Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Danckbarkeit.
Wurde deiner Erlösung wirst erkennet haben; so schäme
dich fortan mehr zu sundigen.
Und/ wann ich/ sagt abermahl
der H. Bernardus mich selhsten gantz schuldig bin/ dieweilen
ich erschaffen bin; was soll ich dann hinzu setzen/ daß ich/
der ich verdorben ware/ wiederumb zu recht gebracht bin?
und daß zwarn auff solche Weiß und Manier? Dann ich
bin nicht so leichtlich wiederumb zurecht gebracht worden/
als ich bin gemacht worden: im ersten Werck/ nemblich
in der Erschaffung/ hat GOtt mich mir gegeben: die-
weilen ich nun mir gegeben bin/ und darzu wiederumb
zurecht gebracht worden/ da ich zumahlen verdorben und
vernichtiget ware; so bin ich mich für mich schuldig/ und
zweymahl schuldig/ einmahl daß ich erschaffen bin/ und
einmahl/ da ich verlohren ware/ wiederumb auffs neue
gleichsamb gemacht bin. Was soll ich dann meinem
GOtt erstatten für ihn selbsten: dann/ so ich mich schon
tausendmahl ihm geben würde/ was bin ich gegen GOtt
zu achten:

6. Diese füsse und holdseelige Wort hören wir an/ wir lesen und wissen
sie; und dannoch ist unsere Bößheit und Undanckbarkeit so groß/ daß wir
dieses nicht allein offtmahls bey uns zu erwegen vernachlässigen; sondern
auch so grosse Lieb nur mit Haaß/ und solche stattliche Freyheit nur mit
Bößheit vergelten. Und dieses ist/ das dem liebreichen Heyland am Creutz
die Zähren auß den Augen getrieben hat/ wie der Apostel bezeuget/ und sagt:
Welcher mit einem starcken Geschrey und mit ThränenHebr. 5 7.
Apud S.
Bonav.
6. in Pa-
rasc.

auffgeopffert hat; nemblich sich selbsten. Christus hat am Creutz
geweinet/
sagt der heilige Bernardus/ dieweilen dessen Leyden/
welches für alle Menschen seelig zu machen gnugsamb be-
standt ware/ gleichwohl an so vielen verlohren gienge.
Die innerliche Schmertzen Christi/ wegen der menschli-
chen Vndanckbarkeit/ seynd viel grösser gewesen/ als die
äusserliche Peynen deß Leibs.
Derhalben sagt er bey dem Kö-
niglichen Propheten: Sie haben über den Schmertzen mei-Psal. 68.
ner Wunden mehr hinzu gethan. Und der Geistreiche Vatter
Hugo de S. Victore redet in der Persohn deß am Creutz hangenden Hey-
lands also:

Sehe
R r r

Von der Danckbarkeit.
Wůrde deiner Erloͤſung wirſt erkennet haben; ſo ſchaͤme
dich fortan mehr zu ſundigen.
Und/ wann ich/ ſagt abermahl
der H. Bernardus mich ſelhſten gantz ſchuldig bin/ dieweilen
ich erſchaffen bin; was ſoll ich dann hinzu ſetzen/ daß ich/
der ich verdorben ware/ wiederumb zu recht gebracht bin?
und daß zwarn auff ſolche Weiß und Manier? Dann ich
bin nicht ſo leichtlich wiederumb zurecht gebracht worden/
als ich bin gemacht worden: im erſten Werck/ nemblich
in der Erſchaffung/ hat GOtt mich mir gegeben: die-
weilen ich nun mir gegeben bin/ und darzu wiederumb
zurecht gebracht worden/ da ich zumahlen verdorben und
vernichtiget ware; ſo bin ich mich für mich ſchůldig/ und
zweymahl ſchuldig/ einmahl daß ich erſchaffen bin/ und
einmahl/ da ich verlohren ware/ wiederumb auffs neue
gleichſamb gemacht bin. Was ſoll ich dann meinem
GOtt erſtatten für ihn ſelbſten: dann/ ſo ich mich ſchon
tauſendmahl ihm geben würde/ was bin ich gegen GOtt
zu achten:

6. Dieſe fuͤſſe und holdſeelige Wort hoͤren wir an/ wir leſen und wiſſen
ſie; und dannoch iſt unſere Boͤßheit und Undanckbarkeit ſo groß/ daß wir
dieſes nicht allein offtmahls bey uns zu erwegen vernachlaͤſſigen; ſondern
auch ſo groſſe Lieb nur mit Haaß/ und ſolche ſtattliche Freyheit nur mit
Boͤßheit vergelten. Und dieſes iſt/ das dem liebreichen Heyland am Creutz
die Zaͤhren auß den Augen getrieben hat/ wie der Apoſtel bezeuget/ und ſagt:
Welcher mit einem ſtarcken Geſchrey und mit ThraͤnenHebr. 5 7.
Apud S.
Bonav.
6. in Pa-
raſc.

