Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit. nichts hatten; ihnen wurden zuletzt ihre Kniescheibenmit glüenden Blechen verbrannt etc. Diese wurden an andern Orten, nach dem man sie endlich aus den Mar- tern entlassen und aus dem Lande getrieben, mit man- cherley Ehrenbezeugungen aufgenommen, und mit gros- ser Solennität vorgestellet: da dann ein weltberühmter vornehmer Theologus eine Rede hielt, und also anfieng: Wer sind diese? und woher sind sie kommen? mit der Hand auf diese Prediger deutende; Und antwortete sich selbst: diese sinds, die da kommen sind aus der grossen Draugsal, und haben ihre Kleider gewaschen, und sie helle gemacht im Blut des Lammes. Aber leider eben diese, nachdem sie wohl gehalten wurden, und des Kampfs vergassen, schlieffen alsdenn schändlich ein, und geriethen in ärgerliche Unreinigkeiten. Ein Jüngling, eines Predigers Sohn in der welschen Schweitz am Murtensee, war Officier in Holland, sahe ein groß Weltglück vor sich, kam in vollem Pracht nach Genf, frische Soldaten zu werben, Compagnien aufzu- richten und zu ergäntzen etc. Er ward von stürmischen Platzregen zum zweytenmal aufgehalten, daß er zu Hau- se bleiben muste. Da lase er beydemal für die lange Weile ein Buch, das eben da lag: das erste mal schmiß ers weg; das andere mal ward er unterm lesen so heftig gerührt, daß er sich gerade zu resolvirte, in das arme verachtete Creutzleben Christi zu treten, nach dem Kleinod zu lauffen, und das Himmelreich mit Gewalt zu sich zu reissen. Er schickte Geld, Pferde und Bedien- te gleich zurück in Holland, und wandte sein gantzes Hertz zu seinem geereutzigten, nun aber unendlich erhö- heten Heiland; er sehnete sich nach einem Ort auf Erden, woselbst er sein Vorhaben am bequemlichsten und un- gehindert könte werckstellig machen; brachte demnach zwey Jahre in Schwartzenau zu, in stiller Gemüthsru- he und völliger Abgeschiedenheit von allem Weltgetüm- mel; lebte gar ärmlich, dabey aber höchstvergnügt, in seligster Gewissensfreudigkeit und innigem Geschmack der göttlichen Ruhe und Friedens. Da er sich nun un- beweglich im guten gegründet, und allen Versuchungen weit und übrig gewachsen zu seyn vermeinte: wolte er aller treugemeinten Warnungen seines Vetters (eines welschen Edelmanns der fast seine gantze Lebenszeit, nehmlich bey 32. Jahr in ernstlicher und ungemeiner Verleugnung zugebracht, und den Lauff seines Christen- thums im Wittgensteinischen seliglich geendiget) unge- achtet, die seinigen heimsuchen. Daselbst ward sein Hertz nach und nach verbildet, von eitelen Lüsten der- mas- R r 5
C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit. nichts hatten; ihnen wurden zuletzt ihre Knieſcheibenmit gluͤenden Blechen verbrannt ꝛc. Dieſe wurden an andern Orten, nach dem man ſie endlich aus den Mar- tern entlaſſen und aus dem Lande getrieben, mit man- cherley Ehrenbezeugungen aufgenommen, und mit groſ- ſer Solennitaͤt vorgeſtellet: da dann ein weltberuͤhmter vornehmer Theologus eine Rede hielt, und alſo anfieng: Wer ſind dieſe? und woher ſind ſie kommen? mit der Hand auf dieſe Prediger deutende; Und antwortete ſich ſelbſt: dieſe ſinds, die da kommen ſind aus der groſſen Draugſal, und haben ihre Kleider gewaſchen, und ſie helle gemacht im Blut des Lammes. Aber leider eben dieſe, nachdem ſie wohl gehalten wurden, und des Kampfs vergaſſen, ſchlieffen alsdenn ſchaͤndlich ein, und geriethen in aͤrgerliche Unreinigkeiten. Ein Juͤngling, eines Predigers Sohn in der welſchen Schweitz am Murtenſee, war Officier in Holland, ſahe ein groß Weltgluͤck vor ſich, kam in vollem Pracht nach Genf, friſche Soldaten zu werben, Compagnien aufzu- richten und zu ergaͤntzen ꝛc. Er ward von ſtuͤrmiſchen Platzregen zum zweytenmal aufgehalten, daß er zu Hau- ſe bleiben muſte. Da laſe er beydemal fuͤr die lange Weile ein Buch, das eben da lag: das erſte mal ſchmiß ers weg; das andere mal ward er unterm leſen ſo heftig geruͤhrt, daß er ſich