hen, sondern er stehet bloß vor GOtt da, so ver- schwindet diese Scham? Jst dis eine billige Aesti- mirung des allerhöchsten und allerseligsten GOt- tes? Sollen schlechte und armselige Menschen noch mehr respectiret werden, als der ewige GOtt? Jst dis nicht um desto unverantwortli- cher, da der, so aller Welt Richter ist, uns Men- schen seine Allgegenwart und Allwissenheit gnä- diglich kund gethan, (2 Chron. 7, 16.) ja der- massen eingeschärfet hat, daß wirs wissen müs- sen, er sey uns, wo wir uns auch befinden, weit näher als die Luft, oder des Tages Licht, und um- gebe uns allenthalben aufs innigste? Er, der Allmächtige und Allsehende, der in aller Welt zu- gleich wohnet, und aller Himmel Himmel erfül- let, gibt so genau acht auf unser Jnwendiges, als ob allenthalben, wo wir nur hinsehen, lauter Augen wären, die uns observiren.
Darum könnens auch solche schändliche Leu- te mit aller ihrer Bemühung nicht hindern, daß sie ihr Gewissen über ihren auch verborgensten Unflätereyen nicht gantz erschrecklich quälen sol- te. Ein Wohllüstiger, "wenn er eben glaubte, "in allen Arten der Freuden nach allen Kräften "vergnügt zu seyn, bekommt plötzlich tausend "Ursachen, sichs reuen zu lassen; und eben so viel, "sich schmertzlich zu kümmern und zu betrüben. "Das flüchtige und falsche Vergnügen fliegt da- "von; die kümmerlichen Sorgen aber bleiben zu- "rück: und eben diese müssen ihm seine Unflä- "tereyen hart und unabweislich vorrücken; die- "se müssen ihn nagen, oft auch, wie erbittert, mit
"hi-
(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche
hen, ſondern er ſtehet bloß vor GOtt da, ſo ver- ſchwindet dieſe Scham? Jſt dis eine billige Aeſti- mirung des allerhoͤchſten und allerſeligſten GOt- tes? Sollen ſchlechte und armſelige Menſchen noch mehr reſpectiret werden, als der ewige GOtt? Jſt dis nicht um deſto unverantwortli- cher, da der, ſo aller Welt Richter iſt, uns Men- ſchen ſeine Allgegenwart und Allwiſſenheit gnaͤ- diglich kund gethan, (2 Chron. 7, 16.) ja der- maſſen eingeſchaͤrfet hat, daß wirs wiſſen muͤſ- ſen, er ſey uns, wo wir uns auch befinden, weit naͤher als die Luft, oder des Tages Licht, und um- gebe uns allenthalben aufs innigſte? Er, der Allmaͤchtige und Allſehende, der in aller Welt zu- gleich wohnet, und aller Himmel Himmel erfuͤl- let, gibt ſo genau acht auf unſer Jnwendiges, als ob allenthalben, wo wir nur hinſehen, lauter Augen waͤren, die uns obſerviren.
Darum koͤnnens auch ſolche ſchaͤndliche Leu- te mit aller ihrer Bemuͤhung nicht hindern, daß ſie ihr Gewiſſen uͤber ihren auch verborgenſten Unflaͤtereyen nicht gantz erſchrecklich quaͤlen ſol- te. Ein Wohlluͤſtiger, „wenn er eben glaubte, „in allen Arten der Freuden nach allen Kraͤften „vergnuͤgt zu ſeyn, bekommt ploͤtzlich tauſend „Urſachen, ſichs reuen zu laſſen; und eben ſo viel, „ſich ſchmertzlich zu kuͤmmern und zu betruͤben. „Das fluͤchtige und falſche Vergnuͤgen fliegt da- „von; die kuͤmmerlichen Sorgen aber bleiben zu- „ruͤck: und eben dieſe muͤſſen ihm ſeine Unflaͤ- „tereyen hart und unabweislich vorruͤcken; die- „ſe muͤſſen ihn nagen, oft auch, wie erbittert, mit
„hi-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="142"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">I.</hi> Th.) <hirendition="#b">Anatomiſch-Mediciniſche</hi></fw><lb/>
hen, ſondern er ſtehet bloß vor GOtt da, ſo ver-<lb/>ſchwindet dieſe Scham? Jſt dis eine billige Aeſti-<lb/>