auffgeopffert hat; nemblich ſich ſelbſten. Chriſtus hat am Creutz
geweinet/
ſagt der heilige Bernardus/ dieweilen deſſen Leyden/
welches für alle Menſchen ſeelig zu machen gnugſamb be-
ſtandt ware/ gleichwohl an ſo vielen verlohren gienge.
Die innerliche Schmertzen Chriſti/ wegen der menſchli-
chen Vndanckbarkeit/ ſeynd viel groͤſſer geweſen/ als die
aͤuſſerliche Peynen deß Leibs.
Derhalben ſagt er bey dem Koͤ-
niglichen Propheten: Sie haben über den Schmertzen mei-Pſal. 68.
ner Wunden mehr hinzu gethan. Und der Geiſtreiche Vatter
Hugo de S. Victore redet in der Perſohn deß am Creutz hangenden Hey-
lands alſo:

Sehe
R r r
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0525" n="497"/><fw place="top" type="header">Von der Danckbarkeit.</fw><lb/><hi rendition="#fr">W&#x016F;rde deiner Erlo&#x0364;&#x017F;ung wir&#x017F;t erkennet haben; &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;me<lb/>
dich fortan mehr zu &#x017F;undigen.</hi> Und/ wann ich/ &#x017F;agt abermahl<lb/>
der H. Bernardus <hi rendition="#fr">mich &#x017F;elh&#x017F;ten gantz &#x017F;chuldig bin/ dieweilen<lb/>
ich er&#x017F;chaffen bin; was &#x017F;oll ich dann hinzu &#x017F;etzen/ daß ich/<lb/>
der ich verdorben ware/ wiederumb zu recht gebracht bin?<lb/>
und daß zwarn auff &#x017F;olche Weiß und Manier? Dann ich<lb/>
bin nicht &#x017F;o leichtlich wiederumb zurecht gebracht worden/<lb/>
als ich bin gemacht worden: im er&#x017F;ten Werck/ nemblich<lb/>
in der Er&#x017F;chaffung/ hat GOtt mich mir gegeben: die-<lb/>
weilen ich nun mir gegeben bin/ und darzu wiederumb<lb/>
zurecht gebracht worden/ da ich zumahlen verdorben und<lb/>
vernichtiget ware; &#x017F;o bin ich mich für mich &#x017F;ch&#x016F;ldig/ und<lb/>
zweymahl &#x017F;chuldig/ einmahl daß ich er&#x017F;chaffen bin/ und<lb/>
einmahl/ da ich verlohren ware/ wiederumb auffs neue<lb/>
gleich&#x017F;amb gemacht bin. Was &#x017F;oll ich dann meinem<lb/>
GOtt er&#x017F;tatten für ihn &#x017F;elb&#x017F;ten: dann/ &#x017F;o ich mich &#x017F;chon<lb/>
tau&#x017F;endmahl ihm geben würde/ was bin ich gegen GOtt<lb/>
zu achten:</hi></p><lb/>
        <p>6. Die&#x017F;e fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und hold&#x017F;eelige Wort ho&#x0364;ren wir an/ wir le&#x017F;en und wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie; und dannoch i&#x017F;t un&#x017F;ere Bo&#x0364;ßheit und Undanckbarkeit &#x017F;o groß/ daß wir<lb/>
die&#x017F;es nicht allein offtmahls bey uns zu erwegen vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen; &#x017F;ondern<lb/>
auch &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Lieb nur mit Haaß/ und &#x017F;olche &#x017F;tattliche Freyheit nur mit<lb/>
Bo&#x0364;ßheit vergelten. Und die&#x017F;es i&#x017F;t/ das dem liebreichen Heyland am Creutz<lb/>
die Za&#x0364;hren auß den Augen getrieben hat/ wie der Apo&#x017F;tel bezeuget/ und &#x017F;agt:<lb/><hi rendition="#fr">Welcher mit einem &#x017F;tarcken Ge&#x017F;chrey und mit Thra&#x0364;nen</hi><note place="right"><hi rendition="#aq">Hebr. 5 7.<lb/>
Apud S.<lb/>
Bonav.<lb/>
6. in Pa-<lb/>
ra&#x017F;c.</hi></note><lb/><hi rendition="#fr">auffgeopffert hat;</hi> nemblich &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten. <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus hat am Creutz<lb/>
