Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 14. Wissenschaftliches Recht.
einen geschlossenen Stand bilden wollten. Da aber Jeder
Jurist werden kann, der die nöthige Kraft darauf wen-
det, so liegt in jener Behauptung nur der einfache Satz,
daß, Wer das Recht zu seinem Lebensberuf macht, durch
seine größere Sachkenntniß mehr als Andere auf das
Recht Einfluß haben wird.

Diese besondere Art der Rechtserzeugung bezeichne ich
als das wissenschaftliche Recht: anderwärts wird
sie das Juristenrecht genannt.

Indem nun hier die geistige Entwicklung als Bedin-
gung des wissenschaftlichen Rechts angegeben worden ist,
so darf dieses nicht lediglich von einem besonders hohen
Grad wissenschaftlicher Bildung verstanden werden, da
vielmehr auch schon ein beschränkter Anfang dazu hinrei-
chen kann, wie denn überhaupt Niemand hier an eine
scharfe Gränzbestimmung denken wird. Noch wichtiger
aber ist die Bemerkung, daß ein ähnliches Verhältniß,
wenngleich eingeschränkter, auch schon aus der Verfassung
eines Staats hervorgehen kann, wenn diese einen einzel-
nen Stand in die Lage setzt, vor anderen Ständen die
Kenntniß des Rechts zu besitzen. So wird in Rom eine
Prudentium auctoritas angenommen zu einer Zeit, worin
von einem wissenschaftlichen Bedürfniß noch nicht die lei-
seste Spur vorhanden war, und es wird dieselbe in Verbin-
dung gesetzt mit den ausschließenden Kenntnissen der Pontifi-
ces, also zugleich mit den Vorrechten des Patricierstandes (d).


(d) L. 2. §. 5. 6. de orig. jur. (1. 2.). -- Bis zu welchem Grade
4

§. 14. Wiſſenſchaftliches Recht.
einen geſchloſſenen Stand bilden wollten. Da aber Jeder
Juriſt werden kann, der die nöthige Kraft darauf wen-
det, ſo liegt in jener Behauptung nur der einfache Satz,
daß, Wer das Recht zu ſeinem Lebensberuf macht, durch
ſeine größere Sachkenntniß mehr als Andere auf das
Recht Einfluß haben wird.

Dieſe beſondere Art der Rechtserzeugung bezeichne ich
als das wiſſenſchaftliche Recht: anderwärts wird
ſie das Juriſtenrecht genannt.

Indem nun hier die geiſtige Entwicklung als Bedin-
gung des wiſſenſchaftlichen Rechts angegeben worden iſt,
ſo darf dieſes nicht lediglich von einem beſonders hohen
Grad wiſſenſchaftlicher Bildung verſtanden werden, da
vielmehr auch ſchon ein beſchränkter Anfang dazu hinrei-
chen kann, wie denn überhaupt Niemand hier an eine
ſcharfe Gränzbeſtimmung denken wird. Noch wichtiger
aber iſt die Bemerkung, daß ein ähnliches Verhältniß,
wenngleich eingeſchränkter, auch ſchon aus der Verfaſſung
eines Staats hervorgehen kann, wenn dieſe einen einzel-
nen Stand in die Lage ſetzt, vor anderen Ständen die
Kenntniß des Rechts zu beſitzen. So wird in Rom eine
Prudentium auctoritas angenommen zu einer Zeit, worin
von einem wiſſenſchaftlichen Bedürfniß noch nicht die lei-
ſeſte Spur vorhanden war, und es wird dieſelbe in Verbin-
dung geſetzt mit den ausſchließenden Kenntniſſen der Pontifi-
ces, alſo zugleich mit den Vorrechten des Patricierſtandes (d).


