Lotterfalle gestellet, darein er auch unvorsichtiger Weise gerieth. Wer hätte gedacht, daß ein so hei- liger, in GOttes Liebe so geübter, und in der Gnade und heiligen Salbung so befestigter Mann capable seyn solte, Ehebruch und Mord zu begehen, und daß noch ein so abscheulicher Unrath in ihm heim- lich steckte? Allein, weil er auf sich selbst bauete, so erlaubte er seinen Augen, die nackete Bathseba zu erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein so berühm- ter Gottesmann, Schaden davon kriegen würde.
Darum ist das Mittagslüftlein sehr gefähr- lich, wann man in allem wohl auf ist, in der Glau- bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe- brunst; da ist man gar hoch erhaben im hellen Gnadenlicht: daher ist der Fall desto tieffer, und die geringste Untreue wird desto strenger gerochen.
Wenn eine arme Bettelmagd von einem grossen König so hoch begnadiget würde, daß er sie zu seiner Brant erkiesen möchte, und sie alsdann sich einbil- dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick, könne sie nicht aus der hohen Gunst in Ungnade stürtzen: so müste sie durch Verstossung in ihren vo- rigen Bettelstand wol inne werden, daß ein so ro- her Leichtsinn dem Könige sein Hertz tieffer verwun- det, als die gröste Missethat eines gemeinen Unter- thanen. Eben also ist bey einem Christen ein un- vorsichtiger Kuß oder Anrühren des Fingers aus rei- tzender Lust viel sträflicher, und Christo an einem er- leuchteten Kinde GOttes unerträglicher, als Hurerey und Ehebruch eines rohen Weltmenschen. Dan- nenhero auch dieser in seinem Gewissen bey weitem nicht so scharf gegeisselt wird, als Christi Freunde über gering scheinende Verbrechen. Wenn Kinder GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen sind, gegen die Erinnerung des Geistes der Kindschaft angehen: so werden sie von ihres himmlischen Vaters
Tisch
B b b 5
C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Lotterfalle geſtellet, darein er auch unvorſichtiger Weiſe gerieth. Wer haͤtte gedacht, daß ein ſo hei- liger, in GOttes Liebe ſo geuͤbter, und in der Gnade und heiligen Salbung ſo befeſtigter Mann capable ſeyn ſolte, Ehebruch und Mord zu begehen, und daß noch ein ſo abſcheulicher Unrath in ihm heim- lich ſteckte? Allein, weil er auf ſich ſelbſt bauete, ſo erlaubte er ſeinen Augen, die nackete Bathſeba zu erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein ſo beruͤhm- ter Gottesmann, Schaden davon kriegen wuͤrde.
Darum iſt das Mittagsluͤftlein ſehr gefaͤhr- lich, wann man in allem wohl auf iſt, in der Glau- bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe- brunſt; da iſt man gar hoch erhaben im hellen Gnadenlicht: daher iſt der Fall deſto tieffer, und die geringſte Untreue wird deſto ſtrenger gerochen.
Wenn eine arme Bettelmagd von einem groſſen Koͤnig ſo hoch begnadiget wuͤrde, daß er ſie zu ſeiner Brant erkieſen moͤchte, und ſie alsdann ſich einbil- dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick, koͤnne ſie nicht aus der hohen Gunſt in Ungnade ſtuͤrtzen: ſo muͤſte ſie durch Verſtoſſung in ihren vo- rigen Bettelſtand wol inne werden, daß ein ſo ro- her Leichtſinn dem Koͤnige ſein Hertz tieffer verwun- det, als die groͤſte Miſſethat eines gemeinen Unter- thanen. Eben alſo iſt bey einem Chriſten ein un- vorſichtiger Kuß oder Anruͤhren des Fingers aus rei- tzender Luſt viel ſtraͤflicher, und Chriſto an einem er- leuchteten Kinde GOttes unertraͤglicher, als Hurerey und Ehebruch eines rohen Weltmenſchen. Dan- nenhero auch dieſer in ſeinem Gewiſſen bey weitem nicht ſo ſcharf gegeiſſelt wird, als Chriſti Freunde uͤber gering ſcheinende Verbrechen. Wenn Kinder GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen ſind, gegen die Erinnerung des Geiſtes der Kindſchaft angehen: ſo werden ſie von ihres him̄liſchen Vaters
Tiſch
B b b 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0781"n="761"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit.</hi></fw><lb/>
Lotterfalle geſtellet, darein er auch unvorſichtiger<lb/>
Weiſe gerieth. Wer haͤtte gedacht, daß ein ſo hei-<lb/>
liger, in GOttes Liebe ſo geuͤbter, und in der Gnade<lb/>
