Aber wie? begreiffen Sie daraus nicht, daß Jhr Gewissen, so doch das allerno- tableste und kläreste Ueberbleibsel des gehabten göttlichen Ebenbildes, und über alles Gold zu bewahren ist, durch solche Kämpfe und Verstörungen auch verstöret wird? Ach! es kann leicht dazu kommen, daß wenn Jhnen nun das Nagen des so übel tractirten Gewissens, als das Bellen ei- nes Kettenhundes unerträglich wird, Sie end- lich alles Gefühl desselben werden wegwerfen wollen, und es so stumpf machen, übertäuben und einschläffern, daß es im geistlichen Tode gantz vergraben wird; und hat weiter keine Em- pfindung des Zornes des Allerhöchsten, oder sei- ner eigenen Qual mehr in sich. Aber ach! ist denn das eine Glückseligkeit, nicht mehr von GOtt, nicht mehr von seinem Wort, nicht mehr vom Verstande, nicht mehr vom Gewissen, nicht mehr von den besten Freunden erinnert und ge- warnet zu werden? da man gleichwol mit zuge- bundenen Augen dem ewigen Verderben heftig entgegen eilet!
Gewiß ist es mit einem Menschen aufs höchste gekommen, wenn ihn GOttes bestraffen- de Gnade nun schon verlässet, und GOtt so gar auch den Stab Wehe über ihn brechen muß: indem er sein ewiges Verderben nun hinführo ohne die geringsten Schmertzen ansiehet; ihn seiner eigenen Lust überlässet, und zu der aller- schweresten Resolution über ihn schreitet: Er wolle weiter nicht mit ihm disputiren, es hel-
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Betrachtung der Unreinigkeit.
Aber wie? begreiffen Sie daraus nicht, daß Jhr Gewiſſen, ſo doch das allerno- tableſte und klaͤreſte Ueberbleibſel des gehabten goͤttlichen Ebenbildes, und uͤber alles Gold zu bewahren iſt, durch ſolche Kaͤmpfe und Verſtoͤrungen auch verſtoͤret wird? Ach! es kann leicht dazu kommen, daß wenn Jhnen nun das Nagen des ſo uͤbel tractirten Gewiſſens, als das Bellen ei- nes Kettenhundes unertraͤglich wird, Sie end- lich alles Gefuͤhl deſſelben werden wegwerfen wollen, und es ſo ſtumpf machen, uͤbertaͤuben und einſchlaͤffern, daß es im geiſtlichen Tode gantz vergraben wird; und hat weiter keine Em- pfindung des Zornes des Allerhoͤchſten, oder ſei- ner eigenen Qual mehr in ſich. Aber ach! iſt denn das eine Gluͤckſeligkeit, nicht mehr von GOtt, nicht mehr von ſeinem Wort, nicht mehr vom Verſtande, nicht mehr vom Gewiſſen, nicht mehr von den beſten Freunden erinnert und ge- warnet zu werden? da man gleichwol mit zuge- bundenen Augen dem ewigen Verderben heftig entgegen eilet!
Gewiß iſt es mit einem Menſchen aufs hoͤchſte gekommen, wenn ihn GOttes beſtraffen- de Gnade nun ſchon verlaͤſſet, und GOtt ſo gar auch den Stab Wehe uͤber ihn brechen muß: indem er ſein ewiges Verderben nun hinfuͤhro ohne die geringſten Schmertzen anſiehet; ihn ſeiner eigenen Luſt uͤberlaͤſſet, und zu der aller- ſchwereſten Reſolution uͤber ihn ſchreitet: Er wolle weiter nicht mit ihm diſputiren, es hel-
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Betrachtung der Unreinigkeit.
Aber wie? begreiffen Sie daraus nicht,
daß Jhr Gewiſſen, ſo doch das allerno-
tableſte und klaͤreſte Ueberbleibſel des
gehabten goͤttlichen Ebenbildes, und
uͤber alles Gold zu bewahren iſt, durch
ſolche Kaͤmpfe und Verſtoͤrungen auch
verſtoͤret wird? Ach! es kann leicht dazu
kommen, daß wenn Jhnen nun das Nagen des
ſo uͤbel tractirten Gewiſſens, als das Bellen ei-
nes Kettenhundes unertraͤglich wird, Sie end-
lich alles Gefuͤhl deſſelben werden wegwerfen
wollen, und es ſo ſtumpf machen, uͤbertaͤuben
und einſchlaͤffern, daß es im geiſtlichen Tode
gantz vergraben wird; und hat weiter keine Em-
pfindung des Zornes des Allerhoͤchſten, oder ſei-
ner eigenen Qual mehr in ſich. Aber ach! iſt
denn das eine Gluͤckſeligkeit, nicht mehr von
GOtt, nicht mehr von ſeinem Wort, nicht mehr
vom Verſtande, nicht mehr vom Gewiſſen, nicht
mehr von den beſten Freunden erinnert und ge-
warnet zu werden? da man gleichwol mit zuge-
bundenen Augen dem ewigen Verderben heftig
entgegen eilet!
Gewiß iſt es mit einem Menſchen aufs
hoͤchſte gekommen, wenn ihn GOttes beſtraffen-
de Gnade nun ſchon verlaͤſſet, und GOtt ſo gar
auch den Stab Wehe uͤber ihn brechen muß:
indem er ſein ewiges Verderben nun hinfuͤhro
ohne die geringſten Schmertzen anſiehet; ihn
ſeiner eigenen Luſt uͤberlaͤſſet, und zu der aller-
ſchwereſten Reſolution uͤber ihn ſchreitet:
Er wolle weiter nicht mit ihm diſputiren, es hel-
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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