Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 34. Grund des Gesetzes. leicht eine scheinbare Verschiedenheit zwischen beiden erklärtund gerechtfertigt werden kann (a). Eben so giebt es auch verschiedene Grade in der Ver- (a) Das Sc. Macedonianum hatte zum Zweck, wucherliche, die Familienverhältnisse gefährdende Geschäfte mit Kindern in väter- licher Gewalt zu verhindern. Das Verbot wurde aber viel weiter gefaßt, so daß auch ganz unschul- dige Fälle darunter fielen, weil es außerdem unmöglich war, die wirklich gemeynten Fälle sicher zu treffen. (b) L. 13 § 1 de pign. act. (13. 7.) bestimmt den Grad der Culpa für den Pfandcontract; diese Bestimmung ist eine reine Folgerung aus der allgemeineren in L. 5 § 2 commodati (13. 6.) enthaltenen Rechtsregel. Eben so bey mehreren anderen daselbst erwähnten Contracten, z. B. dem Depositum. Eine gleiche Anwen- dung, wie bey dem Depositum, wäre bey der Tutel denkbar ge- wesen, weil auch der Vormund keinen Vortheil aus seiner Ver- waltung zieht. Allein hier wird das rein logische Verhältniß ge- stört durch die Einwirkung an- derer Gründe, so daß also hier das vorher erwähnte Verhältniß concurrirender Gründe eintritt; und zwar ist hier dieses Verhält- niß der verschiedenen Gründe zu einander so beschaffen, daß sie einander durchkreuzen. (c) Die allgemeinere Rechts-
regel über die Culpa (L. 5 § 2 comm.) beruht auf einem Grund- satz der aequitas, dessen Aner- kennung und Begränzung an sich schwankend ist, und dieser einzel- nen Anwendung sehr entfernt liegt. §. 34. Grund des Geſetzes. leicht eine ſcheinbare Verſchiedenheit zwiſchen beiden erklärtund gerechtfertigt werden kann (a). Eben ſo giebt es auch verſchiedene Grade in der Ver- (a) Das Sc. Macedonianum hatte zum Zweck, wucherliche, die Familienverhältniſſe gefährdende Geſchäfte mit Kindern in väter- licher Gewalt zu verhindern. Das Verbot wurde aber viel weiter gefaßt, ſo daß auch ganz unſchul- dige Fälle darunter fielen, weil es außerdem unmöglich war, die wirklich gemeynten Fälle ſicher zu treffen. (b) L. 13 § 1 de pign. act. (13. 7.) beſtimmt den Grad der Culpa für den Pfandcontract; dieſe Beſtimmung iſt eine reine Folgerung aus der allgemeineren in L. 5 § 2 commodati (13. 6.) enthaltenen Rechtsregel. Eben ſo bey mehreren anderen daſelbſt erwähnten Contracten, z. B. dem Depoſitum. Eine gleiche Anwen- dung, wie bey dem Depoſitum, wäre bey der Tutel denkbar ge- weſen, weil auch der Vormund keinen Vortheil aus ſeiner Ver- waltung zieht. Allein hier wird das rein logiſche Verhältniß ge- ſtört durch die Einwirkung an- derer Gründe, ſo daß alſo hier das vorher erwähnte Verhältniß concurrirender Gründe eintritt; und zwar iſt hier dieſes Verhält- niß der verſchiedenen Gründe zu einander ſo beſchaffen, daß ſie einander durchkreuzen. (c) Die allgemeinere Rechts-
regel über die Culpa (L. 5 § 2 comm.) beruht auf einem Grund- ſatz der aequitas, deſſen Aner- kennung und Begränzung an ſich ſchwankend iſt, und dieſer einzel- nen Anwendung ſehr entfernt liegt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0275" n="219"/><fw place="top" type="header">§. 34. Grund des Geſetzes.</fw><lb/> leicht eine ſcheinbare Verſchiedenheit zwiſchen beiden erklärt<lb/> und gerechtfertigt werden kann <note place="foot" n="(a)">Das <hi rendition="#aq">Sc. Macedonianum</hi><lb/> hatte zum Zweck, wucherliche, die<lb/> Familienverhältniſſe gefährdende<lb/> Geſchäfte mit Kindern in väter-<lb/> licher Gewalt zu verhindern. Das<lb/> Verbot wurde aber viel weiter<lb/> gefaßt, ſo daß auch ganz unſchul-<lb/> dige Fälle darunter fielen, weil<lb/> es außerdem unmöglich war, die<lb/> wirklich gemeynten Fälle ſicher<lb/> zu treffen.</note>.</p><lb/> <p>Eben ſo giebt es auch verſchiedene Grade in der Ver-<lb/> wandtſchaft des Grundes mit dem Inhalt des Geſetzes.<lb/> Sie können zu einander ſtehen in dem einfachen, rein logi-<lb/> ſchen Verhältniß des Grundes zur Folge: dann erſcheint<lb/> der Geſetzgrund als identiſch mit dem Inhalt <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 13 § 1 <hi rendition="#i">de pign. act.