Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem besondern Gericht. bigen bleibt all unser Verstandt sitzen/ und wandern wir daselbst gleichwie in der schwartzen Finsternuß. Dieß eintzige wissen wir/ daß die Urtheil GOTTES/ ob sie schon verborgen/ dannoch gerecht seynd: und daß selbige im allertieffesten Abgrund seyen: Dahero geschichts/ daß die frommeste Menschen/ wie mehr sie dem Richter- Stuhl zunahen/ je mehr sie anfangen zu förchten. 11. Wie strenges Leben hat nicht geführet der heilige Hilarion? und ich/
Von dem beſondern Gericht. bigen bleibt all unſer Verſtandt ſitzen/ und wandern wir daſelbſt gleichwie in der ſchwartzen Finſternuß. Dieß eintzige wiſſen wir/ daß die Urtheil GOTTES/ ob ſie ſchon verborgen/ dannoch gerecht ſeynd: und daß ſelbige im allertieffeſten Abgrund ſeyen: Dahero geſchichts/ daß die frommeſte Menſchen/ wie mehr ſie dem Richter- Stuhl zunahen/ je mehr ſie anfangen zu foͤrchten. 11. Wie ſtrenges Leben hat nicht gefuͤhret der heilige Hilarion? und ich/
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Von dem beſondern Gericht.
bigen bleibt all unſer Verſtandt ſitzen/ und wandern wir daſelbſt gleich
wie in der ſchwartzen Finſternuß. Dieß eintzige wiſſen wir/ daß die Urtheil
GOTTES/ ob ſie ſchon verborgen/ dannoch gerecht ſeynd: und
daß ſelbige im allertieffeſten Abgrund ſeyen: Dahero geſchichts/ daß die
frommeſte Menſchen/ wie mehr ſie dem Richter- Stuhl zunahen/ je mehr
ſie anfangen zu foͤrchten.
11. Wie ſtrenges Leben hat nicht gefuͤhret der heilige Hilarion? und
dannoch/ da es zum Sterben kommen/ hat er ſich alſo entſetzet/ daß
er ſeine Seel mit dieſen Worten angeredet: Fahre hinauß/ was foͤrchteſtu
dich? Fahre hin/ meine Seel/ warumb zweiffleſtu? Du haſt ſchier
Siebenzig Jahr Chriſto gedienet/ und foͤrchteſt den Todt noch? Jn
dieſen Worten hat er den Geiſt auffgeben. Der heilige Arſenius iſt nicht
ohne viele Zaͤhren und Forcht geſtorben. Der heilige Hieronymus/
ein wahres lebhafftes Exempel der Buß/ fuͤrchtet ſich fuͤr dem Gericht
GOttes/ und ſagt: Jch bin mit allerhand Unflat der Suͤnden beſud-
let/ und hab Tag und Nacht dein Ruhe fuͤr Forcht und Zittern/ daß ich
alles biß zum letzten Heller werde bezahlen muͤſſen. Und an einem andern
Orth beſchreibt dieſer heilige Mann ſolche ſeine Forcht noch beſſer und
ſagt: So offt ich den Tag deß Gerichts betrachte/ erzittere ich am gan-
tzen Leib: dann ſo ich wache oder ſchlaffe/ oder was anders thue/ erſchal-
let immer die Stimm der Gerichts-Poſaunen in meinen Ohren: Stehet
auff ihr Todte/ und kombt zum Gericht. Was raths/ mein Chriſtliche
Seel/ was raths mit uns? Wann ſolche keuſche Engel der Einſambkeit
die Gerichts- Stimm alſo foͤrchten; was wird ſich einsmahls mit uns
zutragen/ wann die Zeit deß Gerichts herzu nahen wird/ wie werden
wir zittern/ wie werden wir mit Forcht uͤberfallen werden/ die wir uns
mitten unter den Welt- Haͤndlen in Suͤnden weltzen? Von dem gottſeli-
gen Alt - Vatter Agathon erzehlet Ruffinus/ daß er vor ſeinem
Todt/ da er nun bald ſterben ſolte; und allgemach gleich einer Wachs-
Kertzen anfinge außzugehen/ drey gantzer Tag lang die Augen eroͤffnet ge-
halten/ und nicht bewegt habe. Da ihn aber die Umbſtehende angeruͤh-
ret und gefragt haben: Vatter/ wo biſtu jetzt? habe er mit dieſen Wor-
ten geantwortet. Jch ſiehe im Angeſicht deß Gerichts GOttes. Nachdem
ſelbige weiters gefragt und geſagt: Foͤrchteſtu dich auch? habe er zur Antwort
geben: So viel ich gekoͤnt/ hab ich/ dem Willen GOttes zu gehorſamen/ und
deſſen Geſetz zu haltẽ/ mich befliſſen: ich bin aber ein Menſch/ und woher weiß
ich/
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