Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Vorrede. Jahrhunderte zugeführt haben, ist unsre Aufgabe ohneVergleich schwieriger, als es die der Römer war, unser Ziel also steht höher, und wenn es uns gelingt dieses Ziel zu erreichen, so werden wir nicht etwa die Trefflich- keit der Römischen Juristen in bloßer Nachahmung wie- derholt, sondern weit Größeres als sie geleistet haben. Wenn wir gelernt haben werden, den gegebenen Rechts- stoff mit derselben Freyheit und Herrschaft zu behan- deln, die wir an den Römern bewundern, dann können wir sie als Vorbilder entbehren, und der Geschichte zu dankbarer Erinnerung übergeben. Bis dahin aber wol- len wir uns eben so wenig durch falschen Stolz, als durch Bequemlichkeit, abhalten lassen ein Bildungsmittel zu benutzen, welches wir durch eigene Kraft zu ersetzen schwerlich vermögen würden. Es wird also hierin ein Verhältniß unsrer Zeit zum Alterthum behauptet, wie wir es in ähnlicher Weise auch in anderen geistigen Gebieten wahrnehmen. Niemand möge diese Worte so verstehen, als sollte die Beschäftigung mit dem Römischen Recht er- hoben werden zum Nachtheil der eifrigen germanistischen Bestrebungen, die gerade in unsrer Zeit so erfreulichen Hoffnungen Raum geben. Nichts ist häufiger und na- türlicher, als den lebendigen Eifer für das Gebiet un- srer eigenen Forschungen kund zu geben durch Herab- Vorrede. Jahrhunderte zugeführt haben, iſt unſre Aufgabe ohneVergleich ſchwieriger, als es die der Römer war, unſer Ziel alſo ſteht höher, und wenn es uns gelingt dieſes Ziel zu erreichen, ſo werden wir nicht etwa die Trefflich- keit der Römiſchen Juriſten in bloßer Nachahmung wie- derholt, ſondern weit Größeres als ſie geleiſtet haben. Wenn wir gelernt haben werden, den gegebenen Rechts- ſtoff mit derſelben Freyheit und Herrſchaft zu behan- deln, die wir an den Römern bewundern, dann können wir ſie als Vorbilder entbehren, und der Geſchichte zu dankbarer Erinnerung übergeben. Bis dahin aber wol- len wir uns eben ſo wenig durch falſchen Stolz, als durch Bequemlichkeit, abhalten laſſen ein Bildungsmittel zu benutzen, welches wir durch eigene Kraft zu erſetzen ſchwerlich vermögen würden. Es wird alſo hierin ein Verhältniß unſrer Zeit zum Alterthum behauptet, wie wir es in ähnlicher Weiſe auch in anderen geiſtigen Gebieten wahrnehmen. Niemand möge dieſe Worte ſo verſtehen, als ſollte die Beſchäftigung mit dem Römiſchen Recht er- hoben werden zum Nachtheil der eifrigen germaniſtiſchen Beſtrebungen, die gerade in unſrer Zeit ſo erfreulichen Hoffnungen Raum geben. Nichts iſt häufiger und na- türlicher, als den lebendigen Eifer für das Gebiet un- ſrer eigenen Forſchungen kund zu geben durch Herab- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="XXXI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/> Jahrhunderte zugeführt haben, iſt unſre Aufgabe ohne<lb/> Vergleich ſchwieriger, als es die der Römer war, unſer<lb/> Ziel alſo ſteht höher, und wenn es uns gelingt dieſes<lb/> Ziel zu erreichen, ſo werden wir nicht etwa die Trefflich-<lb/> keit der Römiſchen Juriſten in bloßer Nachahmung wie-<lb/> derholt, ſondern weit Größeres als ſie geleiſtet haben.<lb/> Wenn wir gelernt haben werden, den gegebenen Rechts-<lb/> ſtoff mit derſelben Freyheit und Herrſchaft zu behan-<lb/> deln, die wir an den Römern bewundern, dann können<lb/> wir ſie als Vorbilder entbehren, und der Geſchichte zu<lb/> dankbarer Erinnerung übergeben. Bis dahin aber wol-<lb/> len wir uns eben ſo wenig durch falſchen Stolz, als<lb/> durch Bequemlichkeit, abhalten laſſen ein Bildungsmittel<lb/> zu benutzen, welches wir durch eigene Kraft zu erſetzen<lb/> ſchwerlich vermögen würden. Es wird alſo hierin ein<lb/> Verhältniß unſrer Zeit zum Alterthum behauptet, wie wir<lb/> es in ähnlicher Weiſe auch in anderen geiſtigen Gebieten<lb/> wahrnehmen. Niemand möge dieſe Worte ſo verſtehen,<lb/> als ſollte die Beſchäftigung mit dem Römiſchen Recht er-<lb/> hoben werden zum Nachtheil der eifrigen germaniſtiſchen<lb/> Beſtrebungen, die gerade in unſrer Zeit ſo erfreulichen<lb/> Hoffnungen Raum geben. Nichts iſt häufiger und na-<lb/> türlicher, als den lebendigen Eifer für das Gebiet un-<lb/> ſrer eigenen Forſchungen kund zu geben durch Herab-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [XXXI/0037]
Vorrede.
Jahrhunderte zugeführt haben, iſt unſre Aufgabe ohne
Vergleich ſchwieriger, als es die der Römer war, unſer
Ziel alſo ſteht höher, und wenn es uns gelingt dieſes
Ziel zu erreichen, ſo werden wir nicht etwa die Trefflich-
keit der Römiſchen Juriſten in bloßer Nachahmung wie-
derholt, ſondern weit Größeres als ſie geleiſtet haben.
Wenn wir gelernt haben werden, den gegebenen Rechts-
ſtoff mit derſelben Freyheit und Herrſchaft zu behan-
deln, die wir an den Römern bewundern, dann können
wir ſie als Vorbilder entbehren, und der Geſchichte zu
dankbarer Erinnerung übergeben. Bis dahin aber wol-
len wir uns eben ſo wenig durch falſchen Stolz, als
durch Bequemlichkeit, abhalten laſſen ein Bildungsmittel
zu benutzen, welches wir durch eigene Kraft zu erſetzen
ſchwerlich vermögen würden. Es wird alſo hierin ein
Verhältniß unſrer Zeit zum Alterthum behauptet, wie wir
es in ähnlicher Weiſe auch in anderen geiſtigen Gebieten
wahrnehmen. Niemand möge dieſe Worte ſo verſtehen,
als ſollte die Beſchäftigung mit dem Römiſchen Recht er-
hoben werden zum Nachtheil der eifrigen germaniſtiſchen
Beſtrebungen, die gerade in unſrer Zeit ſo erfreulichen
Hoffnungen Raum geben. Nichts iſt häufiger und na-
türlicher, als den lebendigen Eifer für das Gebiet un-
ſrer eigenen Forſchungen kund zu geben durch Herab-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |