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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

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C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
sich auf diese Weise niemand bekehren. Deßwe-
gen ist die mit heimlichen Zagen und Verzagen
verknüpfte Faulheit höchstschädlich: wann Muth
und Hofnung des Sieges darnieder liegt, so läßt
mans gehen, und ergibt sich dem Seelenfeind zu
allem seinem Muthwillen, da man schon so viel
als ewig verloren ist!

Der gelehrte Frantzos Arnold d' Andilly meldet im Le-
ben der Altväter eine bedenckliche Geschichte, aus welcher
man sehen kann, was ein hertzhaftes wagen und stand-
haftes Durchtreiben in dieser Sache vermag. Es wa-
ren zwey Brüder, von denen der eine verheyrathet ge-
wesen und eine Tochter hatte, der andere war im ledi-
gen Stand. Diese beyde begaben sich nach dem Tode
des Weibes an einen einsamen Ort, um in Abgeschie-
denheit vom Getümmel der Welt bey mäßiger Arbeit
dem Reich GOttes ungestört obzuliegen. Der Vater
starb, und übergab sein einiges Kind der Heilssorge sei-
nes Bruders. Dieser nahm diese theure Beylage wohl
in acht, und eiferte um sie mit göttlichem Eifer, daß er
sie als eine reine Jungfrau dem einigen Manne Chri-
sto möchte zuführen, und sie ihm, dem heiligen Jmma-
nuel, als eine heilige, unsträffliche und unbefleckte Braut
darstellen. Aber was geschicht? Satan reitzte einen
Jüngling, daß er einmal diese schöne adeliche Jungfrau
erblicket hat und sterbens in sie verliebt ward, selbige
auch, nachdem sie ein Jahr lang dessen Nachstellungen
wiederstanden, endlich zu Falle brachte, da sie etwa 17.
Jahr alt war. Diese zarte gottselige Seele ward dar-
über dergestalt verlegen, daß sie an göttlicher Gnade
gantz verzweifelte, und gedachte, nun sey die Schantze
versehen; der Krantz für ein und allemal verloren; und
nachdem sie eine so schändliche Untreue an ihrem Seelen-
bräutigam begangen, so sey forthin kein Opfer mehr für
ihre Sünde, sondern ein schrecklich warten des Gerichts,
und des Feuereifers, der die Wiederwärtigen fressen
werde: der Allerheiligste könne sie unmöglich wiederum
zu Gnaden aufnehmen, weil sie in ihren eigenen Augen
selbst zum äussersten Greuel und Eckel worden; es sey
nichts bessers für sie, als die Welt in Sünden geniessen,
so lange sie lebe; verdammt sey verdammt, und es ma-
che ja nichts, ein Grad oder hundert tieffer im Höllen-
pful zu stecken. Eben um diese Zeit hatte ihr Oncle
einen Traum, daß ein grausamer Drache eine Taube

ver-
S s 5

C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
ſich auf dieſe Weiſe niemand bekehren. Deßwe-
gen iſt die mit heimlichen Zagen und Verzagen
verknuͤpfte Faulheit hoͤchſtſchaͤdlich: wann Muth
und Hofnung des Sieges darnieder liegt, ſo laͤßt
mans gehen, und ergibt ſich dem Seelenfeind zu
allem ſeinem Muthwillen, da man ſchon ſo viel
als ewig verloren iſt!