gerade zu reſolvirte, in das arme verachtete Creutzleben Chriſti zu treten, nach dem Kleinod zu lauffen, und das Himmelreich mit Gewalt zu ſich zu reiſſen. Er ſchickte Geld, Pferde und Bedien- te gleich zuruͤck in Holland, und wandte ſein gantzes Hertz zu ſeinem geereutzigten, nun aber unendlich erhoͤ- heten Heiland; er ſehnete ſich nach einem Ort auf Erden, woſelbſt er ſein Vorhaben am bequemlichſten und un- gehindert koͤnte werckſtellig machen; brachte demnach zwey Jahre in Schwartzenau zu, in ſtiller Gemuͤthsru- he und voͤlliger Abgeſchiedenheit von allem Weltgetuͤm- mel; lebte gar aͤrmlich, dabey aber hoͤchſtvergnuͤgt, in ſeligſter Gewiſſensfreudigkeit und innigem Geſchmack der goͤttlichen Ruhe und Friedens. Da er ſich nun un- beweglich im guten gegruͤndet, und allen Verſuchungen weit und uͤbrig gewachſen zu ſeyn vermeinte: wolte er aller treugemeinten Warnungen ſeines Vetters (eines welſchen Edelmanns der faſt ſeine gantze Lebenszeit, nehmlich bey 32. Jahr in ernſtlicher und ungemeiner Verleugnung zugebracht, und den Lauff ſeines Chriſten- thums im Wittgenſteiniſchen ſeliglich geendiget) unge- achtet, die ſeinigen heimſuchen. Daſelbſt ward ſein Hertz nach und nach verbildet, von eitelen Luͤſten der- maſ- R r 5
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C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
nichts hatten; ihnen wurden zuletzt ihre Knieſcheiben
mit gluͤenden Blechen verbrannt ꝛc. Dieſe wurden an
andern Orten, nach dem man ſie endlich aus den Mar-
tern entlaſſen und aus dem Lande getrieben, mit man-
cherley Ehrenbezeugungen aufgenommen, und mit groſ-
ſer Solennitaͤt vorgeſtellet: da dann ein weltberuͤhmter
vornehmer Theologus eine Rede hielt, und alſo anfieng:
Wer ſind dieſe? und woher ſind ſie kommen? mit der
Hand auf dieſe Prediger deutende; Und antwortete ſich
ſelbſt: dieſe ſinds, die da kommen ſind aus der groſſen
Draugſal, und haben ihre Kleider gewaſchen, und ſie
helle gemacht im Blut des Lammes. Aber leider eben
dieſe, nachdem ſie wohl gehalten wurden, und des
Kampfs vergaſſen, ſchlieffen alsdenn ſchaͤndlich ein, und
geriethen in aͤrgerliche Unreinigkeiten.
Ein Juͤngling, eines Predigers Sohn in der welſchen
Schweitz am Murtenſee, war Officier in Holland, ſahe
ein groß Weltgluͤck vor ſich, kam in vollem Pracht nach
Genf, friſche Soldaten zu werben, Compagnien aufzu-
richten und zu ergaͤntzen ꝛc. Er ward von ſtuͤrmiſchen
Platzregen zum zweytenmal aufgehalten, daß er zu Hau-
ſe bleiben muſte. Da laſe er beydemal fuͤr die lange
Weile ein Buch, das eben da lag: das erſte mal
ſchmiß ers weg; das andere mal ward er unterm leſen
ſo heftig geruͤhrt, daß er ſich gerade zu reſolvirte, in das
arme verachtete Creutzleben Chriſti zu treten, nach dem
Kleinod zu lauffen, und das Himmelreich mit Gewalt
zu ſich zu reiſſen. Er ſchickte Geld, Pferde und Bedien-
te gleich zuruͤck in Holland, und wandte ſein gantzes
Hertz zu ſeinem geereutzigten, nun aber unendlich erhoͤ-
heten Heiland; er ſehnete ſich nach einem Ort auf Erden,
woſelbſt er ſein Vorhaben am bequemlichſten und un-
gehindert koͤnte werckſtellig machen; brachte demnach
zwey Jahre in Schwartzenau zu, in ſtiller Gemuͤthsru-
he und voͤlliger Abgeſchiedenheit von allem Weltgetuͤm-
mel; lebte gar aͤrmlich, dabey aber hoͤchſtvergnuͤgt, in
ſeligſter Gewiſſensfreudigkeit und innigem Geſchmack
der goͤttlichen Ruhe und Friedens. Da er ſich nun un-
beweglich im guten gegruͤndet, und allen Verſuchungen
weit und uͤbrig gewachſen zu ſeyn vermeinte: wolte er
aller treugemeinten Warnungen ſeines Vetters (eines
welſchen Edelmanns der faſt ſeine gantze Lebenszeit,
nehmlich bey 32. Jahr in ernſtlicher und ungemeiner
Verleugnung zugebracht, und den Lauff ſeines Chriſten-
thums im Wittgenſteiniſchen ſeliglich geendiget) unge-
achtet, die ſeinigen heimſuchen. Daſelbſt ward ſein
Hertz nach und nach verbildet, von eitelen Luͤſten der-
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