Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 20. Wissenschaftliches Recht. Fortsetzung. gendes, durch Handlungen ausgedrücktes Statut der Cor-poration verstanden wird, begründet durch das ihr zuste- hende Recht der Autonomie (g). Dagegen ist es eine völ- lige Umänderung jener bestimmtesten Bedeutung des Wor- tes Observanz zu nennen, wenn dasselbe einen stillschwei- genden Vertrag der Corporationsmitglieder bezeichnen soll (h). Auch dabey wäre es vor Allem besser, den zwey- deutigen Ausdruck ganz zu vermeiden, und nur den siche- ren Ausdruck des Vertrags anzuwenden. Sieht man aber genauer zu, so wird man finden, daß in den Fällen, worin gewiß die Meisten den Namen der Observanz gebrauchen mögen, doch nur Gewohnheitsrecht, nicht Vertrag, vor- handen ist, daß aber die Veranlassung, weshalb man einen Vertrag darunter denken wollte, tiefer liegt. Es giebt nämlich manche Rechtsverhältnisse, worin es in der That zweifelhaft seyn kann, ob sie einer Bestimmung durch Gewohnheitsrecht, oder vielmehr nur durch einen still- schweigenden Vertrag der einzelnen Betheiligten unterlie- gen. Über diesen Zweifel, oder vielleicht auch über die unklare Auffassung des Gegensatzes selbst, kam man am leichtesten hinweg durch den Gebrauch jenes schwankenden (g) Eichhorn Kirchenrecht B. 2 S. 39--44. -- Puchta Gewohnheitsrecht II S. 105, der den Unterschied der Observanz von verwandten Begriffen schär- fer als alle Anderen bestimmt hat, will diesen Fall (Anwendung der Autonomie) allein als wahre Observanz gelten lassen. Auch würde der Verwirrung dieser Be- griffe in der That am besten vor- gebeugt seyn, wenn sich der Sprachgebrauch in der von Puchta angegebenen Weise fixiren wollte. (h) Meurer Abhandlungen Num. 6. Hofacker § 127. Thi- baut § 16. -- S. dagegen Eich- horn a. a. O. S. 41. 7*
§. 20. Wiſſenſchaftliches Recht. Fortſetzung. gendes, durch Handlungen ausgedrücktes Statut der Cor-poration verſtanden wird, begründet durch das ihr zuſte- hende Recht der Autonomie (g). Dagegen iſt es eine völ- lige Umänderung jener beſtimmteſten Bedeutung des Wor- tes Obſervanz zu nennen, wenn daſſelbe einen ſtillſchwei- genden Vertrag der Corporationsmitglieder bezeichnen ſoll (h). Auch dabey wäre es vor Allem beſſer, den zwey- deutigen Ausdruck ganz zu vermeiden, und nur den ſiche- ren Ausdruck des Vertrags anzuwenden. Sieht man aber genauer zu, ſo wird man finden, daß in den Fällen, worin gewiß die Meiſten den Namen der Obſervanz gebrauchen mögen, doch nur Gewohnheitsrecht, nicht Vertrag, vor- handen iſt, daß aber die Veranlaſſung, weshalb man einen Vertrag darunter denken wollte, tiefer liegt. Es giebt nämlich manche Rechtsverhältniſſe, worin es in der That zweifelhaft ſeyn kann, ob ſie einer Beſtimmung durch Gewohnheitsrecht, oder vielmehr nur durch einen ſtill- ſchweigenden Vertrag der einzelnen Betheiligten unterlie- gen. Über dieſen Zweifel, oder vielleicht auch über die unklare Auffaſſung des Gegenſatzes ſelbſt, kam man am leichteſten hinweg durch den Gebrauch jenes ſchwankenden (g) Eichhorn Kirchenrecht B. 2 S. 39—44. — Puchta Gewohnheitsrecht II S. 105, der den Unterſchied der Obſervanz von verwandten Begriffen ſchär- fer als alle Anderen beſtimmt hat, will dieſen Fall (Anwendung der Autonomie) allein als wahre Obſervanz gelten laſſen. Auch würde der Verwirrung dieſer Be- griffe in der That am beſten vor- gebeugt ſeyn, wenn ſich der Sprachgebrauch in der von Puchta angegebenen Weiſe fixiren wollte. (h) Meurer Abhandlungen Num. 6. Hofacker § 127. Thi- baut § 16. — S. dagegen Eich- horn a. a. O. S. 41. 7*
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§. 20. Wiſſenſchaftliches Recht. Fortſetzung.
gendes, durch Handlungen ausgedrücktes Statut der Cor-
poration verſtanden wird, begründet durch das ihr zuſte-
hende Recht der Autonomie (g). Dagegen iſt es eine völ-
lige Umänderung jener beſtimmteſten Bedeutung des Wor-
tes Obſervanz zu nennen, wenn daſſelbe einen ſtillſchwei-
genden Vertrag der Corporationsmitglieder bezeichnen
ſoll (h). Auch dabey wäre es vor Allem beſſer, den zwey-
deutigen Ausdruck ganz zu vermeiden, und nur den ſiche-
ren Ausdruck des Vertrags anzuwenden. Sieht man aber
genauer zu, ſo wird man finden, daß in den Fällen, worin
gewiß die Meiſten den Namen der Obſervanz gebrauchen
mögen, doch nur Gewohnheitsrecht, nicht Vertrag, vor-
handen iſt, daß aber die Veranlaſſung, weshalb man
einen Vertrag darunter denken wollte, tiefer liegt. Es
giebt nämlich manche Rechtsverhältniſſe, worin es in der
That zweifelhaft ſeyn kann, ob ſie einer Beſtimmung durch
Gewohnheitsrecht, oder vielmehr nur durch einen ſtill-
ſchweigenden Vertrag der einzelnen Betheiligten unterlie-
gen. Über dieſen Zweifel, oder vielleicht auch über die
unklare Auffaſſung des Gegenſatzes ſelbſt, kam man am
leichteſten hinweg durch den Gebrauch jenes ſchwankenden
(g) Eichhorn Kirchenrecht
B. 2 S. 39—44. — Puchta
Gewohnheitsrecht II S. 105, der
den Unterſchied der Obſervanz
von verwandten Begriffen ſchär-
fer als alle Anderen beſtimmt
hat, will dieſen Fall (Anwendung
der Autonomie) allein als wahre
Obſervanz gelten laſſen. Auch
würde der Verwirrung dieſer Be-
griffe in der That am beſten vor-
gebeugt ſeyn, wenn ſich der
Sprachgebrauch in der von Puchta
angegebenen Weiſe fixiren wollte.
(h) Meurer Abhandlungen
Num. 6. Hofacker § 127. Thi-
baut § 16. — S. dagegen Eich-
horn a. a. O. S. 41.
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