</hi></hi><lb/> (13. 7.) beſtimmt den Grad der<lb/> Culpa für den Pfandcontract;<lb/> dieſe Beſtimmung iſt eine reine<lb/> Folgerung aus der allgemeineren<lb/> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5 § 2 <hi rendition="#i">commodati</hi></hi> (13. 6.)<lb/> enthaltenen Rechtsregel. Eben<lb/> ſo bey mehreren anderen daſelbſt<lb/> erwähnten Contracten, z. B. dem<lb/> Depoſitum. Eine gleiche Anwen-<lb/> dung, wie bey dem Depoſitum,<lb/> wäre bey der Tutel denkbar ge-<lb/> weſen, weil auch der Vormund<lb/> keinen Vortheil aus ſeiner Ver-<lb/> waltung zieht. Allein hier wird<lb/> das rein logiſche Verhältniß ge-<lb/> ſtört durch die Einwirkung an-<lb/> derer Gründe, ſo daß alſo hier<lb/> das vorher erwähnte Verhältniß<lb/> concurrirender Gründe eintritt;<lb/> und zwar iſt hier dieſes Verhält-<lb/> niß der verſchiedenen Gründe zu<lb/> einander ſo beſchaffen, daß ſie<lb/> einander durchkreuzen.</note>. In<lb/> anderen Fällen dagegen werden beide ſehr entfernt von<lb/> einander ſtehen <note place="foot" n="(c)">Die allgemeinere Rechts-<lb/> regel über die Culpa (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5 § 2<lb/><hi rendition="#i">comm.</hi></hi>) beruht auf einem Grund-<lb/> ſatz der <hi rendition="#aq">aequitas,</hi> deſſen Aner-<lb/> kennung und Begränzung an ſich<lb/> ſchwankend iſt, und dieſer einzel-<lb/> nen Anwendung ſehr entfernt liegt.</note>. Beide Fälle ſollen hier durch die Na-<lb/> men <hi rendition="#g">ſpecieller</hi> und <hi rendition="#g">genereller</hi> Gründe unterſchieden<lb/> werden. Dieſe Begriffe aber ſind relativ, eine ſcharfe<lb/> Gränze beſteht zwiſchen denſelben nicht, und es laſſen ſich<lb/> vielmehr ſehr allmälige Übergänge denken.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0275]
§. 34. Grund des Geſetzes.
leicht eine ſcheinbare Verſchiedenheit zwiſchen beiden erklärt
und gerechtfertigt werden kann (a).
Eben ſo giebt es auch verſchiedene Grade in der Ver-
wandtſchaft des Grundes mit dem Inhalt des Geſetzes.
Sie können zu einander ſtehen in dem einfachen, rein logi-
ſchen Verhältniß des Grundes zur Folge: dann erſcheint
der Geſetzgrund als identiſch mit dem Inhalt (b). In
anderen Fällen dagegen werden beide ſehr entfernt von
einander ſtehen (c). Beide Fälle ſollen hier durch die Na-
men ſpecieller und genereller Gründe unterſchieden
werden. Dieſe Begriffe aber ſind relativ, eine ſcharfe
Gränze beſteht zwiſchen denſelben nicht, und es laſſen ſich
vielmehr ſehr allmälige Übergänge denken.
(a) Das Sc. Macedonianum
hatte zum Zweck, wucherliche, die
Familienverhältniſſe gefährdende
Geſchäfte mit Kindern in väter-
licher Gewalt zu verhindern. Das
Verbot wurde aber viel weiter
gefaßt, ſo daß auch ganz unſchul-
dige Fälle darunter fielen, weil
es außerdem unmöglich war, die
wirklich gemeynten Fälle ſicher
zu treffen.
(b) L. 13 § 1 de pign. act.
(13. 7.) beſtimmt den Grad der
Culpa für den Pfandcontract;
dieſe Beſtimmung iſt eine reine
Folgerung aus der allgemeineren
in L. 5 § 2 commodati (13. 6.)
enthaltenen Rechtsregel. Eben
ſo bey mehreren anderen daſelbſt
erwähnten Contracten, z. B. dem
Depoſitum. Eine gleiche Anwen-
dung, wie bey dem Depoſitum,
wäre bey der Tutel denkbar ge-
weſen, weil auch der Vormund
keinen Vortheil aus ſeiner Ver-
waltung zieht. Allein hier wird
das rein logiſche Verhältniß ge-
ſtört durch die Einwirkung an-
derer Gründe, ſo daß alſo hier
das vorher erwähnte Verhältniß
concurrirender Gründe eintritt;
und zwar iſt hier dieſes Verhält-
niß der verſchiedenen Gründe zu
einander ſo beſchaffen, daß ſie
einander durchkreuzen.
(c) Die allgemeinere Rechts-
regel über die Culpa (L. 5 § 2
comm.) beruht auf einem Grund-
ſatz der aequitas, deſſen Aner-
kennung und Begränzung an ſich
ſchwankend iſt, und dieſer einzel-
nen Anwendung ſehr entfernt liegt.
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