Eben so ists nun auch anzusehen, wenn from- me Theologi und Paulus selber die Ehe nun aus Noth, und bey so bestellten Sachen der Men- schen für ein Mittel wider die Unkeuschheit an- sehen, nach den Worten: Es ist besser freyen, denn Brunst leiden. Jch sage, nunmehro aus Noth: denn nach der heiligen Jntention GOt- tes hat die Ehe niemals dazu geordnet werden können, sondern nur zur Fortflantzung des Ge- schlechts, und lieblicher Gemeinschaft unter den Menschen, damit GOtt geliebet würde. Und ist dieses bey nahe so anzusehen, als wenn einem Hypochondriaco gleichfalls aus Noth der Müs- siggang, Weglegung der Bücher, öfters Ausge- hen, Fahren, Reiten, Hüpfen und Springen etc. recommendiret wird, so ihm ja ohne Sünde auf alle Tage und so gar viele Zeit ohnmöglich könte verstattet werden, wofern es dismal seine Um- stände, denen sonst nicht wohl anders zu helfen stehet, nicht kurtzum also erforderten. Lutherus spricht um deswillen: "Der eheliche Stand ist "nun hinfort gleich einem Spital der Siechen, "und ist nicht mehr rein und ohne Sünde, wie "er vor dem Fall gewesen wäre, nachdem die "fleischlichen Anfechtungen so groß und wütend "worden. Es wird mit abgenöthigter Jndul- "gentz GOttes die eheliche Beywohnung aus "Noth manchmal geleistet, daß sie nicht in schwe- "re Sünden fallen. Wer sie braucht, der Un- "keuschheit zu wehren, der hat, halte ich, Pau- "lum zum Fürsprecher und Schutzherrn; aber "von Rechts wegen solte man sich nur zur Frucht
"zu-
Betrachtung der Unreinigkeit.
Eben ſo iſts nun auch anzuſehen, wenn from- me Theologi und Paulus ſelber die Ehe nun aus Noth, und bey ſo beſtellten Sachen der Men- ſchen fuͤr ein Mittel wider die Unkeuſchheit an- ſehen, nach den Worten: Es iſt beſſer freyen, denn Brunſt leiden. Jch ſage, nunmehro aus Noth: denn nach der heiligen Jntention GOt- tes hat die Ehe niemals dazu geordnet werden koͤnnen, ſondern nur zur Fortflantzung des Ge- ſchlechts, und lieblicher Gemeinſchaft unter den Menſchen, damit GOtt geliebet wuͤrde. Und iſt dieſes bey nahe ſo anzuſehen, als wenn einem Hypochondriaco gleichfalls aus Noth der Muͤſ- ſiggang, Weglegung der Buͤcher, oͤfters Ausge- hen, Fahren, Reiten, Huͤpfen und Springen ꝛc. recommendiret wird, ſo ihm ja ohne Suͤnde auf alle Tage und ſo gar viele Zeit ohnmoͤglich koͤnte verſtattet werden, wofern es dismal ſeine Um- ſtaͤnde, denen ſonſt nicht wohl anders zu helfen ſtehet, nicht kurtzum alſo erforderten. Lutherus ſpricht um deswillen: „Der eheliche Stand iſt „nun hinfort gleich einem Spital der Siechen, „und iſt nicht mehr rein und ohne Suͤnde, wie „er vor dem Fall geweſen waͤre, nachdem die „fleiſchlichen Anfechtungen ſo groß und wuͤtend „worden. Es wird mit abgenoͤthigter Jndul- „gentz GOttes die eheliche Beywohnung aus „Noth manchmal geleiſtet, daß ſie nicht in ſchwe- „re Suͤnden fallen. Wer ſie braucht, der Un- „keuſchheit zu wehren, der hat, halte ich, Pau- „lum zum Fuͤrſprecher und Schutzherrn; aber „von Rechts wegen ſolte man ſich nur zur Frucht
„zu-
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Betrachtung der Unreinigkeit.
Eben ſo iſts nun auch anzuſehen, wenn from-
me Theologi und Paulus ſelber die Ehe nun aus
Noth, und bey ſo beſtellten Sachen der Men-
ſchen fuͤr ein Mittel wider die Unkeuſchheit an-
ſehen, nach den Worten: Es iſt beſſer freyen,
denn Brunſt leiden. Jch ſage, nunmehro aus
Noth: denn nach der heiligen Jntention GOt-
tes hat die Ehe niemals dazu geordnet werden
koͤnnen, ſondern nur zur Fortflantzung des Ge-
ſchlechts, und lieblicher Gemeinſchaft unter den
Menſchen, damit GOtt geliebet wuͤrde. Und
iſt dieſes bey nahe ſo anzuſehen, als wenn einem
Hypochondriaco gleichfalls aus Noth der Muͤſ-
ſiggang, Weglegung der Buͤcher, oͤfters Ausge-
hen, Fahren, Reiten, Huͤpfen und Springen ꝛc.
recommendiret wird, ſo ihm ja ohne Suͤnde auf
alle Tage und ſo gar viele Zeit ohnmoͤglich koͤnte
verſtattet werden, wofern es dismal ſeine Um-
ſtaͤnde, denen ſonſt nicht wohl anders zu helfen
ſtehet, nicht kurtzum alſo erforderten. Lutherus
ſpricht um deswillen: „Der eheliche Stand iſt
„nun hinfort gleich einem Spital der Siechen,
„und iſt nicht mehr rein und ohne Suͤnde, wie
„er vor dem Fall geweſen waͤre, nachdem die
„fleiſchlichen Anfechtungen ſo groß und wuͤtend
„worden. Es wird mit abgenoͤthigter Jndul-
„gentz GOttes die eheliche Beywohnung aus
„Noth manchmal geleiſtet, daß ſie nicht in ſchwe-
„re Suͤnden fallen. Wer ſie braucht, der Un-
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„lum zum Fuͤrſprecher und Schutzherrn; aber
„von Rechts wegen ſolte man ſich nur zur Frucht
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/131>, abgerufen am 21.11.2024.
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