und heiligen Salbung ſo befeſtigter Mann capable<lb/>ſeyn ſolte, Ehebruch und Mord zu begehen, und<lb/>
daß noch ein ſo abſcheulicher Unrath in ihm heim-<lb/>
lich ſteckte? Allein, weil er auf ſich ſelbſt bauete, ſo<lb/>
erlaubte er ſeinen Augen, die nackete Bathſeba zu<lb/>
erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein ſo beruͤhm-<lb/>
ter Gottesmann, Schaden davon kriegen wuͤrde.</p><lb/><p>Darum iſt das <hirendition="#fr">Mittagsluͤftlein</hi>ſehr gefaͤhr-<lb/>
lich, wann man in allem wohl auf iſt, in der Glau-<lb/>
bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe-<lb/>
brunſt; da iſt man gar hoch erhaben im hellen<lb/>
Gnadenlicht: daher iſt der Fall deſto tieffer, und<lb/>
die geringſte Untreue wird deſto ſtrenger gerochen.</p><lb/><p>Wenn eine arme Bettelmagd von einem groſſen<lb/>
Koͤnig ſo hoch begnadiget wuͤrde, daß er ſie zu ſeiner<lb/>
Brant erkieſen moͤchte, und ſie alsdann ſich einbil-<lb/>
dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick,<lb/>
koͤnne ſie nicht aus der hohen Gunſt in Ungnade<lb/>ſtuͤrtzen: ſo muͤſte ſie durch Verſtoſſung in ihren vo-<lb/>
rigen Bettelſtand wol inne werden, daß ein ſo ro-<lb/>
her Leichtſinn dem Koͤnige ſein Hertz tieffer verwun-<lb/>
det, als die groͤſte Miſſethat eines gemeinen Unter-<lb/>
thanen. Eben alſo iſt bey einem Chriſten ein un-<lb/>
vorſichtiger Kuß oder Anruͤhren des Fingers aus rei-<lb/>
tzender Luſt viel ſtraͤflicher, und Chriſto an einem er-<lb/>
leuchteten Kinde GOttes unertraͤglicher, als Hurerey<lb/>
und Ehebruch eines rohen Weltmenſchen. Dan-<lb/>
nenhero auch dieſer in ſeinem Gewiſſen bey weitem<lb/>
nicht ſo ſcharf gegeiſſelt wird, als Chriſti Freunde<lb/>
uͤber gering ſcheinende Verbrechen. Wenn Kinder<lb/>
GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen ſind,<lb/>
gegen die Erinnerung des Geiſtes der Kindſchaft<lb/>
angehen: ſo werden ſie von ihres him̄liſchen Vaters<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b b 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Tiſch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[761/0781]
C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Lotterfalle geſtellet, darein er auch unvorſichtiger
Weiſe gerieth. Wer haͤtte gedacht, daß ein ſo hei-
liger, in GOttes Liebe ſo geuͤbter, und in der Gnade
und heiligen Salbung ſo befeſtigter Mann capable
ſeyn ſolte, Ehebruch und Mord zu begehen, und
daß noch ein ſo abſcheulicher Unrath in ihm heim-
lich ſteckte? Allein, weil er auf ſich ſelbſt bauete, ſo
erlaubte er ſeinen Augen, die nackete Bathſeba zu
erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein ſo beruͤhm-
ter Gottesmann, Schaden davon kriegen wuͤrde.
Darum iſt das Mittagsluͤftlein ſehr gefaͤhr-
lich, wann man in allem wohl auf iſt, in der Glau-
bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe-
brunſt; da iſt man gar hoch erhaben im hellen
Gnadenlicht: daher iſt der Fall deſto tieffer, und
die geringſte Untreue wird deſto ſtrenger gerochen.
Wenn eine arme Bettelmagd von einem groſſen
Koͤnig ſo hoch begnadiget wuͤrde, daß er ſie zu ſeiner
Brant erkieſen moͤchte, und ſie alsdann ſich einbil-
dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick,
koͤnne ſie nicht aus der hohen Gunſt in Ungnade
ſtuͤrtzen: ſo muͤſte ſie durch Verſtoſſung in ihren vo-
rigen Bettelſtand wol inne werden, daß ein ſo ro-
her Leichtſinn dem Koͤnige ſein Hertz tieffer verwun-
det, als die groͤſte Miſſethat eines gemeinen Unter-
thanen. Eben alſo iſt bey einem Chriſten ein un-
vorſichtiger Kuß oder Anruͤhren des Fingers aus rei-
tzender Luſt viel ſtraͤflicher, und Chriſto an einem er-
leuchteten Kinde GOttes unertraͤglicher, als Hurerey
und Ehebruch eines rohen Weltmenſchen. Dan-
nenhero auch dieſer in ſeinem Gewiſſen bey weitem
nicht ſo ſcharf gegeiſſelt wird, als Chriſti Freunde
uͤber gering ſcheinende Verbrechen. Wenn Kinder
GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen ſind,
gegen die Erinnerung des Geiſtes der Kindſchaft
angehen: ſo werden ſie von ihres him̄liſchen Vaters
Tiſch
B b b 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/781>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.