Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Widerspruch. Fortsetzung. die andere näher bestimmt und eingeschränkt wird (c). Fol-gende Anwendungen werden dieses Verfahren anschaulich machen. Mehrere Stellen erklären die Usucapion für mög- lich, wenn ein Titel zwar nicht vorhanden, aber doch von dem Besitzer als vorhanden angenommen sey (d); andere Stellen erklären in diesem Fall die Usucapion für unmög- lich (e). Die Vermittlung liegt darin, daß die Usucapion möglich ist, wenn ein wahrscheinlicher Grund jenes Irr- thums nachgewiesen werden kann, außerdem nicht (f). -- Eben so sagen mehrere Stellen, zwischen Ehegatten sey ein Kauf schlechthin ungültig, wenn der Kaufpreis ab- sichtlich höher oder niedriger, als der wahre Werth be- trägt, bestimmt werde (g); andere Stellen beschränken diese gänzliche Ungültigkeit auf den Fall, worin ein sol- cher Kauf lediglich geschlossen wird, um die Schenkung zu bewirken: würde dagegen der Kauf auch unabhängig von dieser Nebenabsicht geschlossen worden seyn, so ist der Kauf gültig, und nur die in der Preisbestimmung liegende (c) So sagt L. 1 § 9 C. de vet. j. en. (1. 17), für diejeni- gen Sätze, die schon im Codex ständen, seyen in der Regel keine Stellen in die Digesten aufge- nommen worden "nisi forte vel propter divisionem, vel propter repletionem, vel pro- pter pleniorem indaginem hoc contigerit." Das kann auch auf die systematische Auflösung von Widersprüchen angewendet wer- den. -- Ein Beyspiel systemati- scher Vereinigung für zwey Stel- len des Codex giebt Justinian selbst in der Nov. 158. (d) L. 3 L. 4 § 2 pro suo (41. 10.). (e) L. 27 de usurp. (41. 3.), § 11 J. de usuc. (2. 6.). (f) L. 11 pro emt. (41. 4.), L. 4 pro leg. (41. 8.), L. 5 § 1 pro suo (41. 10.). (g) L. 38 de contr. emt. (18. 1.), L. 17 pr. ad Sc. Vell. (16. 1.). 18*
§. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung. die andere näher beſtimmt und eingeſchränkt wird (c). Fol-gende Anwendungen werden dieſes Verfahren anſchaulich machen. Mehrere Stellen erklären die Uſucapion für mög- lich, wenn ein Titel zwar nicht vorhanden, aber doch von dem Beſitzer als vorhanden angenommen ſey (d); andere Stellen erklären in dieſem Fall die Uſucapion für unmög- lich (e). Die Vermittlung liegt darin, daß die Uſucapion möglich iſt, wenn ein wahrſcheinlicher Grund jenes Irr- thums nachgewieſen werden kann, außerdem nicht (f). — Eben ſo ſagen mehrere Stellen, zwiſchen Ehegatten ſey ein Kauf ſchlechthin ungültig, wenn der Kaufpreis ab- ſichtlich höher oder niedriger, als der wahre Werth be- trägt, beſtimmt werde (g); andere Stellen beſchränken dieſe gänzliche Ungültigkeit auf den Fall, worin ein ſol- cher Kauf lediglich geſchloſſen wird, um die Schenkung zu bewirken: würde dagegen der Kauf auch unabhängig von dieſer Nebenabſicht geſchloſſen worden ſeyn, ſo iſt der Kauf gültig, und nur die in der Preisbeſtimmung liegende (c) So ſagt L. 1 § 9 C. de vet. j. en. (1. 17), für diejeni- gen Sätze, die ſchon im Codex ſtänden, ſeyen in der Regel keine Stellen in die Digeſten aufge- nommen worden „nisi forte vel propter divisionem, vel propter repletionem, vel pro- pter pleniorem indaginem hoc contigerit.” Das kann auch auf die ſyſtematiſche Auflöſung von Widerſprüchen angewendet wer- den. — Ein Beyſpiel ſyſtemati- ſcher Vereinigung für zwey Stel- len des Codex giebt Juſtinian ſelbſt in der Nov. 158. (d) L. 3 L. 4 § 2 pro suo (41. 10.). (e) L. 27 de usurp. (41. 3.), § 11 J. de usuc. (2. 6.). (f) L. 11 pro emt. (41. 4.), L. 4 pro leg. (41. 8.), L. 5 § 1 pro suo (41. 10.). (g) L. 38 de contr. emt. (18. 1.), L. 17 pr. ad Sc. Vell. (16. 1.). 18*
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§. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.
die andere näher beſtimmt und eingeſchränkt wird (c). Fol-
gende Anwendungen werden dieſes Verfahren anſchaulich
machen. Mehrere Stellen erklären die Uſucapion für mög-
lich, wenn ein Titel zwar nicht vorhanden, aber doch von
dem Beſitzer als vorhanden angenommen ſey (d); andere
Stellen erklären in dieſem Fall die Uſucapion für unmög-
lich (e). Die Vermittlung liegt darin, daß die Uſucapion
möglich iſt, wenn ein wahrſcheinlicher Grund jenes Irr-
thums nachgewieſen werden kann, außerdem nicht (f). —
Eben ſo ſagen mehrere Stellen, zwiſchen Ehegatten ſey
ein Kauf ſchlechthin ungültig, wenn der Kaufpreis ab-
ſichtlich höher oder niedriger, als der wahre Werth be-
trägt, beſtimmt werde (g); andere Stellen beſchränken
dieſe gänzliche Ungültigkeit auf den Fall, worin ein ſol-
cher Kauf lediglich geſchloſſen wird, um die Schenkung
zu bewirken: würde dagegen der Kauf auch unabhängig
von dieſer Nebenabſicht geſchloſſen worden ſeyn, ſo iſt der
Kauf gültig, und nur die in der Preisbeſtimmung liegende
(c) So ſagt L. 1 § 9 C. de
vet. j. en. (1. 17), für diejeni-
gen Sätze, die ſchon im Codex
ſtänden, ſeyen in der Regel keine
Stellen in die Digeſten aufge-
nommen worden „nisi forte
vel propter divisionem, vel
propter repletionem, vel pro-
pter pleniorem indaginem hoc
contigerit.” Das kann auch auf
die ſyſtematiſche Auflöſung von
Widerſprüchen angewendet wer-
den. — Ein Beyſpiel ſyſtemati-
ſcher Vereinigung für zwey Stel-
len des Codex giebt Juſtinian
ſelbſt in der Nov. 158.
(d) L. 3 L. 4 § 2 pro suo
(41. 10.).
(e) L. 27 de usurp. (41. 3.),
§ 11 J. de usuc. (2. 6.).
(f) L. 11 pro emt. (41. 4.),
L. 4 pro leg. (41. 8.), L. 5 § 1
pro suo (41. 10.).
(g) L. 38 de contr. emt. (18.
1.), L. 17 pr. ad Sc. Vell.
(16. 1.).
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