Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die andere Geistliche Lection Tag lang verschwiegen. Endlich aber/ da er von ihme gefragt worden/hat er/ wiewohlen ungern/ geantwortet/ daß er der Zahl der Verdambten zugeeignet seye: dann selbiger/ weilen er in der heiligen Schrifft sonder- lich erfahren; mit danckbahrem Hertzen gesprochen: Gebenedeyet sey GOTT: nun will ich gleichwohl nicht verzweifelen; sondern will viel- mehr diejenige Buß/ so ich zum Eingang in das Geistliche Leben hab angefangen/ hinführo zwey- ja dreyfach vermehren/ biß ich endlich Gnad und Barmhertzigkeit bey deme/ der unendlich gütig ist/ finden möge. Nach geraumer Zeit hernach ist abermahl dem vorgemeldten Geistlichen offen- bahret worden/ daß dieser sein Mit-Bruder unter die Seeligmässige ge- zehlet wurde; und nachdem er selbige Zeitung ihme mit grossem Frohlo- cken hinterbracht/ ist dieser nicht ohne sonderbahre Freud in seinen Göttli- chen Ubungen standhäfftig fortgefahren/ und also täglich von einer Tugend zu der andern schreitend ohne unterlaß im Guten verharret. 14. Jst dann nicht wahr/ mein Christliche Seel/ was der Königliche polis
Die andere Geiſtliche Lection Tag lang verſchwiegen. Endlich aber/ da er von ihme gefragt worden/hat er/ wiewohlen ungern/ geantwortet/ daß er der Zahl der Verdambten zugeeignet ſeye: dann ſelbiger/ weilen er in der heiligen Schrifft ſonder- lich erfahren; mit danckbahrem Hertzen geſprochen: Gebenedeyet ſey GOTT: nun will ich gleichwohl nicht verzweifelen; ſondern will viel- mehr diejenige Buß/ ſo ich zum Eingang in das Geiſtliche Leben hab angefangen/ hinfuͤhro zwey- ja dreyfach vermehren/ biß ich endlich Gnad und Barmhertzigkeit bey deme/ der unendlich guͤtig iſt/ finden moͤge. Nach geraumer Zeit hernach iſt abermahl dem vorgemeldten Geiſtlichen offen- bahret worden/ daß dieſer ſein Mit-Bruder unter die Seeligmaͤſſige ge- zehlet wurde; und nachdem er ſelbige Zeitung ihme mit groſſem Frohlo- cken hinterbracht/ iſt dieſer nicht ohne ſonderbahre Freud in ſeinen Goͤttli- chen Ubungen ſtandhaͤfftig fortgefahren/ und alſo taͤglich von einer Tugend zu der andern ſchreitend ohne unterlaß im Guten verharret. 14. Jſt dann nicht wahr/ mein Chriſtliche Seel/ was der Koͤnigliche polis
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Die andere Geiſtliche Lection
Tag lang verſchwiegen. Endlich aber/ da er von ihme gefragt worden/
hat er/ wiewohlen ungern/ geantwortet/ daß er der Zahl der Verdambten
zugeeignet ſeye: dann ſelbiger/ weilen er in der heiligen Schrifft ſonder-
lich erfahren; mit danckbahrem Hertzen geſprochen: Gebenedeyet ſey
GOTT: nun will ich gleichwohl nicht verzweifelen; ſondern will viel-
mehr diejenige Buß/ ſo ich zum Eingang in das Geiſtliche Leben hab
angefangen/ hinfuͤhro zwey- ja dreyfach vermehren/ biß ich endlich Gnad
und Barmhertzigkeit bey deme/ der unendlich guͤtig iſt/ finden moͤge. Nach
geraumer Zeit hernach iſt abermahl dem vorgemeldten Geiſtlichen offen-
bahret worden/ daß dieſer ſein Mit-Bruder unter die Seeligmaͤſſige ge-
zehlet wurde; und nachdem er ſelbige Zeitung ihme mit groſſem Frohlo-
cken hinterbracht/ iſt dieſer nicht ohne ſonderbahre Freud in ſeinen Goͤttli-
chen Ubungen ſtandhaͤfftig fortgefahren/ und alſo taͤglich von einer Tugend
zu der andern ſchreitend ohne unterlaß im Guten verharret.
14. Jſt dann nicht wahr/ mein Chriſtliche Seel/ was der Koͤnigliche
Prophet meldet: Wer auff den HErrn vertrauet/ den wird
Barmhertzigkeit umbgeben. Jn was fuͤr elenden Stand ſolte
dieſer Geiſtliche gerathen ſeyn/ wann er auff ſo traurige Bottſchafft als-
bald die Hoffnung von ſich geworffen hette! meines erachtens wuͤrde er
ſich in der Tieffe der Verzweiffelung/ und folgens in den Abgrund der
Hoͤllen geſtuͤrtzet haben. Weilen er aber wohl wuſte/ daß der Menſchen-
Heyland nicht kommen ſeye/ die Suͤnder zu verderben/ ſondern ſeelig zu
machen/ darumb hat er feſtiglich geglaubet/ daß ihm nicht die Hoͤlle/
ſondern der Himmel zu Theil werden koͤnne: und/ ſiehe/ was er gehoffet/
das hat er erlanget/ nach dem Spruch deß weiſſen Man: Wiſſet/
daß keiner auff den HERR vertrauet hat/ und iſt zu
ſchanden worden. Damit wir nun dich mit Verziehung dieſer
unſerer Ermahnung nicht zu lang auffhalten/ ſo wollen wir dieſelbe ſchlieſſen
mit deme/ was die gelehrte Scribenten Evagrius, Nicephorus und an-
dere laſſen hervorkommen; daß nemblich unter andern Mahlen/ auch
im Jahr CHriſti 528. die Stadt Antiochia mit einer gefaͤhrlichen Erd-Be-
wegung ſeye heimbgeſucht worden. Zu ſelbiger Zeit hat GOTT einem
ſichern heiligen Mann dieſen Rath gegeben; daß man uͤber alle Hauß-
thuͤren auſſerhalb ſchreiben ſolle: Chriſtus eſt nobiscum, ſta. Chri-
ſtus iſt mit uns/ ſtehe. Dieſer ware freywillig ein ſehr heylſa-
mer Rath: dann allen den jenigen/ ſo ihre Haͤuſer mit dieſem Schild be-
waffnet haben/ hat dieſe erſchreckliche Erdbidem keinen Schaden zuge-
fuͤgt: dahero dieſe Stadt einen neuen Nahmen bekommen/ nemblich Teo-
polis
Pſal. 31.
v. 10.
Eccl. c. 2.
v. 11.
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