Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Siebente Geistliche Lection die Liebe der Feinden. Dann was hat doch immer den Schächer am Creutzbeweget/ daß er gesagt; gedenck meiner/ O Herr/ wann du wirst in dein Reich kommen seyn; da er doch an CHristo nichts anders gesehen/ als dessel- ben äusserste Verachtung/ Schläge/ grosse Schmach und handgreiffliches Unbill/ so ihme von dem Judischen und Heydnischen Volck zugefügt wur- den? wo ware der Seepter? wo die Königliche Cron/ wo ware die Schaar der Engel-Knaben und anderer Auffwarter? nichts dergleichen hat der gu- te Schächer geschen/ und hat dannoch öffentlich bekennet/ daß CHristus seye ein König und Sohn GOttes: worauß aber hat er diese Warheit ab- genommen? ohne allen Zweiffel auß diesem Gebett CHristi: Vatter ver- zeyhe ihnen/ dann sie wissen nicht was sie thuen. Was hat abermahl den Hauptman darzu angereitzet/ daß er überlaut geruffen: war- lich/ dieser ware der Sohn GOttes? nichts anders/ als daß er CHristum hatte hören betten für seine grausame Feinde. Wann dann auß dieser Liebe der Feinden die Kinder GOttes können erkennet werden; so mache du mit mir den sicheren Schluß/ daß nichts vortrefflichers gefunden werde/ als eben diese Tugend. Revel. c. 124. 3. So hat dann die Heil. Agnes nicht unbillig zu der Heil. Brigitta mit seine
Die Siebente Geiſtliche Lection die Liebe der Feinden. Dann was hat doch immer den Schaͤcher am Creutzbeweget/ daß er geſagt; gedenck meiner/ O Herr/ wann du wirſt in dein Reich kommen ſeyn; da er doch an CHriſto nichts anders geſehen/ als deſſel- ben aͤuſſerſte Verachtung/ Schlaͤge/ groſſe Schmach und handgreiffliches Unbill/ ſo ihme von dem Judiſchen und Heydniſchen Volck zugefuͤgt wur- den? wo ware der Seepter? wo die Koͤnigliche Cron/ wo ware die Schaar der Engel-Knaben und anderer Auffwarter? nichts dergleichen hat der gu- te Schaͤcher geſchen/ und hat dannoch oͤffentlich bekennet/ daß CHriſtus ſeye ein Koͤnig und Sohn GOttes: worauß aber hat er dieſe Warheit ab- genommen? ohne allen Zweiffel auß dieſem Gebett CHriſti: Vatter ver- zeyhe ihnen/ dann ſie wiſſen nicht was ſie thuen. Was hat abermahl den Hauptman darzu angereitzet/ daß er uͤberlaut geruffen: war- lich/ dieſer ware der Sohn GOttes? nichts anders/ als daß er CHriſtum hatte hoͤren betten fuͤr ſeine grauſame Feinde. Wann dann auß dieſer Liebe der Feinden die Kinder GOttes koͤnnen erkennet werden; ſo mache du mit mir den ſicheren Schluß/ daß nichts vortrefflichers gefunden werde/ als eben dieſe Tugend. Revel. c. 124. 3. So hat dann die Heil. Agnes nicht unbillig zu der Heil. Brigitta mit ſeine
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Die Siebente Geiſtliche Lection
die Liebe der Feinden. Dann was hat doch immer den Schaͤcher am Creutz
beweget/ daß er geſagt; gedenck meiner/ O Herr/ wann du wirſt in dein
Reich kommen ſeyn; da er doch an CHriſto nichts anders geſehen/ als deſſel-
ben aͤuſſerſte Verachtung/ Schlaͤge/ groſſe Schmach und handgreiffliches
Unbill/ ſo ihme von dem Judiſchen und Heydniſchen Volck zugefuͤgt wur-
den? wo ware der Seepter? wo die Koͤnigliche Cron/ wo ware die Schaar
der Engel-Knaben und anderer Auffwarter? nichts dergleichen hat der gu-
te Schaͤcher geſchen/ und hat dannoch oͤffentlich bekennet/ daß CHriſtus
ſeye ein Koͤnig und Sohn GOttes: worauß aber hat er dieſe Warheit ab-
genommen? ohne allen Zweiffel auß dieſem Gebett CHriſti: Vatter ver-
zeyhe ihnen/ dann ſie wiſſen nicht was ſie thuen. Was hat
abermahl den Hauptman darzu angereitzet/ daß er uͤberlaut geruffen: war-
lich/ dieſer ware der Sohn GOttes? nichts anders/ als daß er CHriſtum
hatte hoͤren betten fuͤr ſeine grauſame Feinde. Wann dann auß dieſer Liebe
der Feinden die Kinder GOttes koͤnnen erkennet werden; ſo mache du mit
mir den ſicheren Schluß/ daß nichts vortrefflichers gefunden werde/ als eben
dieſe Tugend.
3. So hat dann die Heil. Agnes nicht unbillig zu der Heil. Brigitta mit
dieſen außtruͤcklichen und ernſtlichen Worten geſprochen: Nichts iſt ſchoͤ-
ners/ und dem Allmaͤchtigen GOtt angenehmers/ als daß der Menſch den je-
nigen liebe/ der ihn beleidiget/ und fuͤr die jenige bette/ die ihn verfolgen: und
daß ſehen wir ja augenſcheinlich in dem Heil. Ertz Martyr Stephano/ deme
zu lieb/ dieweilen er fuͤr ſeine Feinde bettet/ der Himmel ſich eroͤffnet hat: da-
mit nemblich alle Heilige und Jnwohner deſſelben dieſer wunderbahren und
heldenmuͤthigen That zuſchauen moͤchten/ wie dieſer glorwuͤrdige Ritter und
Nachfolger CHriſti/ da er fuͤr ſich ſelbſten bettet/ auffrecht ſtunde/ als er aber
fuͤr die jenige/ ſo ihn ſteinigten/ zu betten angefangen/ ſeine Knie zur Erden ge-
worffen/ und unter waͤrendem ſolchem Gebett in dem Herrn entſchlaffen
ſeye: warumb aber iſt er eben in dieſem Gebett geſtorben? dieweilen er durch
dieſe Liebe gegen ſeine Feinden zur hoͤchſten Staffel der Tugend gelanget
iſt. Dahero ſchlieſſet recht wohl der gelehrte Caſſiodorus uͤber die Pſalmen/
daß nichts ſtarcker ſeye/ und nichts ſo ritterlich/ als unverdienter maſſen ſeinen
Unwillen anhoͤren/ und nach ſeinem Willen darauff nicht antworten: Der-
gleichen behauptet auch das groſſe Kirchrn-Liecht/ der heilige Auguſtinus
unter andern ſeinen Lehrſtuͤcken/ mit dieſen Worten: Nichts iſt wun-
derbahrlicher unter den menſchlichen Dingen/ als/ lieben
ſeine
Lib.
Confeß.
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