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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
auf einander kann durch jene schwankende Gränze leicht
verdunkelt werden. Das Römische Recht hält beide streng
aus einander, und behandelt jeden Theil für sich als ganz
unabhängig innerhalb seiner Gränzen. So das Eigenthum
als selbständige Herrschaft über eine Sache, ohne Rück-
sicht auf die Obligation die etwa als Vermittlung und
Vorbereitung dazu diente: die Obligation als selbständige
Herrschaft über eine fremde Handlung, ohne Rücksicht auf
das dingliche Recht worauf diese Handlung vielleicht ab-
zweckt. Von dieser, der Natur jener Rechte völlig ange-
messenen Behandlung ist nun eine zwiefache Abirrung mög-
lich: entweder indem die Obligationen allein in's Auge
gefaßt werden, so daß die dinglichen Rechte nur als Fol-
gen oder Entwicklungen derselben erscheinen (g): oder in-
dem umgekehrt die dinglichen Rechte allein als wahrer
Gegenstand der Rechtsbestimmungen erscheinen, da dann
die Obligationen nur als Erwerbungsmittel der dinglichen
Rechte in Betracht kommen (h). Jede dieser Behandlungs-

d. h. daß sie mehr absolutes Recht
oder jus publicum (§ 16) ent-
halten.
(g) So geschieht es bey Domat,
lois civiles.
Er theilt das ganze
Recht in Engagemens (Recht un-
ter Lebenden) und Successions
(Erbrecht). Die Engagemens sind
Obligationen, neben welchen nur
gelegentlich auch dingliche Rechte
als Folgen oder Verstärkungen
vorkommen.
(h) So im Französischen Code
civil,
welcher drey Bücher hat:
1) Personen, 2) Sachen und Modi-
ficationen des Eigenthums, 3) Er-
werbungsarten des Eigenthums;
diese sind dreyfach: a) Succes-
sions,
d. h. Intestaterbfolge, b) do-
natio inter vivos
und Testament,
c) Wirkung ber Obligationen.
(Art. 711.). -- Allein dieses Über-
gewicht des Eigenthums ist hier
doch nur scheinbar, da das zweyte
Buch sehr mager ist, das dritte
dagegen den größten Theil des
ganzen Privatrechts enthält, wo-
bey die vorherrschende Rücksicht

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
auf einander kann durch jene ſchwankende Gränze leicht
verdunkelt werden. Das Römiſche Recht hält beide ſtreng
aus einander, und behandelt jeden Theil für ſich als ganz
unabhängig innerhalb ſeiner Gränzen. So das Eigenthum
als ſelbſtändige Herrſchaft über eine Sache, ohne Rück-
ſicht auf die Obligation die etwa als Vermittlung und
Vorbereitung dazu diente: die Obligation als ſelbſtändige
Herrſchaft über eine fremde Handlung, ohne Rückſicht auf
das dingliche Recht worauf dieſe Handlung vielleicht ab-
zweckt. Von dieſer, der Natur jener Rechte völlig ange-
meſſenen Behandlung iſt nun eine zwiefache Abirrung mög-
lich: entweder indem die Obligationen allein in’s Auge
gefaßt werden, ſo daß die dinglichen Rechte nur als Fol-
gen oder Entwicklungen derſelben erſcheinen (g): oder in-
dem umgekehrt die dinglichen Rechte allein als wahrer
Gegenſtand der Rechtsbeſtimmungen erſcheinen, da dann
die Obligationen nur als Erwerbungsmittel der dinglichen
Rechte in Betracht kommen (h). Jede dieſer Behandlungs-

d. h. daß ſie mehr abſolutes Recht
oder jus publicum (§ 16) ent-
halten.
(g) So geſchieht es bey Domat,
lois civiles.
Er theilt das ganze
Recht in Engagemens (Recht un-
ter Lebenden) und Successions
(Erbrecht). Die Engagemens ſind
Obligationen, neben welchen nur
gelegentlich auch dingliche Rechte
als Folgen oder Verſtärkungen
vorkommen.
(h) So im Franzöſiſchen Code
civil,
welcher drey Bücher hat:
1) Perſonen, 2) Sachen und Modi-
ficationen des Eigenthums, 3) Er-
werbungsarten des Eigenthums;
dieſe ſind dreyfach: a) Succes-
sions,
d. h. Inteſtaterbfolge, b) do-
natio inter vivos
und Teſtament,
c) Wirkung ber Obligationen.
(Art. 711.). — Allein dieſes Über-
gewicht des Eigenthums iſt hier
doch nur ſcheinbar, da das zweyte
Buch ſehr mager iſt, das dritte
dagegen den größten Theil des
ganzen Privatrechts enthält, wo-
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[374/0430] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. auf einander kann durch jene ſchwankende Gränze leicht verdunkelt werden. Das Römiſche Recht hält beide ſtreng aus einander, und behandelt jeden Theil für ſich als ganz unabhängig innerhalb ſeiner Gränzen. So das Eigenthum als ſelbſtändige Herrſchaft über eine Sache, ohne Rück- ſicht auf die Obligation die etwa als Vermittlung und Vorbereitung dazu diente: die Obligation als ſelbſtändige Herrſchaft über eine fremde Handlung, ohne Rückſicht auf das dingliche Recht worauf dieſe Handlung vielleicht ab- zweckt. Von dieſer, der Natur jener Rechte völlig ange- meſſenen Behandlung iſt nun eine zwiefache Abirrung mög- lich: entweder indem die Obligationen allein in’s Auge gefaßt werden, ſo daß die dinglichen Rechte nur als Fol- gen oder Entwicklungen derſelben erſcheinen (g): oder in- dem umgekehrt die dinglichen Rechte allein als wahrer Gegenſtand der Rechtsbeſtimmungen erſcheinen, da dann die Obligationen nur als Erwerbungsmittel der dinglichen Rechte in Betracht kommen (h). Jede dieſer Behandlungs- (f) (g) So geſchieht es bey Domat, lois civiles. Er theilt das ganze Recht in Engagemens (Recht un- ter Lebenden) und Successions (Erbrecht). Die Engagemens ſind Obligationen, neben welchen nur gelegentlich auch dingliche Rechte als Folgen oder Verſtärkungen vorkommen. (h) So im Franzöſiſchen Code civil, welcher drey Bücher hat: 1) Perſonen, 2) Sachen und Modi- ficationen des Eigenthums, 3) Er- werbungsarten des Eigenthums; dieſe ſind dreyfach: a) Succes- sions, d. h. Inteſtaterbfolge, b) do- natio inter vivos und Teſtament, c) Wirkung ber Obligationen. (Art. 711.). — Allein dieſes Über- gewicht des Eigenthums iſt hier doch nur ſcheinbar, da das zweyte Buch ſehr mager iſt, das dritte dagegen den größten Theil des ganzen Privatrechts enthält, wo- bey die vorherrſchende Rückſicht (f) d. h. daß ſie mehr abſolutes Recht oder jus publicum (§ 16) ent- halten.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/430>, abgerufen am 26.11.2024.