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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 22. Aussprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
für die Römer das ganze Jus gentium ursprünglich (d. h.
wenn es nicht zufällig in ein Edict aufgenommen wird)
zum ungeschriebenen Recht, und bildet einen zweyten Theil
desselben neben dem einheimischen Gewohnheitsrecht, oder
den mores majorum. Diese Zusammenstellung findet sich
übrigens bei keinem Juristen, wohl aber bey Cicero (t). --
Zum Schluß muß endlich noch folgendes Verhältniß zwi-
schen den beiden hier erklärten Arten des Rechts bemerk-
lich gemacht werden. Da das Jus gentium in Rom ein
in sich geschlossenes Rechtssystem von positiver Natur und
praktischer Anwendbarkeit geworden war, so war es un-
vermeidlich, daß auch Bestimmungen des Jus civile auf
dasselbe mußten einwirken können. Wurde also durch das
Jus civile irgend etwas verboten, z. B. eine Ehe in einem
gewissen Grad der Verwandtschaft, so hatte eine solche
Ehe in Rom auch nicht einmal nach Jus gentium Da-
seyn und Wirksamkeit, wenngleich ein solches Verbot bey
andern Völkern vielleicht nicht vorkam, so daß bey ihnen
dieselbe Ehe gültig gewesen wäre (u). Eben so entsteht
aus einem durch Jus civile verbotenen Vertrag (z. B. durch
Spielschuld oder Zinswucher) ganz entschieden nicht ein-
mal eine naturalis obligatio. Cicero spricht diese Rück-

(t) Cicero de partitione ora-
toria C.
37 s. o. Note b.
(u) § 12 J. de nupt. (1. 10.).
Vgl. unten § 65 Note b. -- In
solchen Fällen zeigt sich also ge-
wissermaßen eine zwiefache Be-
trachtungsweise für das jus gen-
tium:
eine speculative, welche
bloß den Ursprung der Rechts-
sätze beachtet, und eine prakti-
sche, welche sich auf die Gestalt
bezieht, die dasselbe in den
Römischen Gerichten annehmen
mußte.
8*

§. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
für die Römer das ganze Jus gentium urſprünglich (d. h.
wenn es nicht zufällig in ein Edict aufgenommen wird)
zum ungeſchriebenen Recht, und bildet einen zweyten Theil
deſſelben neben dem einheimiſchen Gewohnheitsrecht, oder
den mores majorum. Dieſe Zuſammenſtellung findet ſich
übrigens bei keinem Juriſten, wohl aber bey Cicero (t). —
Zum Schluß muß endlich noch folgendes Verhältniß zwi-
ſchen den beiden hier erklärten Arten des Rechts bemerk-
lich gemacht werden. Da das Jus gentium in Rom ein
in ſich geſchloſſenes Rechtsſyſtem von poſitiver Natur und
praktiſcher Anwendbarkeit geworden war, ſo war es un-
vermeidlich, daß auch Beſtimmungen des Jus civile auf
daſſelbe mußten einwirken können. Wurde alſo durch das
Jus civile irgend etwas verboten, z. B. eine Ehe in einem
gewiſſen Grad der Verwandtſchaft, ſo hatte eine ſolche
Ehe in Rom auch nicht einmal nach Jus gentium Da-
ſeyn und Wirkſamkeit, wenngleich ein ſolches Verbot bey
andern Völkern vielleicht nicht vorkam, ſo daß bey ihnen
dieſelbe Ehe gültig geweſen wäre (u). Eben ſo entſteht
aus einem durch Jus civile verbotenen Vertrag (z. B. durch
Spielſchuld oder Zinswucher) ganz entſchieden nicht ein-
mal eine naturalis obligatio. Cicero ſpricht dieſe Rück-

(t) Cicero de partitione ora-
toria C.
37 ſ. o. Note b.
(u) § 12 J. de nupt. (1. 10.).
Vgl. unten § 65 Note b. — In
ſolchen Fällen zeigt ſich alſo ge-
wiſſermaßen eine zwiefache Be-
trachtungsweiſe für das jus gen-
tium:
eine ſpeculative, welche
bloß den Urſprung der Rechts-
ſätze beachtet, und eine prakti-
ſche, welche ſich auf die Geſtalt
bezieht, die daſſelbe in den
Römiſchen Gerichten annehmen
mußte.
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[115/0171] §. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg. für die Römer das ganze Jus gentium urſprünglich (d. h. wenn es nicht zufällig in ein Edict aufgenommen wird) zum ungeſchriebenen Recht, und bildet einen zweyten Theil deſſelben neben dem einheimiſchen Gewohnheitsrecht, oder den mores majorum. Dieſe Zuſammenſtellung findet ſich übrigens bei keinem Juriſten, wohl aber bey Cicero (t). — Zum Schluß muß endlich noch folgendes Verhältniß zwi- ſchen den beiden hier erklärten Arten des Rechts bemerk- lich gemacht werden. Da das Jus gentium in Rom ein in ſich geſchloſſenes Rechtsſyſtem von poſitiver Natur und praktiſcher Anwendbarkeit geworden war, ſo war es un- vermeidlich, daß auch Beſtimmungen des Jus civile auf daſſelbe mußten einwirken können. Wurde alſo durch das Jus civile irgend etwas verboten, z. B. eine Ehe in einem gewiſſen Grad der Verwandtſchaft, ſo hatte eine ſolche Ehe in Rom auch nicht einmal nach Jus gentium Da- ſeyn und Wirkſamkeit, wenngleich ein ſolches Verbot bey andern Völkern vielleicht nicht vorkam, ſo daß bey ihnen dieſelbe Ehe gültig geweſen wäre (u). Eben ſo entſteht aus einem durch Jus civile verbotenen Vertrag (z. B. durch Spielſchuld oder Zinswucher) ganz entſchieden nicht ein- mal eine naturalis obligatio. Cicero ſpricht dieſe Rück- (t) Cicero de partitione ora- toria C. 37 ſ. o. Note b. (u) § 12 J. de nupt. (1. 10.). Vgl. unten § 65 Note b. — In ſolchen Fällen zeigt ſich alſo ge- wiſſermaßen eine zwiefache Be- trachtungsweiſe für das jus gen- tium: eine ſpeculative, welche bloß den Urſprung der Rechts- ſätze beachtet, und eine prakti- ſche, welche ſich auf die Geſtalt bezieht, die daſſelbe in den Römiſchen Gerichten annehmen mußte. 8*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/171>, abgerufen am 04.12.2024.