Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
ritorialrecht, welches sich bald auf ein ganzes Land, bald
auf einzelne Bestandtheile desselben bezieht, und dessen Um-
fang und Wichtigkeit je nach den Ländern sehr verschie-
den ist. Auf den Gegensatz dieses Territorialrechts grün-
det sich der oben (§ 2) aufgestellte Begriff des gemeinen
Rechts, welches überall zu jenem im Verhältniß eines
Subsidiarrechts steht, so daß es nur zur Anwendung
kommen kann, insofern nicht eine andere Bestimmung des
Territorialrechts vorhanden ist. Dieses Verhältniß folgt
natürlich, ja nothwendig daraus, daß eine solche neuere
Gesetzgebung gerade durch das Bedürfniß der Fortbildung
des vorhandenen Rechts entsteht, also diese Fortbildung
recht eigentlich zum Zweck hat. Nur würde es unrichtig
seyn, dieses Verhältniß des Subsidiarrechts so anzusehen,
als ob nun im wirklichen Leben die Entscheidung streitiger
Verhältnisse in der Regel durch Territorialrecht bestimmt
würde, neben welchem das gemeine Recht nur in selte-
nen ausgenommenen Fällen zur Anwendung käme. Viel-
mehr ist überall die wirkliche Anwendung des gemeinen
Rechts in großem Übergewicht geblieben, so lange nur
der Begriff desselben überhaupt beybehalten wurde, wel-
cher freylich überall aufgehört hat, wo neue Gesetzbücher
eingeführt wurden.

In einem großen Theil von Europa nämlich sind in
neueren Zeiten die Rechtsquellen durch neue einheimische
Gesetzbücher wesentlich umgebildet worden. In Preußen
und Österreich haben dazu nur innere, den Rechtszustand

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
ritorialrecht, welches ſich bald auf ein ganzes Land, bald
auf einzelne Beſtandtheile deſſelben bezieht, und deſſen Um-
fang und Wichtigkeit je nach den Ländern ſehr verſchie-
den iſt. Auf den Gegenſatz dieſes Territorialrechts grün-
det ſich der oben (§ 2) aufgeſtellte Begriff des gemeinen
Rechts, welches überall zu jenem im Verhältniß eines
Subſidiarrechts ſteht, ſo daß es nur zur Anwendung
kommen kann, inſofern nicht eine andere Beſtimmung des
Territorialrechts vorhanden iſt. Dieſes Verhältniß folgt
natürlich, ja nothwendig daraus, daß eine ſolche neuere
Geſetzgebung gerade durch das Bedürfniß der Fortbildung
des vorhandenen Rechts entſteht, alſo dieſe Fortbildung
recht eigentlich zum Zweck hat. Nur würde es unrichtig
ſeyn, dieſes Verhältniß des Subſidiarrechts ſo anzuſehen,
als ob nun im wirklichen Leben die Entſcheidung ſtreitiger
Verhältniſſe in der Regel durch Territorialrecht beſtimmt
würde, neben welchem das gemeine Recht nur in ſelte-
nen ausgenommenen Fällen zur Anwendung käme. Viel-
mehr iſt überall die wirkliche Anwendung des gemeinen
Rechts in großem Übergewicht geblieben, ſo lange nur
der Begriff deſſelben überhaupt beybehalten wurde, wel-
cher freylich überall aufgehört hat, wo neue Geſetzbücher
eingeführt wurden.

