Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. die Compilatoren dieses mit Absicht so eingerichtet haben(was freylich niemals streng erweislich seyn wird), oder ob die ältere Stelle nur aus Versehen aufgenommen wor- den ist. Denn auch in diesem letzten Fall geschieht eine solche Vereinigung ganz im Sinn der Compilation, und unser Verfahren ist durch die Natur und Bestimmung der- selben völlig gerechtfertigt (u). -- Im Gegensatz des hier beschriebenen Falles wäre demnach die historische Vereini- gung zu verwerfen in folgenden Fällen. Erstens wenn beide Stellen, so viel wir wissen, gleichzeitig sind, wel- ches fast immer wird angenommen werden müssen, wenn zwey Pandektenstellen von demselben Schriftsteller, oder von zwey gleichzeitig lebenden, herrühren, da wir über die Chronologie der einzelnen Werke wenig wissen. Zwey- tens, wenn jene Stellen zwar ungleichzeitig sind, aber so, daß dieses Zeitverhältniß nicht der Grund des abweichen- den Inhalts ist, indem sie eben so verschieden lauten könn- dex und die Institutionen behan- deln es als anwendbar auf Sa- chen aller Art. Ich setze dabey freylich voraus die Richtigkeit der Ansicht, welche in meinem Buch über den Besitz § 40 aufgestellt ist, denn allerdings ist diese Frage sehr streitig. -- Ein anderer Fall findet sich in der Lehre vom ca- strense peculium. Starb ein filius familias, der ein solches besaß, ohne darüber zu testiren, so fiel es an den Vater, nicht als Erbschaft, sondern jure pri- stino. Dieser Rechtssatz ist noch in den Digesten ausführlich dar- gestellt, und kommt selbst noch im Codex vor. (L. 1. 2. 9. 19 § 3 de castr. pec. 49. 17., L. 5. C. eod. 12. 37.). Allein seit der Ausbildung der sogenannten Ad- ventitien paßte dieser Grundsatz nicht mehr, und so sagen die In- stitutionen, freylich nur beiläufig, jenes Recht des Vaters gelte nur, wenn der Sohn weder Kinder noch Geschwister hinterlasse. pr. J. quib. non est permissum. 2. 12. (u) Löhr a. a. O., S. 212.
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. die Compilatoren dieſes mit Abſicht ſo eingerichtet haben(was freylich niemals ſtreng erweislich ſeyn wird), oder ob die ältere Stelle nur aus Verſehen aufgenommen wor- den iſt. Denn auch in dieſem letzten Fall geſchieht eine ſolche Vereinigung ganz im Sinn der Compilation, und unſer Verfahren iſt durch die Natur und Beſtimmung der- ſelben völlig gerechtfertigt (u). — Im Gegenſatz des hier beſchriebenen Falles wäre demnach die hiſtoriſche Vereini- gung zu verwerfen in folgenden Fällen. Erſtens wenn beide Stellen, ſo viel wir wiſſen, gleichzeitig ſind, wel- ches faſt immer wird angenommen werden müſſen, wenn zwey Pandektenſtellen von demſelben Schriftſteller, oder von zwey gleichzeitig lebenden, herrühren, da wir über die Chronologie der einzelnen Werke wenig wiſſen. Zwey- tens, wenn jene Stellen zwar ungleichzeitig ſind, aber ſo, daß dieſes Zeitverhältniß nicht der Grund des abweichen- den Inhalts iſt, indem ſie eben ſo verſchieden lauten könn- dex und die Inſtitutionen behan- deln es als anwendbar auf Sa- chen aller Art. Ich ſetze dabey freylich voraus die Richtigkeit der Anſicht, welche in meinem Buch über den Beſitz § 40 aufgeſtellt iſt, denn allerdings iſt dieſe Frage ſehr ſtreitig. — Ein anderer Fall findet ſich in der Lehre vom ca- strense peculium. Starb ein filius familias, der ein ſolches beſaß, ohne darüber zu teſtiren, ſo fiel es an den Vater, nicht als Erbſchaft, ſondern jure pri- stino. Dieſer Rechtsſatz iſt noch in den Digeſten ausführlich dar- geſtellt, und kommt ſelbſt noch im Codex vor. (L. 1. 2. 9. 19 § 3 de castr. pec. 49. 17., L. 5. C. eod. 12. 37.). Allein ſeit der Ausbildung der ſogenannten Ad- ventitien paßte dieſer Grundſatz nicht mehr, und ſo ſagen die In- ſtitutionen, freylich nur beiläufig, jenes Recht des Vaters gelte nur, wenn der Sohn weder Kinder noch Geſchwiſter hinterlaſſe. pr. J. quib. non est permissum. 2. 12. (u) Löhr a. a. O., S. 212.
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Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
die Compilatoren dieſes mit Abſicht ſo eingerichtet haben
(was freylich niemals ſtreng erweislich ſeyn wird), oder
ob die ältere Stelle nur aus Verſehen aufgenommen wor-
den iſt. Denn auch in dieſem letzten Fall geſchieht eine
ſolche Vereinigung ganz im Sinn der Compilation, und
unſer Verfahren iſt durch die Natur und Beſtimmung der-
ſelben völlig gerechtfertigt (u). — Im Gegenſatz des hier
beſchriebenen Falles wäre demnach die hiſtoriſche Vereini-
gung zu verwerfen in folgenden Fällen. Erſtens wenn
beide Stellen, ſo viel wir wiſſen, gleichzeitig ſind, wel-
ches faſt immer wird angenommen werden müſſen, wenn
zwey Pandektenſtellen von demſelben Schriftſteller, oder
von zwey gleichzeitig lebenden, herrühren, da wir über
die Chronologie der einzelnen Werke wenig wiſſen. Zwey-
tens, wenn jene Stellen zwar ungleichzeitig ſind, aber ſo,
daß dieſes Zeitverhältniß nicht der Grund des abweichen-
den Inhalts iſt, indem ſie eben ſo verſchieden lauten könn-
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(u) Löhr a. a. O., S. 212.
(t) dex und die Inſtitutionen behan-
deln es als anwendbar auf Sa-
chen aller Art. Ich ſetze dabey
freylich voraus die Richtigkeit der
Anſicht, welche in meinem Buch
über den Beſitz § 40 aufgeſtellt
iſt, denn allerdings iſt dieſe Frage
ſehr ſtreitig. — Ein anderer Fall
findet ſich in der Lehre vom ca-
strense peculium. Starb ein
filius familias, der ein ſolches
beſaß, ohne darüber zu teſtiren,
ſo fiel es an den Vater, nicht
als Erbſchaft, ſondern jure pri-
stino. Dieſer Rechtsſatz iſt noch
in den Digeſten ausführlich dar-
geſtellt, und kommt ſelbſt noch
im Codex vor. (L. 1. 2. 9. 19
§ 3 de castr. pec. 49. 17., L. 5.
C. eod. 12. 37.). Allein ſeit der
Ausbildung der ſogenannten Ad-
ventitien paßte dieſer Grundſatz
nicht mehr, und ſo ſagen die In-
ſtitutionen, freylich nur beiläufig,
jenes Recht des Vaters gelte nur,
wenn der Sohn weder Kinder
noch Geſchwiſter hinterlaſſe. pr.
J. quib. non est permissum. 2. 12.
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