geſagt: komme/ wir wollen gehen und predigen: ſie gien- gen durch alle Straſſen der Statt/ mit geneigtem Haubt/ mit zur Erden nie- dergeſchlagenen Augen/ mit einem Leib gantz und gar nach der Beſcheiden- heit gerichtet/ mit einem demuͤtigen und andaͤchtigen Gang/ alſo/ daß alle die jenige/ welche ſie ſo einher gehen ſahen/ zur Rew/ zur Vermaledeyung der Suͤnden und zur Verlaſſung der Welt bewegt/ und zum Gehorſamb Gottes angezuͤndet wurden Als dieſes geſchehen/ iſt er alſo bald wieder ins Convent gegangen/ zu dem ſein Geſell geſagt: ſo werden wir dann/ H. Vatter nicht predigen? dem der H. Vatter geantwortet/ wir haben nun in der That unſere Predig verrichtet: der Geſell fragte/ welcher Geſtalt/ ich hab ja nicht ein einig Wort von dir vorgebracht gehoͤret? ach Bruder/ antwortete der H. Patri- arch: es iſt eine Predig/ und zwar die allerbeſte und nuͤtzlichſte gehalten wor- den: weiſt du/ welche ſie geweſen? ein gutes Exempel, welches wir gezeiget: und warhafftig/ der Außgang hats bewieſen/ daß dieſe wunderliche Weiß zu predigen kraͤfftig geweſen/ dann ein wenig darnach viele gekommen/ welche mit dem geiſtlichen Kleid angethan zu werden verlanget haben. Franc. coll. 2. Lyran. in c. 2. Ruth. 1. Reg. 2. 5. 1. Cor. 4. 15. 4. Dann ein gut Exempel laͤſſet ſich ſchon den Himmeln vergleichen: dann gleich wie die Himmelen/ ſagt Chryſoſtomus/ ob ſie wohl ſchweigen/ mit ihrem Anſchauen allein die Menſchen zum Lob Gottes einladen/ abſonderlich wann zu Nachts die hellſcheinende Sterne erſcheinen: alſo machen auch die Vollkommene/ und mit den Sternen der Tugenden grziehrte Leute/ daß GOTT/ ob ſie gleich ſtillſchweigen/ gelobt werde/ welches man Hom. 3. in Gen. D d d 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/423>, abgerufen am 22.11.2024.