mirung des allerhoͤchſten und allerſeligſten GOt-<lb/>
tes? Sollen ſchlechte und armſelige Menſchen<lb/>
noch mehr reſpectiret werden, als der ewige<lb/>
GOtt? Jſt dis nicht um deſto unverantwortli-<lb/>
cher, da der, ſo aller Welt Richter iſt, uns Men-<lb/>ſchen ſeine Allgegenwart und Allwiſſenheit gnaͤ-<lb/>
diglich kund gethan, (2 Chron. 7, 16.) ja der-<lb/>
maſſen eingeſchaͤrfet hat, daß wirs wiſſen muͤſ-<lb/>ſen, er ſey uns, wo wir uns auch befinden, weit<lb/>
naͤher als die Luft, oder des Tages Licht, und um-<lb/>
gebe uns allenthalben aufs innigſte? Er, der<lb/>
Allmaͤchtige und Allſehende, der in aller Welt zu-<lb/>
gleich wohnet, und aller Himmel Himmel erfuͤl-<lb/>
let, gibt ſo genau acht auf unſer Jnwendiges, als<lb/>
ob allenthalben, wo wir nur hinſehen, lauter<lb/>
Augen waͤren, die uns obſerviren.</p><lb/><p>Darum koͤnnens auch ſolche ſchaͤndliche Leu-<lb/>
te mit aller ihrer Bemuͤhung nicht hindern, daß<lb/>ſie ihr Gewiſſen uͤber ihren auch verborgenſten<lb/>
Unflaͤtereyen nicht gantz erſchrecklich quaͤlen ſol-<lb/>
te. Ein Wohlluͤſtiger, „wenn er eben glaubte,<lb/>„in allen Arten der Freuden nach allen Kraͤften<lb/>„vergnuͤgt zu ſeyn, bekommt ploͤtzlich tauſend<lb/>„Urſachen, ſichs reuen zu laſſen; und eben ſo viel,<lb/>„ſich ſchmertzlich zu kuͤmmern und zu betruͤben.<lb/>„Das fluͤchtige und falſche Vergnuͤgen fliegt da-<lb/>„von; die kuͤmmerlichen Sorgen aber bleiben zu-<lb/>„ruͤck: und eben dieſe muͤſſen ihm ſeine Unflaͤ-<lb/>„tereyen hart und unabweislich vorruͤcken; die-<lb/>„ſe muͤſſen ihn nagen, oft auch, wie erbittert, mit<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„hi-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0162]
(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche
hen, ſondern er ſtehet bloß vor GOtt da, ſo ver-
ſchwindet dieſe Scham? Jſt dis eine billige Aeſti-
mirung des allerhoͤchſten und allerſeligſten GOt-
tes? Sollen ſchlechte und armſelige Menſchen
noch mehr reſpectiret werden, als der ewige
GOtt? Jſt dis nicht um deſto unverantwortli-
cher, da der, ſo aller Welt Richter iſt, uns Men-
ſchen ſeine Allgegenwart und Allwiſſenheit gnaͤ-
diglich kund gethan, (2 Chron. 7, 16.) ja der-
maſſen eingeſchaͤrfet hat, daß wirs wiſſen muͤſ-
ſen, er ſey uns, wo wir uns auch befinden, weit
naͤher als die Luft, oder des Tages Licht, und um-
gebe uns allenthalben aufs innigſte? Er, der
Allmaͤchtige und Allſehende, der in aller Welt zu-
gleich wohnet, und aller Himmel Himmel erfuͤl-
let, gibt ſo genau acht auf unſer Jnwendiges, als
ob allenthalben, wo wir nur hinſehen, lauter
Augen waͤren, die uns obſerviren.
Darum koͤnnens auch ſolche ſchaͤndliche Leu-
te mit aller ihrer Bemuͤhung nicht hindern, daß
ſie ihr Gewiſſen uͤber ihren auch verborgenſten
Unflaͤtereyen nicht gantz erſchrecklich quaͤlen ſol-
te. Ein Wohlluͤſtiger, „wenn er eben glaubte,
„in allen Arten der Freuden nach allen Kraͤften
„vergnuͤgt zu ſeyn, bekommt ploͤtzlich tauſend
„Urſachen, ſichs reuen zu laſſen; und eben ſo viel,
„ſich ſchmertzlich zu kuͤmmern und zu betruͤben.
„Das fluͤchtige und falſche Vergnuͤgen fliegt da-
„von; die kuͤmmerlichen Sorgen aber bleiben zu-
„ruͤck: und eben dieſe muͤſſen ihm ſeine Unflaͤ-
„tereyen hart und unabweislich vorruͤcken; die-
„ſe muͤſſen ihn nagen, oft auch, wie erbittert, mit
„hi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/162>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.