geweinet/</hi> &#x017F;agt der heilige Bernardus/ <hi rendition="#fr">dieweilen de&#x017F;&#x017F;en Leyden/<lb/>
welches für alle Men&#x017F;chen &#x017F;eelig zu machen gnug&#x017F;amb be-<lb/>
&#x017F;tandt ware/ gleichwohl an &#x017F;o vielen verlohren gienge.<lb/>
Die innerliche Schmertzen Chri&#x017F;ti/ wegen der men&#x017F;chli-<lb/>
chen Vndanckbarkeit/ &#x017F;eynd viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en/ als die<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Peynen deß Leibs.</hi> Derhalben &#x017F;agt er bey dem Ko&#x0364;-<lb/>
niglichen Propheten: <hi rendition="#fr">Sie haben über den Schmertzen mei-</hi><note place="right"><hi rendition="#aq">P&#x017F;al.</hi> 68.</note><lb/><hi rendition="#fr">ner Wunden mehr hinzu gethan.</hi> Und der Gei&#x017F;treiche Vatter<lb/><hi rendition="#aq">Hugo de S. Victore</hi> redet in der Per&#x017F;ohn deß am Creutz hangenden Hey-<lb/>
lands al&#x017F;o:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">R r r</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Sehe</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[497/0525] Von der Danckbarkeit. Wůrde deiner Erloͤſung wirſt erkennet haben; ſo ſchaͤme dich fortan mehr zu ſundigen. Und/ wann ich/ ſagt abermahl der H. Bernardus mich ſelhſten gantz ſchuldig bin/ dieweilen ich erſchaffen bin; was ſoll ich dann hinzu ſetzen/ daß ich/ der ich verdorben ware/ wiederumb zu recht gebracht bin? und daß zwarn auff ſolche Weiß und Manier? Dann ich bin nicht ſo leichtlich wiederumb zurecht gebracht worden/ als ich bin gemacht worden: im erſten Werck/ nemblich in der Erſchaffung/ hat GOtt mich mir gegeben: die- weilen ich nun mir gegeben bin/ und darzu wiederumb zurecht gebracht worden/ da ich zumahlen verdorben und vernichtiget ware; ſo bin ich mich für mich ſchůldig/ und zweymahl ſchuldig/ einmahl daß ich erſchaffen bin/ und einmahl/ da ich verlohren ware/ wiederumb auffs neue gleichſamb gemacht bin. Was ſoll ich dann meinem GOtt erſtatten für ihn ſelbſten: dann/ ſo ich mich ſchon tauſendmahl ihm geben würde/ was bin ich gegen GOtt zu achten: 6. Dieſe fuͤſſe und holdſeelige Wort hoͤren wir an/ wir leſen und wiſſen ſie; und dannoch iſt unſere Boͤßheit und Undanckbarkeit ſo groß/ daß wir dieſes nicht allein offtmahls bey uns zu erwegen vernachlaͤſſigen; ſondern auch ſo groſſe Lieb nur mit Haaß/ und ſolche ſtattliche Freyheit nur mit Boͤßheit vergelten. Und dieſes iſt/ das dem liebreichen Heyland am Creutz die Zaͤhren auß den Augen getrieben hat/ wie der Apoſtel bezeuget/ und ſagt: Welcher mit einem ſtarcken Geſchrey und mit Thraͤnen auffgeopffert hat; nemblich ſich ſelbſten. Chriſtus hat am Creutz geweinet/ ſagt der heilige Bernardus/ dieweilen deſſen Leyden/ welches für alle Menſchen ſeelig zu machen gnugſamb be- ſtandt ware/ gleichwohl an ſo vielen verlohren gienge. Die innerliche Schmertzen Chriſti/ wegen der menſchli- chen Vndanckbarkeit/ ſeynd viel groͤſſer geweſen/ als die aͤuſſerliche Peynen deß Leibs. Derhalben ſagt er bey dem Koͤ- niglichen Propheten: Sie haben über den Schmertzen mei- ner Wunden mehr hinzu gethan. Und der Geiſtreiche Vatter Hugo de S. Victore redet in der Perſohn deß am Creutz hangenden Hey- lands alſo: Hebr. 5 7. Apud S. Bonav. 6. in Pa- raſc. Pſal. 68. Sehe R r r

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/525
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/525>, abgerufen am 22.11.2024.