Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sieben und Viertzigste Geistliche Lection
der wie schwärlich man könne seelig/ und wie leichtlich verdambt werden:
Lasset uns derhalben durch eines andern Schaden witzig werden; lasset uns
zur Creutz-Fahnen fliehen/ und die wenige Zeit/ so wir zu leben übrig ha-
ben/ in wahrer Bußfertigkeit zubringen; auff daß wir uns einige tröstliche
Zuversicht und Hoffnung zur ewigen Seeligkeit erwerben mögen. Zu un-
serm Heyl hat GOtt sein gefälltes Urtheil über unsern Verstorbenen kund-
bahr machen wollen: so lasset uns der Stimm deß ruffenden HErrn folgen/
und alles Jrrdische verlassen. Also hat dieser Bruno/ mit sechs seiner gu-
ten Freunde/ der Welt und aller weltlichen Ehren und Reichthumen adjeu
gesagt/ und an einem weit abgelegenen wüsten/ kalten und rauen Orth/ des-
sen Nahm Carthusia genennet ware/ sich niedergeschlagen/ und ein hartes/
strenges und heiliges Leben geführet/ und daselst den Cartheuser-Orden ge-
stifftet.

5. Was damahlen der heilige Bruno seinen Mit- Gesellen gesagt hat/
das sage nun ein jeder sich selbsten/ und gedencke/ wie grausamb es seye/
zu fallen in die Händ deß lebendigen GOttes: dessen Gerichte/ ob schon
nicht ungerecht seyn können; so seynd sie doch unbegreifflich/ wunderbarlich/
und so scharff und verborgen; daß auch viele Dinge/ so den Menschen gut
und gerecht zu seyn scheinen/ von selbigem verworffen und verdambt werden/
wie in dem angezogenen Doctoren zu sehen ist. Dahero sagt er durch den
Psal. 74.
v.
3.
Königlichen Prophen: Wann ich die Zeit bekommen werde/
so will ich gerechte Vrtheil geben:
das ist/ ich will nachsuchen/
3. Reg. 13.ob sie wahre Gerechtigkeiten seyn. Freylich vermeinte jener Prophet
(dem von GOtt ware befohlen worden/ daß er an einem benennten Orth
nicht essen noch trincken solte) er tuhe wohl/ daß er den Worten deß andern
Propheten gehorche/ und gegen das erste Gebott esse und trincke: zumahlen
er darfür halten konte/ daß durch das Zweyte/ nemblich deß andern Pro-
pheten/ das erste gleichsamb widerruffen und vernichtiget werde. Da nun
GOtt/ wie oben gemeldet/ die Zeit bekommen/ ein gerechtes Urtheil
zu geben/ da hat sichs gezeigt/ daß/ ob schon der erste Prophet
von dem andern seye betrogen worden/ er dannoch gefehlet und gesündiget
habe; und ist derhalben von einem Löwen getödtet worden. Hierauß er-
hellet/ daß wir vielmahl glauben/ wir können gar wohl vor GOtt entschul-
diget werden/ und fehlen gleichwohl. Dahero sagt der Heil. Bernardus:
Set. 54. in
Cant.
Wie wird der mit den ungerechten Vrtheilen umbgehen/
der die Gerechtigkeit selbst richten wird: Es stehet zu be-
förchten/ daß in einem so genanen Nachsuchen viele Din-

ge

Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
der wie ſchwaͤrlich man koͤnne ſeelig/ und wie leichtlich verdambt werden:
Laſſet uns derhalben durch eines andern Schaden witzig werden; laſſet uns
zur Creutz-Fahnen fliehen/ und die wenige Zeit/ ſo wir zu leben uͤbrig ha-
ben/ in wahrer Bußfertigkeit zubringen; auff daß wir uns einige troͤſtliche
Zuverſicht und Hoffnung zur ewigen Seeligkeit erwerben moͤgen. Zu un-
ſerm Heyl hat GOtt ſein gefaͤlltes Urtheil uͤber unſern Verſtorbenen kund-
bahr machen wollen: ſo laſſet uns der Stimm deß ruffenden HErrn folgen/
und alles Jrrdiſche verlaſſen. Alſo hat dieſer Bruno/ mit ſechs ſeiner gu-
ten Freunde/ der Welt und aller weltlichen Ehren und Reichthumen adjeu
geſagt/ und an einem weit abgelegenen wuͤſten/ kalten und rauen Orth/ deſ-
ſen Nahm Carthuſia genennet ware/ ſich niedergeſchlagen/ und ein hartes/
ſtrenges und heiliges Leben gefuͤhret/ und daſelſt den Cartheuſer-Orden ge-
ſtifftet.

