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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
-- Die Gesammtheit aller dieser ergänzenden Verhältnisse
nun -- Ehe, väterliche Gewalt, Verwandtschaft -- nen-
nen wir die Familie, und die hierauf bezüglichen Rechts-
institute das Familienrecht (e).

Da das Familienverhältniß, eben so wie die Obliga-
tion, ein Verhältniß zu bestimmten Individuen ist, so liegt
es sehr nahe, diese beiden Verhältnisse entweder zu iden-
tificiren, das heißt die Familie unter die Obligationen zu
rechnen, oder doch beide als näher verwandt dem Eigen-
thum, welches eine solche individuelle Beziehung nicht in

stetiger Fortbildung ist; als na-
türliche Analogie die Cognation,
in welcher das jus gentium die
auf der Abstammung beruhende
Gemeinschaft der Individuen an-
erkennt, wie das jus civile in
der Agnation.
(e) Es muß dabey ausdrück-
lich bemerkt werden, daß diese
Bezeichnung nicht aus dem Rö-
mischen Recht hergenommen ist.
Bey den Römern hat der Aus-
druck familia verschiedene Bedeu-
tungen; die wichtigste und am
meisten technische ist die, worin
es die Gesammtheit der Agnaten
bezeichnet, also nur einen Theil
der Verhältnisse, die ich darun-
ter begreife. Wenn aber auch
nicht der hier gewählte Ausdruck
im Römischen Rechte begründet
ist, so ist doch die Zusammenstel-
lung der dadurch bezeichneten Ver-
hältnisse, so wie der Grund die-
ser Zusammenstellung, dem Sinn
der Römischen Juristen völlig an-
gemessen. Es ist nämlich genau
dasjenige, was sie als jus natu-
rale
bezeichnen. Ulpian sagt
darüber in L. 1 § 3 de J. et J.
"Jus naturale est quod natura
omnia animalia docuit .... Hinc
descendit maris atque foeminae
conjunctio, quam nos matrimo-
nium appellamus: hinc libero-
rum procreatio, hinc educa-
tio."
(Vgl. Beylage I.). Daß die
alten Juristen aus historischen
Gründen, in ihrer Abhandlung
der Rechtsinstitute selbst, andere
Gesichtspunkte sichtbarer hervor-
treten ließen, wie wir es bey
Gajus sehen, steht mit ihrer An-
erkennung jenes allgemeinen, na-
türlichen Zusammenhangs gar
nicht im Widerspruch. -- Mit dem
heutigen Sprachgebrauch stimmt
die von mir gewählte Bezeichnung
gewiß überein, so wie auch zu
unserm heutigen Rechtszustand
jene Zusammenstellung einzig und
allein paßt.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
— Die Geſammtheit aller dieſer ergänzenden Verhältniſſe
nun — Ehe, väterliche Gewalt, Verwandtſchaft — nen-
nen wir die Familie, und die hierauf bezüglichen Rechts-
inſtitute das Familienrecht (e).

Da das Familienverhältniß, eben ſo wie die Obliga-
tion, ein Verhältniß zu beſtimmten Individuen iſt, ſo liegt
es ſehr nahe, dieſe beiden Verhältniſſe entweder zu iden-
tificiren, das heißt die Familie unter die Obligationen zu
rechnen, oder doch beide als näher verwandt dem Eigen-
thum, welches eine ſolche individuelle Beziehung nicht in