In einem großen Theil von Europa nämlich ſind in
neueren Zeiten die Rechtsquellen durch neue einheimiſche
Geſetzbücher weſentlich umgebildet worden. In Preußen
und Öſterreich haben dazu nur innere, den Rechtszuſtand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0158" n="102"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/>
ritorialrecht, welches &#x017F;ich bald auf ein ganzes Land, bald<lb/>
auf einzelne Be&#x017F;tandtheile de&#x017F;&#x017F;elben bezieht, und de&#x017F;&#x017F;en Um-<lb/>
fang und Wichtigkeit je nach den Ländern &#x017F;ehr ver&#x017F;chie-<lb/>
den i&#x017F;t. Auf den Gegen&#x017F;atz die&#x017F;es Territorialrechts grün-<lb/>
det &#x017F;ich der oben (§ 2) aufge&#x017F;tellte Begriff des gemeinen<lb/>
Rechts, welches überall zu jenem im Verhältniß eines<lb/><hi rendition="#g">Sub&#x017F;idiarrechts</hi> &#x017F;teht, &#x017F;o daß es nur zur Anwendung<lb/>
kommen kann, in&#x017F;ofern nicht eine andere Be&#x017F;timmung des<lb/>
Territorialrechts vorhanden i&#x017F;t. Die&#x017F;es Verhältniß folgt<lb/>
natürlich, ja nothwendig daraus, daß eine &#x017F;olche neuere<lb/>
Ge&#x017F;etzgebung gerade durch das Bedürfniß der Fortbildung<lb/>
des vorhandenen Rechts ent&#x017F;teht, al&#x017F;o die&#x017F;e Fortbildung<lb/>
recht eigentlich zum Zweck hat. Nur würde es unrichtig<lb/>
&#x017F;eyn, die&#x017F;es Verhältniß des Sub&#x017F;idiarrechts &#x017F;o anzu&#x017F;ehen,<lb/>
als ob nun im wirklichen Leben die Ent&#x017F;cheidung &#x017F;treitiger<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e in der Regel durch Territorialrecht be&#x017F;timmt<lb/>
würde, neben welchem das gemeine Recht nur in &#x017F;elte-<lb/>
nen ausgenommenen Fällen zur Anwendung käme. Viel-<lb/>
mehr i&#x017F;t überall die wirkliche Anwendung des gemeinen<lb/>
Rechts in großem Übergewicht geblieben, &#x017F;o lange nur<lb/>
der Begriff de&#x017F;&#x017F;elben überhaupt beybehalten wurde, wel-<lb/>
cher freylich überall aufgehört hat, wo neue Ge&#x017F;etzbücher<lb/>
eingeführt wurden.</p><lb/>
            <p>In einem großen Theil von Europa nämlich &#x017F;ind in<lb/>
neueren Zeiten die Rechtsquellen durch neue einheimi&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;etzbücher we&#x017F;entlich umgebildet worden. In Preußen<lb/>
und Ö&#x017F;terreich haben dazu nur innere, den Rechtszu&#x017F;tand<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0158] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. ritorialrecht, welches ſich bald auf ein ganzes Land, bald auf einzelne Beſtandtheile deſſelben bezieht, und deſſen Um- fang und Wichtigkeit je nach den Ländern ſehr verſchie- den iſt. Auf den Gegenſatz dieſes Territorialrechts grün- det ſich der oben (§ 2) aufgeſtellte Begriff des gemeinen Rechts, welches überall zu jenem im Verhältniß eines Subſidiarrechts ſteht, ſo daß es nur zur Anwendung kommen kann, inſofern nicht eine andere Beſtimmung des Territorialrechts vorhanden iſt. Dieſes Verhältniß folgt natürlich, ja nothwendig daraus, daß eine ſolche neuere Geſetzgebung gerade durch das Bedürfniß der Fortbildung des vorhandenen Rechts entſteht, alſo dieſe Fortbildung recht eigentlich zum Zweck hat. Nur würde es unrichtig ſeyn, dieſes Verhältniß des Subſidiarrechts ſo anzuſehen, als ob nun im wirklichen Leben die Entſcheidung ſtreitiger Verhältniſſe in der Regel durch Territorialrecht beſtimmt würde, neben welchem das gemeine Recht nur in ſelte- nen ausgenommenen Fällen zur Anwendung käme. Viel- mehr iſt überall die wirkliche Anwendung des gemeinen Rechts in großem Übergewicht geblieben, ſo lange nur der Begriff deſſelben überhaupt beybehalten wurde, wel- cher freylich überall aufgehört hat, wo neue Geſetzbücher eingeführt wurden. In einem großen Theil von Europa nämlich ſind in neueren Zeiten die Rechtsquellen durch neue einheimiſche Geſetzbücher weſentlich umgebildet worden. In Preußen und Öſterreich haben dazu nur innere, den Rechtszuſtand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/158
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/158>, abgerufen am 04.12.2024.