5. Was damahlen der heilige Bruno ſeinen Mit- Geſellen geſagt hat/
das ſage nun ein jeder ſich ſelbſten/ und gedencke/ wie grauſamb es ſeye/
zu fallen in die Haͤnd deß lebendigen GOttes: deſſen Gerichte/ ob ſchon
nicht ungerecht ſeyn koͤnnen; ſo ſeynd ſie doch unbegreifflich/ wunderbarlich/
und ſo ſcharff und verborgen; daß auch viele Dinge/ ſo den Menſchen gut
und gerecht zu ſeyn ſcheinen/ von ſelbigem verworffen und verdambt werden/
wie in dem angezogenen Doctoren zu ſehen iſt. Dahero ſagt er durch den
Pſal. 74.
v.
3.
Koͤniglichen Prophen: Wann ich die Zeit bekommen werde/
ſo will ich gerechte Vrtheil geben:
das iſt/ ich will nachſuchen/
3. Reg. 13.ob ſie wahre Gerechtigkeiten ſeyn. Freylich vermeinte jener Prophet
(dem von GOtt ware befohlen worden/ daß er an einem benennten Orth
nicht eſſen noch trincken ſolte) er tuhe wohl/ daß er den Worten deß andern
Propheten gehorche/ und gegen das erſte Gebott eſſe und trincke: zumahlen
er darfuͤr halten konte/ daß durch das Zweyte/ nemblich deß andern Pro-
pheten/ das erſte gleichſamb widerruffen und vernichtiget werde. Da nun
GOtt/ wie oben gemeldet/ die Zeit bekommen/ ein gerechtes Urtheil
zu geben/ da hat ſichs gezeigt/ daß/ ob ſchon der erſte Prophet
von dem andern ſeye betrogen worden/ er dannoch gefehlet und geſuͤndiget
habe; und iſt derhalben von einem Loͤwen getoͤdtet worden. Hierauß er-
hellet/ daß wir vielmahl glauben/ wir koͤnnen gar wohl vor GOtt entſchul-
diget werden/ und fehlen gleichwohl. Dahero ſagt der Heil. Bernardus:
Set. 54. in
Cant.
Wie wird der mit den ungerechten Vrtheilen umbgehen/
der die Gerechtigkeit ſelbſt richten wird: Es ſtehet zu be-
foͤrchten/ daß in einem ſo genanen Nachſuchen viele Din-

ge
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0622" n="594"/><fw place="top" type="header">Die Sieben und Viertzig&#x017F;te Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
der wie &#x017F;chwa&#x0364;rlich man ko&#x0364;nne &#x017F;eelig/ und wie leichtlich verdambt werden:<lb/>
La&#x017F;&#x017F;et uns derhalben durch eines andern Schaden witzig werden; la&#x017F;&#x017F;et uns<lb/>
zur Creutz-Fahnen fliehen/ und die wenige Zeit/ &#x017F;o wir zu leben u&#x0364;brig ha-<lb/>
ben/ in wahrer Bußfertigkeit zubringen; auff daß wir uns einige tro&#x0364;&#x017F;tliche<lb/>
Zuver&#x017F;icht und Hoffnung zur ewigen Seeligkeit erwerben mo&#x0364;gen. <hi rendition="#fr">Z</hi>u un-<lb/>
&#x017F;erm Heyl hat GOtt &#x017F;ein gefa&#x0364;lltes Urtheil u&#x0364;ber un&#x017F;ern Ver&#x017F;torbenen kund-<lb/>
bahr machen wollen: &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;et uns der Stimm deß ruffenden HErrn folgen/<lb/>
und alles Jrrdi&#x017F;che verla&#x017F;&#x017F;en. Al&#x017F;o hat die&#x017F;er Bruno/ mit &#x017F;echs &#x017F;einer gu-<lb/>
ten Freunde/ der Welt und aller weltlichen Ehren und Reichthumen adjeu<lb/>