ſtetiger Fortbildung iſt; als na-
türliche Analogie die Cognation,
in welcher das jus gentium die
auf der Abſtammung beruhende
Gemeinſchaft der Individuen an-
erkennt, wie das jus civile in
der Agnation.
(e) Es muß dabey ausdrück-
lich bemerkt werden, daß dieſe
Bezeichnung nicht aus dem Rö-
miſchen Recht hergenommen iſt.
Bey den Römern hat der Aus-
druck familia verſchiedene Bedeu-
tungen; die wichtigſte und am
meiſten techniſche iſt die, worin
es die Geſammtheit der Agnaten
bezeichnet, alſo nur einen Theil
der Verhältniſſe, die ich darun-
ter begreife. Wenn aber auch
nicht der hier gewählte Ausdruck
im Römiſchen Rechte begründet
iſt, ſo iſt doch die Zuſammenſtel-
lung der dadurch bezeichneten Ver-
hältniſſe, ſo wie der Grund die-
ſer Zuſammenſtellung, dem Sinn
der Römiſchen Juriſten völlig an-
gemeſſen. Es iſt nämlich genau
dasjenige, was ſie als jus natu-
rale
bezeichnen. Ulpian ſagt
darüber in L. 1 § 3 de J. et J.
„Jus naturale est quod natura
omnia animalia docuit .... Hinc
descendit maris atque foeminae
conjunctio, quam nos matrimo-
nium appellamus: hinc libero-
rum procreatio, hinc educa-
tio.”
(Vgl. Beylage I.). Daß die
alten Juriſten aus hiſtoriſchen
Gründen, in ihrer Abhandlung
der Rechtsinſtitute ſelbſt, andere
Geſichtspunkte ſichtbarer hervor-
treten ließen, wie wir es bey
Gajus ſehen, ſteht mit ihrer An-
erkennung jenes allgemeinen, na-
türlichen Zuſammenhangs gar
nicht im Widerſpruch. — Mit dem
heutigen Sprachgebrauch ſtimmt
die von mir gewählte Bezeichnung
gewiß überein, ſo wie auch zu
unſerm heutigen Rechtszuſtand
jene Zuſammenſtellung einzig und
allein paßt.
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[342/0398] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. — Die Geſammtheit aller dieſer ergänzenden Verhältniſſe nun — Ehe, väterliche Gewalt, Verwandtſchaft — nen- nen wir die Familie, und die hierauf bezüglichen Rechts- inſtitute das Familienrecht (e). Da das Familienverhältniß, eben ſo wie die Obliga- tion, ein Verhältniß zu beſtimmten Individuen iſt, ſo liegt es ſehr nahe, dieſe beiden Verhältniſſe entweder zu iden- tificiren, das heißt die Familie unter die Obligationen zu rechnen, oder doch beide als näher verwandt dem Eigen- thum, welches eine ſolche individuelle Beziehung nicht in (d) (e) Es muß dabey ausdrück- lich bemerkt werden, daß dieſe Bezeichnung nicht aus dem Rö- miſchen Recht hergenommen iſt. Bey den Römern hat der Aus- druck familia verſchiedene Bedeu- tungen; die wichtigſte und am meiſten techniſche iſt die, worin es die Geſammtheit der Agnaten bezeichnet, alſo nur einen Theil der Verhältniſſe, die ich darun- ter begreife. Wenn aber auch nicht der hier gewählte Ausdruck im Römiſchen Rechte begründet iſt, ſo iſt doch die Zuſammenſtel- lung der dadurch bezeichneten Ver- hältniſſe, ſo wie der Grund die- ſer Zuſammenſtellung, dem Sinn der Römiſchen Juriſten völlig an- gemeſſen. Es iſt nämlich genau dasjenige, was ſie als jus natu- rale bezeichnen. Ulpian ſagt darüber in L. 1 § 3 de J. et J. „Jus naturale est quod natura omnia animalia docuit .... Hinc descendit maris atque foeminae conjunctio, quam nos matrimo- nium appellamus: hinc libero- rum procreatio, hinc educa- tio.” (Vgl. Beylage I.). Daß die alten Juriſten aus hiſtoriſchen Gründen, in ihrer Abhandlung der Rechtsinſtitute ſelbſt, andere Geſichtspunkte ſichtbarer hervor- treten ließen, wie wir es bey Gajus ſehen, ſteht mit ihrer An- erkennung jenes allgemeinen, na- türlichen Zuſammenhangs gar nicht im Widerſpruch. — Mit dem heutigen Sprachgebrauch ſtimmt die von mir gewählte Bezeichnung gewiß überein, ſo wie auch zu unſerm heutigen Rechtszuſtand jene Zuſammenſtellung einzig und allein paßt. (d) ſtetiger Fortbildung iſt; als na- türliche Analogie die Cognation, in welcher das jus gentium die auf der Abſtammung beruhende Gemeinſchaft der Individuen an- erkennt, wie das jus civile in der Agnation.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/398>, abgerufen am 24.11.2024.