Der gelehrte Frantzos Arnold d’ Andilly meldet im Le-
ben der Altvaͤter eine bedenckliche Geſchichte, aus welcher
man ſehen kann, was ein hertzhaftes wagen und ſtand-
haftes Durchtreiben in dieſer Sache vermag. Es wa-
ren zwey Bruͤder, von denen der eine verheyrathet ge-
weſen und eine Tochter hatte, der andere war im ledi-
gen Stand. Dieſe beyde begaben ſich nach dem Tode
des Weibes an einen einſamen Ort, um in Abgeſchie-
denheit vom Getuͤmmel der Welt bey maͤßiger Arbeit
dem Reich GOttes ungeſtoͤrt obzuliegen. Der Vater
ſtarb, und uͤbergab ſein einiges Kind der Heilsſorge ſei-
nes Bruders. Dieſer nahm dieſe theure Beylage wohl
in acht, und eiferte um ſie mit goͤttlichem Eifer, daß er
ſie als eine reine Jungfrau dem einigen Manne Chri-
ſto moͤchte zufuͤhren, und ſie ihm, dem heiligen Jmma-
nuel, als eine heilige, unſtraͤffliche und unbefleckte Braut
darſtellen. Aber was geſchicht? Satan reitzte einen
Juͤngling, daß er einmal dieſe ſchoͤne adeliche Jungfrau
erblicket hat und ſterbens in ſie verliebt ward, ſelbige
auch, nachdem ſie ein Jahr lang deſſen Nachſtellungen
wiederſtanden, endlich zu Falle brachte, da ſie etwa 17.
Jahr alt war. Dieſe zarte gottſelige Seele ward dar-
uͤber dergeſtalt verlegen, daß ſie an goͤttlicher Gnade
gantz verzweifelte, und gedachte, nun ſey die Schantze
verſehen; der Krantz fuͤr ein und allemal verloren; und
nachdem ſie eine ſo ſchaͤndliche Untreue an ihrem Seelen-
braͤutigam begangen, ſo ſey forthin kein Opfer mehr fuͤr
ihre Suͤnde, ſondern ein ſchrecklich warten des Gerichts,
und des Feuereifers, der die Wiederwaͤrtigen freſſen
werde: der Allerheiligſte koͤnne ſie unmoͤglich wiederum
zu Gnaden aufnehmen, weil ſie in ihren eigenen Augen
ſelbſt zum aͤuſſerſten Greuel und Eckel worden; es ſey
nichts beſſers fuͤr ſie, als die Welt in Suͤnden genieſſen,
ſo lange ſie lebe; verdammt ſey verdammt, und es ma-
che ja nichts, ein Grad oder hundert tieffer im Hoͤllen-
pful zu ſtecken. Eben um dieſe Zeit hatte ihr Oncle
einen Traum, daß ein grauſamer Drache eine Taube

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S s 5
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[649/0669] C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit. ſich auf dieſe Weiſe niemand bekehren. Deßwe- gen iſt die mit heimlichen Zagen und Verzagen verknuͤpfte Faulheit hoͤchſtſchaͤdlich: wann Muth und Hofnung des Sieges darnieder liegt, ſo laͤßt mans gehen, und ergibt ſich dem Seelenfeind zu allem ſeinem Muthwillen, da man ſchon ſo viel als ewig verloren iſt! Der gelehrte Frantzos Arnold d’ Andilly meldet im Le- ben der Altvaͤter eine bedenckliche Geſchichte, aus welcher man ſehen kann, was ein hertzhaftes wagen und ſtand- haftes Durchtreiben in dieſer Sache vermag. Es wa- ren zwey Bruͤder, von denen der eine verheyrathet ge- weſen und eine Tochter hatte, der andere war im ledi- gen Stand. Dieſe beyde begaben ſich nach dem Tode des Weibes an einen einſamen Ort, um in Abgeſchie- denheit vom Getuͤmmel der Welt bey maͤßiger Arbeit dem Reich GOttes ungeſtoͤrt obzuliegen. Der Vater ſtarb, und uͤbergab ſein einiges Kind der Heilsſorge ſei- nes Bruders. Dieſer nahm dieſe theure Beylage wohl in acht, und eiferte um ſie mit goͤttlichem Eifer, daß er ſie als eine reine Jungfrau dem einigen Manne Chri- ſto moͤchte zufuͤhren, und ſie ihm, dem heiligen Jmma- nuel, als eine heilige, unſtraͤffliche und unbefleckte Braut darſtellen. Aber was geſchicht? Satan reitzte einen Juͤngling, daß er einmal dieſe ſchoͤne adeliche Jungfrau erblicket hat und ſterbens in ſie verliebt ward, ſelbige auch, nachdem ſie ein Jahr lang deſſen Nachſtellungen wiederſtanden, endlich zu Falle brachte, da ſie etwa 17. Jahr alt war. Dieſe zarte gottſelige Seele ward dar- uͤber dergeſtalt verlegen, daß ſie an goͤttlicher Gnade gantz verzweifelte, und gedachte, nun ſey die Schantze verſehen; der Krantz fuͤr ein und allemal verloren; und nachdem ſie eine ſo ſchaͤndliche Untreue an ihrem Seelen- braͤutigam begangen, ſo ſey forthin kein Opfer mehr fuͤr ihre Suͤnde, ſondern ein ſchrecklich warten des Gerichts, und des Feuereifers, der die Wiederwaͤrtigen freſſen werde: der Allerheiligſte koͤnne ſie unmoͤglich wiederum zu Gnaden aufnehmen, weil ſie in ihren eigenen Augen ſelbſt zum aͤuſſerſten Greuel und Eckel worden; es ſey nichts beſſers fuͤr ſie, als die Welt in Suͤnden genieſſen, ſo lange ſie lebe; verdammt ſey verdammt, und es ma- che ja nichts, ein Grad oder hundert tieffer im Hoͤllen- pful zu ſtecken. Eben um dieſe Zeit hatte ihr Oncle einen Traum, daß ein grauſamer Drache eine Taube ver- S s 5

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Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/669>, abgerufen am 21.11.2024.