ge&#x017F;agt/ und an einem weit abgelegenen wu&#x0364;&#x017F;ten/ kalten und rauen Orth/ de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Nahm Carthu&#x017F;ia genennet ware/ &#x017F;ich niederge&#x017F;chlagen/ und ein hartes/<lb/>
&#x017F;trenges und heiliges Leben gefu&#x0364;hret/ und da&#x017F;el&#x017F;t den Cartheu&#x017F;er-Orden ge-<lb/>
&#x017F;tifftet.</p><lb/>
        <p>5. Was damahlen der heilige Bruno &#x017F;einen Mit- Ge&#x017F;ellen ge&#x017F;agt hat/<lb/>
das &#x017F;age nun ein jeder &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten/ und gedencke/ wie grau&#x017F;amb es &#x017F;eye/<lb/>
zu fallen in die Ha&#x0364;nd deß lebendigen GOttes: de&#x017F;&#x017F;en Gerichte/ ob &#x017F;chon<lb/>
nicht ungerecht &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen; &#x017F;o &#x017F;eynd &#x017F;ie doch unbegreifflich/ wunderbarlich/<lb/>
und &#x017F;o &#x017F;charff und verborgen; daß auch viele Dinge/ &#x017F;o den Men&#x017F;chen gut<lb/>
und gerecht zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinen/ von &#x017F;elbigem verworffen und verdambt werden/<lb/>
wie in dem angezogenen Doctoren zu &#x017F;ehen i&#x017F;t. Dahero &#x017F;agt er durch den<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">P&#x017F;al. 74.<lb/>
v.</hi> 3.</note>Ko&#x0364;niglichen Prophen: <hi rendition="#fr">Wann ich die Zeit bekommen werde/<lb/>
&#x017F;o will ich gerechte Vrtheil geben:</hi> das i&#x017F;t/ ich will nach&#x017F;uchen/<lb/><note place="left">3. <hi rendition="#aq">Reg.</hi> 13.</note>ob &#x017F;ie wahre Gerechtigkeiten &#x017F;eyn. Freylich vermeinte jener Prophet<lb/>
(dem von GOtt ware befohlen worden/ daß er an einem benennten Orth<lb/>
nicht e&#x017F;&#x017F;en noch trincken &#x017F;olte) er tuhe wohl/ daß er den Worten deß andern<lb/>
Propheten gehorche/ und gegen das er&#x017F;te Gebott e&#x017F;&#x017F;e und trincke: zumahlen<lb/>
er darfu&#x0364;r halten konte/ daß durch das Zweyte/ nemblich deß andern Pro-<lb/>
pheten/ das er&#x017F;te gleich&#x017F;amb widerruffen und vernichtiget werde. Da nun<lb/>
GOtt/ wie oben gemeldet/ die Zeit bekommen/ ein gerechtes Urtheil<lb/>
zu geben/ da hat &#x017F;ichs gezeigt/ daß/ ob &#x017F;chon der er&#x017F;te Prophet<lb/>
von dem andern &#x017F;eye betrogen worden/ er dannoch gefehlet und ge&#x017F;u&#x0364;ndiget<lb/>
habe; und i&#x017F;t derhalben von einem Lo&#x0364;wen geto&#x0364;dtet worden. Hierauß er-<lb/>
hellet/ daß wir vielmahl glauben/ wir ko&#x0364;nnen gar wohl vor GOtt ent&#x017F;chul-<lb/>
diget werden/ und fehlen gleichwohl. Dahero &#x017F;agt der Heil. Bernardus:<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Set. 54. in<lb/>
Cant.</hi></note><hi rendition="#fr">Wie wird der mit den ungerechten Vrtheilen umbgehen/<lb/>
der die Gerechtigkeit &#x017F;elb&#x017F;t richten wird: Es &#x017F;tehet zu be-<lb/>