(d) L. 2. §. 5. 6. de orig. jur. (1. 2.). — Bis zu welchem Grade
4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0105" n="49"/><fw place="top" type="header">§. 14. Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliches Recht.</fw><lb/>
einen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Stand bilden wollten. Da aber Jeder<lb/>
Juri&#x017F;t werden kann, der die nöthige Kraft darauf wen-<lb/>
det, &#x017F;o liegt in jener Behauptung nur der einfache Satz,<lb/>
daß, Wer das Recht zu &#x017F;einem Lebensberuf macht, durch<lb/>
&#x017F;eine größere Sachkenntniß mehr als Andere auf das<lb/>
Recht Einfluß haben wird.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e be&#x017F;ondere Art der Rechtserzeugung bezeichne ich<lb/>
als das <hi rendition="#g">wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Recht</hi>: anderwärts wird<lb/>
&#x017F;ie das Juri&#x017F;tenrecht genannt.</p><lb/>
            <p>Indem nun hier die gei&#x017F;tige Entwicklung als Bedin-<lb/>
gung des wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Rechts angegeben worden i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o darf die&#x017F;es nicht lediglich von einem be&#x017F;onders hohen<lb/>
Grad wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Bildung ver&#x017F;tanden werden, da<lb/>
vielmehr auch &#x017F;chon ein be&#x017F;chränkter Anfang dazu hinrei-<lb/>
chen kann, wie denn überhaupt Niemand hier an eine<lb/>
&#x017F;charfe Gränzbe&#x017F;timmung denken wird. Noch wichtiger<lb/>
aber i&#x017F;t die Bemerkung, daß ein ähnliches Verhältniß,<lb/>
wenngleich einge&#x017F;chränkter, auch &#x017F;chon aus der Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
eines Staats hervorgehen kann, wenn die&#x017F;e einen einzel-<lb/>
nen Stand in die Lage &#x017F;etzt, vor anderen Ständen die<lb/>
Kenntniß des Rechts zu be&#x017F;itzen. So wird in Rom eine<lb/><hi rendition="#aq">Prudentium auctoritas</hi> angenommen zu einer Zeit, worin<lb/>
von einem wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Bedürfniß noch nicht die lei-<lb/>
&#x017F;e&#x017F;te Spur vorhanden war, und es wird die&#x017F;elbe in Verbin-<lb/>
dung ge&#x017F;etzt mit den aus&#x017F;chließenden Kenntni&#x017F;&#x017F;en der Pontifi-<lb/>
ces, al&#x017F;o zugleich mit den Vorrechten des Patricier&#x017F;tandes <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2. §. 5. 6. <hi rendition="#i">de orig. jur.</hi></hi> (1. 2.). &#x2014; Bis zu welchem Grade</note>.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">4</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0105] §. 14. Wiſſenſchaftliches Recht. einen geſchloſſenen Stand bilden wollten. Da aber Jeder Juriſt werden kann, der die nöthige Kraft darauf wen- det, ſo liegt in jener Behauptung nur der einfache Satz, daß, Wer das Recht zu ſeinem Lebensberuf macht, durch ſeine größere Sachkenntniß mehr als Andere auf das Recht Einfluß haben wird. Dieſe beſondere Art der Rechtserzeugung bezeichne ich als das wiſſenſchaftliche Recht: anderwärts wird ſie das Juriſtenrecht genannt. Indem nun hier die geiſtige Entwicklung als Bedin- gung des wiſſenſchaftlichen Rechts angegeben worden iſt, ſo darf dieſes nicht lediglich von einem beſonders hohen Grad wiſſenſchaftlicher Bildung verſtanden werden, da vielmehr auch ſchon ein beſchränkter Anfang dazu hinrei- chen kann, wie denn überhaupt Niemand hier an eine ſcharfe Gränzbeſtimmung denken wird. Noch wichtiger aber iſt die Bemerkung, daß ein ähnliches Verhältniß, wenngleich eingeſchränkter, auch ſchon aus der Verfaſſung eines Staats hervorgehen kann, wenn dieſe einen einzel- nen Stand in die Lage ſetzt, vor anderen Ständen die Kenntniß des Rechts zu beſitzen. So wird in Rom eine Prudentium auctoritas angenommen zu einer Zeit, worin von einem wiſſenſchaftlichen Bedürfniß noch nicht die lei- ſeſte Spur vorhanden war, und es wird dieſelbe in Verbin- dung geſetzt mit den ausſchließenden Kenntniſſen der Pontifi- ces, alſo zugleich mit den Vorrechten des Patricierſtandes (d). (d) L. 2. §. 5. 6. de orig. jur. (1. 2.). — Bis zu welchem Grade 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/105
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/105>, abgerufen am 11.12.2024.