fo&#x0364;rchten/ daß in einem &#x017F;o genanen Nach&#x017F;uchen viele Din-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ge</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[594/0622] Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection der wie ſchwaͤrlich man koͤnne ſeelig/ und wie leichtlich verdambt werden: Laſſet uns derhalben durch eines andern Schaden witzig werden; laſſet uns zur Creutz-Fahnen fliehen/ und die wenige Zeit/ ſo wir zu leben uͤbrig ha- ben/ in wahrer Bußfertigkeit zubringen; auff daß wir uns einige troͤſtliche Zuverſicht und Hoffnung zur ewigen Seeligkeit erwerben moͤgen. Zu un- ſerm Heyl hat GOtt ſein gefaͤlltes Urtheil uͤber unſern Verſtorbenen kund- bahr machen wollen: ſo laſſet uns der Stimm deß ruffenden HErrn folgen/ und alles Jrrdiſche verlaſſen. Alſo hat dieſer Bruno/ mit ſechs ſeiner gu- ten Freunde/ der Welt und aller weltlichen Ehren und Reichthumen adjeu geſagt/ und an einem weit abgelegenen wuͤſten/ kalten und rauen Orth/ deſ- ſen Nahm Carthuſia genennet ware/ ſich niedergeſchlagen/ und ein hartes/ ſtrenges und heiliges Leben gefuͤhret/ und daſelſt den Cartheuſer-Orden ge- ſtifftet. 5. Was damahlen der heilige Bruno ſeinen Mit- Geſellen geſagt hat/ das ſage nun ein jeder ſich ſelbſten/ und gedencke/ wie grauſamb es ſeye/ zu fallen in die Haͤnd deß lebendigen GOttes: deſſen Gerichte/ ob ſchon nicht ungerecht ſeyn koͤnnen; ſo ſeynd ſie doch unbegreifflich/ wunderbarlich/ und ſo ſcharff und verborgen; daß auch viele Dinge/ ſo den Menſchen gut und gerecht zu ſeyn ſcheinen/ von ſelbigem verworffen und verdambt werden/ wie in dem angezogenen Doctoren zu ſehen iſt. Dahero ſagt er durch den Koͤniglichen Prophen: Wann ich die Zeit bekommen werde/ ſo will ich gerechte Vrtheil geben: das iſt/ ich will nachſuchen/ ob ſie wahre Gerechtigkeiten ſeyn. Freylich vermeinte jener Prophet (dem von GOtt ware befohlen worden/ daß er an einem benennten Orth nicht eſſen noch trincken ſolte) er tuhe wohl/ daß er den Worten deß andern Propheten gehorche/ und gegen das erſte Gebott eſſe und trincke: zumahlen er darfuͤr halten konte/ daß durch das Zweyte/ nemblich deß andern Pro- pheten/ das erſte gleichſamb widerruffen und vernichtiget werde. Da nun GOtt/ wie oben gemeldet/ die Zeit bekommen/ ein gerechtes Urtheil zu geben/ da hat ſichs gezeigt/ daß/ ob ſchon der erſte Prophet von dem andern ſeye betrogen worden/ er dannoch gefehlet und geſuͤndiget habe; und iſt derhalben von einem Loͤwen getoͤdtet worden. Hierauß er- hellet/ daß wir vielmahl glauben/ wir koͤnnen gar wohl vor GOtt entſchul- diget werden/ und fehlen gleichwohl. Dahero ſagt der Heil. Bernardus: Wie wird der mit den ungerechten Vrtheilen umbgehen/ der die Gerechtigkeit ſelbſt richten wird: Es ſtehet zu be- foͤrchten/ daß in einem ſo genanen Nachſuchen viele Din- ge Pſal. 74. v. 3. 3. Reg. 13. Set. 54. in Cant.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/622
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/622>, abgerufen am 22.11.2024.